Eine Reihe von Bewohnern des Gesundheitszentrums Main-Spessart in Gemünden ist mit CoVid-19 infiziert, einige sind bereits gestorben. In dieser angespannten Lage kritisieren Pflegekräfte des Seniorenheims die Gemündener Ärzte. "Warum werden wir so im Stich gelassen?", fragt die stellvertretende Pflegedienstleisterin Johanna Wind.
Schon vor zwei Wochen berichtete das Gesundheitszentrum, dass sich einige Gemündener Hausärzte geweigert hätten, zu Corona-Tests ins Seniorenheim zu kommen. Dr. Matthias Schmidt aus Burgsinn, Koordinator der kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) für Main-Spessart, erklärte dies mit Kommunikationsproblemen. Johanna Wind und Daniela Braun, Pflegekraft auf der Isolierstation, erneuern ihre Kritik an den Gemündener Ärzten.
Hausärzte weigern sich, ins Heim zu kommen
"Neulich war eine Ärztin zur Visite im Haus, gleichzeitig befanden sich Mitarbeiter des Gesundheitsamts im Gesundheitszentrum. Als wir die Ärztin baten, bei einem ihrer Patienten einen PCR-Test durchzuführen, sagte sie, das sollen die Leute vom Gesundheitsamt machen", berichtet Johanna Wind. Die Seniorenheime im Landkreis haben Antigen-Schnelltests erhalten. Bei einem positiven Resultat ist ein PCR-Test verpflichtend. "Die Hausärzte haben die Verpfichtung, ihre Patienten zu betreuen", räumt auch Matthias Schmidt ein.
"Es gibt aber mehrere Gemündener Ärzte, die diese Aufgabe nicht erfüllen", sagt Wind. Namen mag sie nicht nennen, schließlich müsse sie weiter mit ihnen arbeiten. "Seit der Presseberichterstattung vergangene Woche hat es sich auch etwas gebessert." Positiv erwähnt sie Dr. Birgit Heinz-Losert aus Burgsinn und Dr. Bernold Schenk aus Gemünden. "Die sind für uns immer erreichbar und hilfsbereit." Beide hätten schon eine Vielzahl von Tests im Gesundheitszentrum durchgeführt und seien "auch durch ihre telefonische Beratung eine große Hilfe".
Grundsätzlich hätten die Ärzte im Raum Gemünden untereinander nicht das beste Verhältnis, "das spüren wir auch", so Wind. Gerade in der jetzigen Phase sei das eine Belastung. "Seit viereinhalb Wochen kämpfen wir hier Tag und Nacht um das Leben der Bewohner." Dabei fühlen sich die verausgabten Pflege-Mitarbeiterinnen von den Ärzten im Stich gelassen.
Dies bestätigt Daniela Braun, Schwester auf der Intensivstation. "Wir kennen die Patienten, aber manchmal hören die Ärzte nicht auf uns", sagt sie. Als eine Bewohnerin, die üblicherweise mobil und kommunikativ war, nicht mehr auf Ansprache reagierte, rief sie den Notarzt. Der sei nachts um 4 Uhr nicht erfreut gewesen, habe die Mobilfunktionen kontrolliert und nur gesagt: "Was wollen Sie, die Werte sind okay." Die Person sei erst zwei Tage später ins Krankenhaus gekommen und weitere zwei Tage später gestorben. Ein andermal habe ein Bewohner Schaum vorm Mund gehabt und den Beatmungsschlauch zerbissen. "Ich befürchtete, dass er erstickt", sagt Wind. Der Notarzt habe bloß gefragt: "Tja, was soll ich da machen?"
Notärzte herablassend
Wind und Braun erklären, es sei eben Aufgabe der Pflegekräfte, die Situation der Patienten zu beurteilen und abzuwägen, ob das ein Fall für Hausarzt, Bereitschaftsdienst oder Notarzt sei. "Wir kennen die Bewohner. Wir wissen, wenn es denen nicht gut geht. Aber der Notarzt behandelt einen, als sei man dumm", klagt Braun. Beim nächsten Mal zögere die Pflegekraft womöglich, den Notarzt zu rufen. Dies könne für die Patienten schwerwiegende Folgen haben. Wind und Braun fragen: "Warum hört uns keiner zu?"
Der als Notarzt tätige Helmut Aulbach bestätigt die Berichte der Pflegerinnen. "Nur noch 50 Prozent der Hausärzte" besuchten und versorgten zurzeit ihre Patienten im Heim, schätzt er. Er wisse "definitiv" von Hausärzten, die nicht ins Heim kommen und einen Abstrich machen. "Ich wurde häufig als Notarzt gerufen, obwohl ein Hausarzt zuständig wäre", so Aulbach. Das Risiko einer Ansteckung auf einen Kollegen "abzuwälzen" findet er nicht gut.
Keine Probleme im Kreisseniorenzentrum
So stehen die Pflegerinnen dazwischen. "Wir haben häufig damit zu kämpfen, die Hausärzte ans Telefon zu bekommen. Sie sind für uns sehr schwer erreichbar", berichtet Daniela Braun. Also bliebe manchmal nichts anderes übrig, als den Notarzt anzurufen. In Mails sei das Gesundheitsamt über diese Problematik unterrichtet worden. "Das wurde zur Kenntnis genommen, mehr nicht", berichtet Johanna Wind.
Das ebenfalls in Gemünden befindliche Kreisseniorenzentrum hat derlei Probleme nicht. Es gehört dem Landkreis. "Der Test-Bedarf wird aktuell über Reihentestungen des Gesundheitsamtes abgedeckt, weshalb wir Testungen durch niedergelassene Ärzte derzeit nicht in Anspruch nehmen", versichert Anja Hildenbrand, Pressesprecherin des Klinikums Main-Spessart.
Das hilft Johanna Wind nicht. Nach viereinhalb Wochen extremer Belastung sagt sie: "Wir stehen hier große Kämpfe aus für das Leben unserer Patienten." Etwas Unterstützung wäre willkommen.
Wenn keine Angehörigen hinter den pflegebedürftigen Bewohnern stehen und sich um vieles kümmern, sind sie auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Für so vieles ist Geld im Staat vorhanden, jedoch die alten Menschen vergisst man gerne.
Manchmal kann man sich nicht des Gefühls erwehren, hier soll eine Generationenaufgabe "humanitär" auslaufen. Das alles ist mehr erbärmlich als traurig.
Warum werde nicht erst beide Seiten angehört und dann darüber berichtet? Zumindest sollte den Beschuldigten die Möglichkeit eingräumt werden Vorwürfe im Vorauss zu entkräften. Es ist oft so das es verschiedenene Ansichten zu Vorgängen gibt - was Recht und was Unrecht ist muss im zivilen Leben oft ein Gericht entscheiden.
Allerdings erwarte ich auch von einer Lokalzeitung, dass sie sich erst beide Seiten anhört, sich ein daraus ein eigenens Bild macht und erst DANACH berichtet! Zumindest sollte den Beschuldigten vor einer Veröffentlichung die Möglichkeit gegeben werden sich zu äußern.
So stehen Vorwürfe relativ ungeprüft im Raum - man stützt sich lediglich auf die allgemeinen Aussagen unbeteiligter Personen (Notarzt Helmut Aulbach).
Wen dem so wäre wir im Artikel beschrieben würde ich es für einen Skandal halten - leider hört mal allerdings nur die eine Seite.
Nach den ersten diesbezüglichen Vorwürfen hat der KVB-Koordinator Stellung genehmen (beide Artikel sind verlinkt), nun wiederholen und bekräftigen die Pflegekräfte der ihre Vorwürfe und der Notarzt, der keineswegs unbeteiligt ist, bestätigt diese.
Markus Rill, Redakteur
Ein wenig frech gegenüber den Ärzten sind die Vorwürfe allerdings schon - da wie gesagt keine Namen genannt wurden konnte die Zeitung diese nicht um eine Stellungnahme bitten - obwohl die beteiligen Ärzte trotz Weigerung der namentlichen Nennung bekannt sein dürften.