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Gemünden
Richter aus Gemünden erklärt an Parkrempler-Beispielen den Unterschied zwischen Jugend- und Erwachsenen-Strafrecht
Zwei junge Männer standen jetzt wegen ähnlicher Taten vor Gericht. Beide Male ging es um Unfälle mit Blechschäden. Trotzdem fielen die Urteile denkbar unterschiedlich aus.
Warum wurden zwei Parkrempler jetzt vor dem Amtsgericht Gemünden juristisch unterschiedlich beurteilt? (Symbolfoto)
Foto: Arno Burgi, dpa | Warum wurden zwei Parkrempler jetzt vor dem Amtsgericht Gemünden juristisch unterschiedlich beurteilt? (Symbolfoto)
Herbert Hausmann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:58 Uhr

Zwei Fälle von Parkremplern mit ähnlich hohen Blechschäden – jedoch zwei unterschiedliche juristische Beurteilungen: Kürzlich mussten sich ein 19- und ein 20-Jähriger in Prozessen vor dem Amtsgericht Gemünden verantworten. Die beiden Urteile lagen jedoch sehr weit auseinander. Einmal wurde nach dem Jugendstrafrecht und einmal nach dem für Erwachsene geurteilt. Wie kam es dazu?

Im November hatte der 19-Jährige sein Auto auf einem Parkplatz in Karlstadt abgestellt, um mit dem Zug weiter nach Würzburg zu fahren. Dabei schrammte er an einem anderen Wagen in der Parklücke daneben entlang. Schaden: 1400 Euro. Eine Zeugin machte mit dem Einverständnis des jungen Mannes ein Foto von den beiden Fahrzeugen. "Damit dachte ich, das wäre erledigt", sagte der Angeklagte vor Gericht.

Ein paar Monate später ereignete sich im Raum Marktheidenfeld ein ähnlicher Vorfall: Es war der Rosenmontag, als der 20-Jährige vor einem Lokal rückwärts aus einer Parklücke fuhr und mit seinem Auto einen anderen Wagen rammte. Der Schaden hier: 1800 Euro. Anstatt sich darum zu kümmern, fuhr der Mann davon. Eine halbe Stunde später bekam er Besuch von der Polizei.

Verteidiger des 19-Jährigen stufte Tat als "jugendlichen Leichtsinn" ein

Jetzt fanden die beiden Gerichtsverhandlungen gegen die Männer statt. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautete beide Male auf "unerlaubtes Entfernen vom Unfallort". Die Angeklagten mussten Jugendrichter Volker Büchs Rede und Antwort stehen.

"Ich war etwas aufgeregt und überfordert mit der Situation", erklärte der 19-Jährige, nachdem er das Geschehen aus seiner Sicht geschildert hatte. Auch habe ihn beeinträchtigt, dass seine Mutter zu dieser Zeit in einer Klinik lag. Dies bestätigte sein Verteidiger, der die Tat als "jugendlichen Leichtsinn" einstufte. Wie das Jugendamt plädierte er auf die Anwendung des Jugendstrafrechts, da der junge Mann in seinem Verhalten eher noch mit einem Jugendlichen vergleichbar sei.

Die Urteile: Arbeitsstunden für den einen, Geldstrafe für den anderen

"Ich hatte Stress und es waren viele Leute da", sagte der 20-Jährige zu seinem Verschwinden vom Unfallort. Auch bei ihm hatte das Jugendamt die Anwendung von Jugendstrafrecht vorgeschlagen, das Gericht sah das jedoch anders – auch aufgrund seines Verhaltens in der Verhandlung. Der sehr selbstbewusste junge Mann glich dabei mehr einem Erwachsenen, sodass Staatsanwältin und Richter Erwachsenenstrafrecht anwendeten.

Als Strafmaß beantragte die Staatsanwältin für den 19-Jährigen 80 Stunden Sozialarbeit. Der Verteidiger regte 50 Sozialstunden an. Im Urteil legte Richter Büchs 54 Arbeitsstunden fest. Außerdem wurde der Führerschein für weitere drei Monate eingezogen. Diese Verfahrenskosten übernimmt die Staatskasse, weil der Mann über kein eigenes Einkommen verfügt.

Für den 20-Jährigen beantragte die Staatsanwältin eine Geldstrafe von 700 Euro und die Einziehung des Führerscheins für weitere neun Monate. In seinem Urteil verhängte Richter Büchs 60 Euro für die Ordnungswidrigkeit sowie für das Entfernen vom Unfallort eine Geldstrafe von 500 Euro (50 Tagessätze zu zehn Euro). Der Führerschein des Mannes bleibt noch für weitere sechs Monaten in Verwahrung. Zudem muss der Angeklagte die Kosten seines Verfahrens übernehmen. Beide Urteile sind bereits rechtskräftig.

Wann geht das Gericht von einer "jugendtypischen Verfehlung" aus?

Wann eine Angeklagte oder ein Angeklagter nach dem Jugendstrafrecht oder dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt wird, erklärte Richter und Direktor des Amtsgerichts Gemünden, Volker Büchs. Er führt hier die Jugendverhandlungen durch:

"Das Gericht prüft bei Heranwachsenden, also Personen, die die Tat zwischen dem 18. und 21. Lebensjahr begangen haben, stets, ob die oder der Angeklagte aufgrund der Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit in der Entwicklung eher einem Jugendlichen oder eher einem Erwachsenen gleichstehen oder ob es sich aufgrund der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat eher um eine jugendtypische Verfehlung handelt. Bei dieser Entscheidung wird das Gericht durch eine Stellungnahme der Jugendgerichtshilfe unterstützt, an deren Ergebnis das Gericht allerdings nicht gebunden ist."

 
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