Hinter verschlossenen Türen versucht die Jugendkammer des Würzburger Landgerichts bereits seit vier Verhandlungstagen, im Fall des getöteten Schülers aus Lohr (Lkr. Main-Spessart) Licht ins Dunkel zu bringen. Auch vor dem Gerichtssaal geht das Rätseln darüber weiter, warum ein zum Tatzeitpunkt 14 Jahre alter Jugendlicher seinen Mitschüler mit einer gestohlenen Pistole in den Hinterkopf schoss.
Bestellte der Schüler sein Opfer im September 2023 aus Mordlust in die Grünanlage neben der Schule, wie Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach zu Prozessbeginn in der Anklage vortrug? Oder fand dieses Treffen auf Vorschlag des Getöteten statt, wie die Verteidiger sagen? Ging es um einen "Waffendeal" zwischen den beiden Jugendlichen?
Belastende Sprachnachrichten: Ernste Gewaltdrohungen - oder pubertäre Angeberei?
Dass er seinem Mitschüler aus kurzer Distanz in den Hinterkopf schoss, hat der inzwischen 15 Jahre alte Beschuldigte auf Anraten seiner Anwälte Hanjo Schrepfer und Roj Khalaf vor Gericht zugegeben. Er soll dies auch unmittelbar nach der Tat einem Freund in einer Handy-Nachricht berichtet haben.
Es ist nicht die einzige Sprachnachricht, die den Jugendlichen belastet. Weitere sollen von Gewaltphantasien handeln, aus denen sich, wie es in Ermittlerkreisen heißt, sogar Ideen zu einem möglichen Gewaltakt an der Lohrer Schule herauslesen lassen würden.
Die Verteidiger wecken daran Zweifel. Wie ernst die mutmaßlichen Gewaltphantasien waren und wie viel rein pubertäres Geprotze ist, könnte ein psychiatrischer Sachverständiger beurteilen. Doch der 15-Jährige will sich nicht vom Gutachter befragen lassen.
Dass der Schüler ein Geschäft mit der 9-Millimeter-Pistole, die dem früheren Freund seiner Oma gehörte, geplant hatte, bezeugen mehrere seiner Mitschüler. Der Vorschlag zum Treffen in der Lohrer Grünanlage soll vom späteren Opfer gekommen sein, sagen die Verteidiger. Das könne nach der Freundin des Angeklagten mindestens ein weiterer Schulfreund bezeugen, betont Anwalt Hanjo Schrepfer.
Tatversion des Jugendlichen: Erst gestritten, dann in den Hinterkopf geschossen
Der Erklärung des Verteidigers zufolge hatte der Mitschüler auf dem Boden gesessen, als der Angeklagte mit der Pistole zum Treffpunkt kam. Roj Khalaf erklärte vor Gericht: Sein Mandant habe zuerst das Geld gewollt, der Mitschüler habe sich aber gleich hochgerappelt, um sich die Waffe zu greifen. Aus Angst habe sein Mandant ihn zurückgestoßen und geschossen - als der Mitschüler gerade mit dem Rücken zu ihm am Boden kauerte. Dabei habe die Kugel den 14-Jährigen aus kurzer Entfernung in den Hinterkopf getroffen.
Also Totschlag statt Mord? Das Landeskriminalamt (LKA) hat die Szene in einer 3-D-Animation nachgestellt und prüft, ob die Schilderung so stimmen kann. Ob die Tatversion plausibel ist, soll ein Sachverständiger des LKA dem Gericht erklären.
Der Prozess wird am Freitag, 7. Juni, fortgesetzt.