
40 Jahre lang war die Benediktushöhe Retzbach eine beliebte Tagungsstätte. Im 1981 eröffneten "Haus für soziale Bildung" trafen sich kirchliche und weltliche Gruppen, KAB und Pfarrgemeinderäte, Chöre und Gewerkschaftsteams sowie Gruppierungen sozialer Arbeit zu Seminaren, Fortbildungen und Zusammenkünften. "80 bis 90 Prozent unserer Gäste waren Stammgäste und wiederkehrende Gäste", erklärt Joachim Reuß, der letzte Leiter des Hauses. Die Zielgruppen seien Arbeitnehmer, Familien und sozial Benachteiligte gewesen.
Reuß begann am Jahresanfang 2019 als Verwaltungsleiter auf der Benediktushöhe und wurde ein Jahr später Chef des Hauses mit einer Menge von Ideen. "An den Wochenenden war das Haus sehr gut belegt", sagt er. "Wir waren an fast jedem Wochenende ausgebucht, vor allem mit den Familien-Wochenenden." Unter der Woche aber habe es noch reichlich Kapazitäten gegeben.

Neuer Leiter mit vielen Ideen
An den Wochentagen gab es abends Bildungsangebote oder Vorträge zu gesundheitlichen Themen. Aber das Haus mit 71 Betten in 40 Zimmern und neun Seminarräumen verschiedener Größen war tagsüber nicht ausgelastet. Übernachtungsgäste kamen unter der Woche zu wenige. Reuß, der vom Hotelgewerbe zur Benediktushöhe gewechselt war, wollte dies verbessern. Über die Webseite "Bett & Bike" seien Radfahrer zur Übernachtung ins Haus gekommen. Aber dass die Benediktushöhe grundsätzlich auch als Unterkunft für Touristen oder andere Gäste zur Verfügung stand, war gar nicht jedem bekannt.
"Natürlich ist das Haus keine Konkurrenz zu einem Vier-Sterne-Hotel" – manchmal spricht Reuß noch im Präsens über die Benediktushöhe –, "aber die Zimmer sind vor einigen Jahren in Schuss gebracht worden und die Küche ist voll funktionsfähig." Dank der Lage am Waldrand, einem Spielplatz auf dem Gelände und einem Bolzplatz nebenan wäre das Haus eine günstige und für Familien attraktive Alternative gewesen. Da wollte Reuß ansetzen, aber er kam nicht mehr dazu. "Ich hatte die Aufgabe erst wenige Wochen inne, da kam die Pandemie Anfang/Mitte März", erzählt er.

Mit der Pandemie kamen reichlich Absagen, ständig wechselnde Regeln für Veranstaltungen und im Dezember 2020 die Pressekonferenz, in der die Diözese ihre Pläne zum Verkauf der Benediktushöhe und anderer Bildungshäuser offenlegte. "Da hatten wir noch die Hoffnung, dass es mit einem neuen Träger nahtlos weitergehen könnte", sagt Reuß. Diverse Interessenten hätten sich in Retzbach umgesehen, aber letztlich sei es nicht zu einem Abschluss gekommen. Also hätten sich viele der rund 30 Mitarbeiter in Teil- oder Vollzeit nach anderen Arbeitsstellen umgesehen.
Langsam gingen die Lichter aus
"Im Juni war nur noch die Hälfte der Verwaltung da", so Reuß. Im Sommer 2021 aber hätten die meisten Veranstaltungen wie geplant stattgefunden. Es sei nicht einfach gewesen, unter diesen Umständen den Betrieb aufrechtzuhalten. Im Herbst kamen wieder Einschränkungen. "Es ist aber nicht weniger Arbeit, bloß weil nur die Hälfte der Gäste kommen", so Reuß.
Von Mitte Oktober an war Reuß der letzte Mitarbeiter in der Verwaltung. Es wurde deutlich, dass der gewünschte nahtlose Übergang zu einem neuen Bildungsträger nicht klappen würde. "Etwa Mitte November" hätten die letzten Veranstaltungen stattgefunden. Das vom "Forum soziale Bildung" angebotene Programm läuft weiter; die Vorträge und Seminare finden nun an anderen Orten statt, häufig im Pfarrzentrum Himmelstadt oder im Haus St. Klara im Kloster Oberzell.
In der Benediktushöhe wurde derweil die gesegnete Kapelle "aufgelöst", also wieder säkularisiert. Der dortige Altar und Ambo kommen künftig bei Freiluft-Gottesdiensten an der Retzbacher Wallfahrtskirche zum Einsatz. Ansonsten obliegt Joachim Reuß, der weiterhin im Tagungsbereich der Diözese tätig ist, die Abwicklung. "Wir haben sämtliche Verbrauchsmaterialien - Bürobedarf, Reinigungsmittel, Küchenbestand - an die anderen Tagungshäuser weitergegeben", erklärt er.

Eine Reihe von Daueraufträgen musste er kündigen, beispielsweise für die Wäscherei und Wartungsarbeiten. Telefon und Internet laufen noch bis einschließlich März. "Wir sind hier in den letzten Zügen", sagt Reuß. "Ich schaue noch Akten durch und kümmere mich um die Archivierung." Die übrigen Mitarbeiter werden von der Diözese weiterbeschäftigt.
Betrieb könnte sofort weitergehen
Das komplette Mobiliar ist dagegen noch vorhanden. Das Gebäude wirkt, als warte es nur auf neue Gäste. Akuter Sanierungsbedarf ist nicht zu erkennen. Reuß sagt: "Natürlich, das Gebäude ist 40 Jahre alt. Aber alles funktioniert; die Zimmer wurden vor einigen Jahren saniert. Im Prinzip könnte der Betrieb sofort weitergehen."
Was passieren wird, weiß Reuß nicht. In die im Raum stehende Vermietung an die Regierung von Unterfranken ist er nicht eingebunden. Aber er weiß: "Viele Menschen, die über die Jahre häufig hier gewesen sind, haben sehr gute Erinnerungen und eine starke Bindung zum Haus. Ihnen wird die Benediktushöhe fehlen."