zurück
Wiesenfeld
PV-Anlage statt Biber und Enten? In der Wiesenfelder Kläranlage prallen die Interessen aufeinander
Interessenkonflikt: Sind zwei ehemalige Klärbecken als wertvolles Biotop zu sehen? Oder als Baufläche für eine PV-Anlage zur Stromversorgung der Kläranlage?
Für die Kläranlage haben die ehemaligen Nachklärbecken in Wiesenfeld keine Funktion mehr. Die Stadtwerke Karlstadt haben einen Bauantrag für eine PV-Anlage mit Verfüllung der Teiche eingereicht.
Foto: Jürgen Kamm | Für die Kläranlage haben die ehemaligen Nachklärbecken in Wiesenfeld keine Funktion mehr. Die Stadtwerke Karlstadt haben einen Bauantrag für eine PV-Anlage mit Verfüllung der Teiche eingereicht.
Jürgen Kamm
 |  aktualisiert: 22.06.2024 02:37 Uhr

Zwei nicht mehr benötigte Klärteiche in Wiesenfeld möchten die Stadtwerke zuschütten, um dort eine Photovoltaikanlage bauen zu können. Hintergrund ist eine EU-Richtlinie, die bis 2032 Energieautarkie für Kommunalklärwerke fordert. Vor allem in Wiesenfeld stößt der Plan auf Kritik.

Schon im Februar hatte Stadtrat Theo Dittmaier im Werkausschuss auf den ökologischen Wert der Teiche hingewiesen und beantragt, eine Photovoltaikanlage auf der städtische Fläche vor der Kläranlage zu errichten.

Zu diesem Zeitpunkt hatte bereits der Jagdpächter Günther Ruf in einem Brief Bürgermeister Michael Hombach gebeten, das Vorhaben zu überdenken. Wasser sei wichtig für die Natur und den Menschen. Die beiden ehemaligen Nachlaufbecken an der Kläranlage seien bereits ein Habitat für Enten, Fledermäuse und Insekten.

Hinweise auf einen Biber in den beiden Becken

Im unteren Wasserbecken, das wie ein Teich angelegt ist, habe sich der Biber angesiedelt, ohne Schäden in der Landwirtschaft zu verursachen. In den beiden oberen Becken könnte ein zusätzliches Habitat geschaffen werden – diese sind eher geometrisch angelegt und innerhalb des Zaunes der Anlage.

In trockenen Sommermonaten seien besonders Amphibien, Vögel und Insekten auf jede noch so kleine Wasserfläche zum Überleben angewiesen. Die Wiesenfelder Kläranlage grenzt an Wald. Dort können Erdkröte, Gelbbauchunke und Salamander ablaichen. Mit Ansiedlung von Schilf oder Pflanzen wie Kalmus, Simse und Segge könnte ein Lebensraum für Teichrohrsänger oder die Rohrammer entstehen. Gewässer zu erhalten, stelle auch einen ökologischen Trittstein im Sinn der Biotopvernetzung und FFH-Richtlinie dar.

Vor Ort verweist Günther Ruf auf Biberrutschen unter dem Zaun. Ein deutlicher Hinweis, dass das besonders geschützte Nagetier auch diese beiden Becken besucht. Er weiß, wovon er spricht:  Inzwischen ist er einer der Biberberater im Landkreis Main-Spessart. Seiner Vorstellung nach könnte der Zaun enger um die eigentliche Kläranlage mit dem neuen Kompaktklärbecken gezogen werden, sodass die Becken als (bepflanztes) idyllisches Biotop für Spaziergänger zur Naherholung zugänglich werden.

Wasserbecken für heiße Sommer vorhalten

"Letztes Jahr haben wir im Sommer über 40 Kubikmeter Wasser in den Wald gefahren", berichtet er. In den beiden Becken sei auch in der Trockenphase noch Wasser gewesen. Es passe auch schwer zusammen, wenn Ehrenamtliche tausende von Kröten über die Straße tragen, aber potenzielle Laichplätze zerstört werden sollen.

Dieser frühere Nachklärteich soll unstrittig erhalten werden. Er liegt außerhalb des eingezäunten Kläranlagengeländes.
Foto: Jürgen Kamm | Dieser frühere Nachklärteich soll unstrittig erhalten werden. Er liegt außerhalb des eingezäunten Kläranlagengeländes.

Auch die Jagdgenossenschaft Wiesenfeld ist für den Erhalt der Klärbecken als wertvolle Biotope und schrieb einen Brief an den Bürgermeister. Ähnlich wie Stadtrat Theo Dittmaier verweisen sie auch darauf, dass im Zuge der laufenden Waldbereinigung für viel Geld Wasserrückhaltebecken geplant werden beziehungsweise schon eines im Wiesenfelder Wald in Richtung Massenbuch angelegt wurde. Das sei zu begrüßen, in Anbetracht des Klimawandels und heißer Sommer könne es gar nicht genug solcher Wasserbecken geben. Kaum vorstellbar sei dagegen, dass eine Privatperson eine Genehmigung für die Verfüllung von Wasserflächen erhalten werde.

Naturschutzbehörde will Artenschutz prüfen

Bürgermeister Michael Hombach hatte im Werkausschuss nur bemerkt, zunächst müsse auf die Antwort des Landratsamtes gewartet werden. Dessen Pressesprecher Markus Rill bestätigte auf Anfrage, dass ein Bauantrag der Stadtwerke Karlstadt über die Verfüllung der beiden Belebungsteiche zwei und drei der Kläranlage Wiesenfeld zwecks Errichtung einer zusätzlichen Freiflächenphotovoltaikanlage auf dem eingezäunten Betriebsgelände der Kläranlage vorliegt. Dabei sei auch die Untere Naturschutzbehörde zu einer ergänzenden Stellungnahme aufgefordert worden, diese halte eine artenschutzrechtliche Prüfung für nötig.

Letzteres könnte das Projekt erschweren oder gar verhindern. Laut Uli Heck von der Stadt Karlstadt gab es inzwischen eine hausinterne Besprechung zur weiteren Vorgehensweise. Er verwies außerdem zur Verpflichtung Energieautarkie für Kommunalklärwerke bis 2032. Die beiden Becken seien schon in mehreren Sommern trocken gefallen – hier widerspricht also die Stadt dem Jagdpächter.

Die "Klärteiche Wiesenfeld" werden in der nächsten Sitzung des Werkausschusses am 23. Juli auf der Tagesordnung stehen. Damit kann das Thema ausführlich im zuständigen Gremium beraten werden.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Wiesenfeld
Jürgen Kamm
Artenschutz
Biber
Kläranlagen
Markus Rill
Michael Hombach
Naturschutzbehörden
Stadt Karlstadt
Stadtwerke
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Hartmut Haas-Hyronimus
    Warum muss man denn die Teiche jetzt zuschütten? Es gibt inzwischen doch auch recht leistungsfähige schwimmende PV-Anlagen!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Helga Scherendorn
    oder man könnte ein Gezeitenkraftwerk errichten?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Hartmut Haas-Hyronimus
    Weia!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten