
Mitte Juli 2022, kurz vor 22 Uhr. Im Maintal, auf der Europaallee, fährt ein 48-Jähriger langsam mit seinem Auto aus dem großen Kreisverkehr vor den beiden Autobahnauffahrten Richtung Hafen. Er nimmt die linke Spur in Richtung Stadt, die rechte mündet nach 400 Metern in die Autobahnauffahrt Richtung Bamberg.
Gleich nach Verlassen des Kreisels überholt ihn ein 184-PS-Golf auf der rechten Fahrbahn und schert vor ihm auf seine Spur ein. Rechts fährt sogleich auch ein Quad-Fahrer an ihm vorbei, der stark beschleunigt und dann auch den Golf noch rechts überholen will. "Beide fuhren mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit", sagt der 48-Jährige als Zeuge vor Schweinfurter Schöffengericht. "Ich meine, sie haben sich ein kleines Rennen geliefert – geschätzt 80 km/h plus."
Das "Rennen" dauert nicht lang. Knapp 400 Meter nach dem Kreisel zieht der Quad-Fahrer sein Gefährt vor dem Golf auf die linke stadteinwärts führende Spur – und prallt auf den Audi eines 25-Jährigen, der gerade von der Gegenfahrbahn aus nach links auf die Autobahn steuert. Er habe nur den Golf wahrgenommen und gemeint, der sei weit genug weg, um vor ihm gefahrlos abbiegen zu können, sagt der Audi-Fahrer.
Laut Navi 94 km/h im Schnitt
Da hat er sich schwer verschätzt, mit dramatischen Folgen. Der 53-jährige Quad-Fahrer wurde durch den Aufprall so schwer verletzt, dass er noch an der Unfallstelle starb. Auch der Audi-Fahrer wurde verletzt und sein Wagen massiv beschädigt. Der Golf-Fahrer konnte noch ausweichen und landete auf der Gegenfahrbahn. Er sitzt jetzt auf der Anklagebank. Ihm wird fahrlässige Tötung und ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen vorgeworfen, das er sich mit dem Quad-Fahrer geliefert habe. Deshalb sei er für dessen Tod zumindest mitverantwortlich.
Für ein Rennen mit weit überhöhter Geschwindigkeit spricht nicht nur der Zeuge, der nach dem Kreisel von Golf und Quad rechts überholt wurde, sondern auch das Golf-Navi, aus dem das Landeskriminalamt die Positionsdaten zwischen Kreisverkehr und Unfallstelle ausgelesen hat. Demnach fuhr das Auto die 390 Meter lange schnurgerade Strecke in 15 Sekunden. Durchschnittsgeschwindigkeit: 94 Kilometer pro Stunde.
Kein Zweifel am Kfz-Rennen
Laut Unfallgutachter betrug die Kollisionsgeschwindigkeit mindestens 90 km/h. So schnell müsse sich auch der Pkw des Angeklagten dem Unfallpunkt genähert haben, etwa eine Sekunde nach dem Aufprall. Dafür sprächen Ölspuren aus gerissenen Getriebeschläuchen des völlig zerstörten Quads auf dem Golf des Angeklagten. Dieser könne sich nicht viel langsamer etliche Sekunden später genähert haben, wie der Verteidiger meinte. Er widersprach dem Verkehrsgutachten und bestand auf eine weiteren Zeugin, die seine Version jedoch auch nicht erhärteten konnte.
Die Staatsanwältin sah am Ende die Anklage "vollumfänglich" bestätigt. Für den zur Tatzeit 20-Jährigen sei Erwachsenenstrafrecht anzuwenden. Sie forderte wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit verbotenem Fahrzeugrennen und Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung und eine Geldauflage von 1000 Euro. Laut Verteidiger konnte "keiner ahnen", dass der Quad-Fahrer vor dem Auto seines Mandanten einscheren würde: "Es gab weder ein Rennen, noch eine fahrlässige Tötung." Der Anwalt forderte Freispruch.
Das Gericht folgte komplett der Staatsanwältin: Anklage erwiesen, zehn Monate auf Bewährung, nur die Geldauflage erhöhte es auf 2000 Euro. Dabei sei berücksichtigt, dass auch der Quad-Fahrer "einen hohen Schuldanteil am Unfall" hatte. Dass aber ein illegales Rennen stattgefunden habe, davon sei das Gericht "ohne jeden vernünftigen Zweifel überzeugt". Gegen das Urteil ist Berufung oder Revision möglich.