
Wie viel Dramatik steckt wirklich hinter dem, was sich am 30. August 2023 auf der Mainbrücke bei Triefenstein ereignet hat? Dies versuchte das Schöffengericht am Amtsgericht Gemünden unter Vorsitz von Strafrichter Dr. Sven Krischker herauszufinden. Da die wichtigsten Zeugen jedoch im Auslandsurlaub oder kurzfristig erkrankt waren, benötigt das Gericht einen zweiten Verhandlungstag.
"Mein Mandant hatte zu der fraglichen Zeit drei Jobs angenommen", sagte der Verteidiger des 38 Jahre alten Mannes. Zum ersten Job des Tages war er in der Früh schon vor 5.30 Uhr mit seinem Quad aufgebrochen und hatte dazu auch die Mainbrücke bei Triefenstein benutzt. Als er nach dem Mittag auf dem Weg zu seiner zweiten Arbeitsstelle wiederum die Brücke nutzen wollte, war die mit einem Schild und Warnbaken für den Verkehr gesperrt.
Da die Absperrung große Lücken aufwies und der Mann keine Bautätigkeit wahrgenommen hatte, startete er sein Quad wieder und fuhr an den Sperren vorbei. Auf der Brücke nahm er dann eine kleine Gruppe von Menschen wahr, die nach seinen Angaben weder Bauhelme noch Warnwesten oder besondere Kleidung trugen. "Das waren Zivilisten", sagte er in der Verhandlung.
Angeklagter legt Gesetze gern großzügig aus
Wie der weitere Ablauf war, muss in der Fortsetzungsverhandlung herausgefunden werden. Der Angeklagte jedenfalls sagte, dass er etwa 30 Stundenkilometer schnell gefahren sei und mit sicherem Abstand "an den Zivilisten vorbeigefahren" ist. Einer von ihnen hätte dann noch versucht, ihn am Oberarm festzuhalten. Er sei aber weitergefahren, ohne die Personen zu gefährden. Zu Hause habe ihn dann sehr viel später die Polizei aufgesucht und ihn zu dem Vorfall befragt.
Wie er auf den Gedanken komme, eine durch Verkehrszeichen und Absperreinrichtungen gesperrte Straße zu befahren, wollten Richter Krischker und Staatsanwalt Dr. Ingo Krist von dem Angeklagten wissen. Er müsse damit rechnen, dort arbeitende Menschen anzutreffen und gegebenenfalls zu gefährden. Das sah der Mann nicht so eng. Schließlich habe er genügend Abstand zu den Leuten gehalten und auch sonst pflegt er eher eine großzügige Auslegung bei Gesetzen, Bestimmungen und Verordnungen.
Mitarbeiter des Landratsamts auf der Brücke
Dafür nimmt er auch Buß- oder Verwarnungsgelder in Kauf. "50, 100 oder 200 Euro ist noch okay", mit diesen Worten sorgte der Angeklagte nicht gerade für einen guten Eindruck seiner Person vor Gericht. Auch einige Punkte in der Flensburger Verkehrssünderkartei bildeten für ihn keine sehr beunruhigende Situation, ließ der Mann erkennen.
Deutlich dramatischer lesen sich da die Angaben der gemäß Anklage gefährdeten Personen auf der Brücke. Diese sind allesamt Mitarbeitende des Landratsamtes Main-Spessart, die die Brückenbaustelle in Augenschein genommen haben. Wie ein kleiner vom Richter verlesener Auszug der Anklage zeigte, konnten diese sich angeblich "nur durch einen kühnen Sprung auf die Seite retten". Trotz dessen haben sie erst fast eineinhalb Stunden nach dem Vorfall die Polizei informiert – dazu noch die nicht örtlich zuständige Polizeiinspektion Karlstadt. Dieses widersprüchliche Vorgehen ließ die Angaben des Angeklagten in einem etwas glaubhafteren Licht dastehen.
Endgültig Klarheit rund um die Ereignisse vom 30. August schaffen soll die baldige Fortsetzungsverhandlung. Sie findet am 24. April um 14.30 Uhr im Sitzungssaal 3 des Amtsgerichts Gemünden statt.