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Karlstadt
Ordnungsamt und Polizei in Karlstadt ohne Einigung: Warum vermeintliche Kampfhunde bei Stetten nicht abgeholt werden durften
Die Hunde waren schon vor der Wildschweinjagd auffällig. Die Polizei wollte sie beschlagnahmen, die Stadt legte aus rechtlichen Gründen Veto ein. Noch heute bleibt die Rasse der Tiere ein Rätsel.
Mehrere Zeugen beobachteten zwei wildernde Hunde Mitte Juli zwischen Karlstadt und Stetten bei der Jagd eines Wildschweins. Einige Personen dokumentierten den Vorfall.
Foto: Holger Vetter | Mehrere Zeugen beobachteten zwei wildernde Hunde Mitte Juli zwischen Karlstadt und Stetten bei der Jagd eines Wildschweins. Einige Personen dokumentierten den Vorfall.
Felix Hüsch
 |  aktualisiert: 13.09.2024 02:33 Uhr

Für großen Aufruhr sorgten Mitte Juli zwei Hunde, die nahe des Karlstadter Ortsteils Stetten unangeleint ein Wildschwein gejagt haben. Bei der Polizei gingen damals Videos vom Vorfall ein, die nahelegten, dass es sich bei den Vierbeinern um American Staffordshire Terrier handeln könnte. Die Beamten der Polizeiinspektion Karlstadt und der ebenfalls involvierten Zentralen Einsatzdienste in Würzburg ließ das hellhörig werden. Die amerikanische Rasse ist in Deutschland als gefährlich eingestuft und gesetzlich verboten. Doch was ist seitdem passiert und wo sind die Hunde jetzt?

"Anhand der Bildsequenzen, Fotos und Zeugenaussagen gehen wir davon aus, dass es sich um zwei American Staffordshire Terrier handelt", berichtet Andreas Zander, Leiter der Zentralen Einsatzdienste in Würzburg auf Nachfrage dieser Redaktion. Sofort nach Bekanntwerden der Wilderei veranlasste die Karlstadter Polizei die Suche nach den Hunden, die jedoch erfolglos blieb. "Wären die Hunde am Tag des Vorfalls gefunden worden, hätten wir sie sichergestellt, um von ihnen ausgehende Gefahren abzuwehren und die Hundehalterin zu ermitteln", so Zander.

Polizei kannte die Hunde schon lange

Sobald die Identität der Frau bekannt war, wurde den Beamten klar, dass es sich um zwei Hunde handelte, die seit längerem polizeibekannt waren. Zander erzählt von mehreren "Vorfällen in den vorangegangenen Monaten", aufgrund derer der Stadt Karlstadt und der Polizei "relevante Erkenntnisse über diese beiden Hunde" vorlagen.

Bereits im Juni – also vor dem jüngsten Vorfall – war gegen die Halterin eine polizeiliche Auflage getroffen worden, die besagt, dass die Tiere nur mit Maulkorb, einer 1,5 Meter langen Leine, einzeln und nur durch eine ausreichend kräftige und zuverlässige Person geführt werden dürfen. Angesichts dieser Vorgaben hätte sich die Szene bei Stetten eigentlich nie ereignen dürfen.

Für die Polizei war das Grund genug, weitere Maßnahmen zu ergreifen und die Hunde abzuholen und zu beschlagnahmen. Die Entscheidung darüber obliegt jedoch dem Ordnungsamt als unterer Sicherheitsbehörde. Die Polizei schildert, dass den Mitarbeitern der Stadt Karlstadt die Beweislage nach gemeinsamen Erörterungen nicht ausreichend erschien, weshalb keine weiteren Maßnahmen getroffen wurden. Die Polizei – offensichtlich unzufrieden mit dieser Entscheidung – wiederholte daraufhin ihre Auflage gegenüber der Halterin.

Feststellung der Rassen nicht abgeschlossen

Die Ausführungen der Stadt decken sich nur bedingt mit den polizeilichen Aussagen. Sie beteuert, sofort einen Handlungsbedarf erkannt zu haben. Den Ablauf der gemeinsamen Gespräche mit der Polizeiinspektion Karlstadt stellt sie so dar: "Wir haben den Sachverhalt und die weitere Vorgehensweise besprochen. Der Fachbereich Sicherheit und Ordnung der Stadt Karlstadt kann aus rechtlicher Sicht keine Anordnung zur sofortigen Beschlagnahme der Hunde anordnen." Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die grundgesetzlich geschützte Unverletzlichkeit der Wohnung spielten hier eine Rolle. 

Seitens des Ordnungsamts wurde ein Anhörungsverfahren eingeleitet – auch, um die bis heute unbekannten Rassen der Hunde final zu klären. Nach einem Umzug der Halterin in eine Gemeinde im Landkreis Würzburg befinden sich die Tiere allerdings nicht mehr im Karlstadter Beritt. Die Feststellung der Rassen liegt somit inzwischen beim dortigen Ordnungsamt.

Der geschäftsleitende Beamte dieser Gemeinde bestätigt gegenüber der Redaktion, dass die Halterin dort gemeldet ist. Gleiches gilt für zwei Hunde, die allerdings Mischlinge der Rassen Rhodesian Ridgeback und Boxer sowie Rhodesian Ridgeback und Weimaraner sein sollen. Diese Rassen standen auch zuvor in Karlstadt auf dem Papier und gelten formal als zulässig. Zweifel an der Richtigkeit dieser Angabe bestehen nach wie vor.

Anleinpflicht auch für Große Hunderassen

Ein Blick in die Karlstadter Hundehaltungsverordnung zeigt, dass die Hunde Mitte Juli in Stetten in jedem Fall angeleint hätten sein müssen – ungeachtet der tatsächlichen Rasse. Die Anleinpflicht innerhalb geschlossener Ortslagen gilt nicht nur für Kampfhunde, sondern auch für sogenannte Große Hunde.

Hunde an die Leine. Das gilt laut Hundehaltungsverordnung in Karlstadt für alle Kampfhunde und solche, die den Großen Hunderassen angehören.
Foto: Siegfried Sebelka | Hunde an die Leine. Das gilt laut Hundehaltungsverordnung in Karlstadt für alle Kampfhunde und solche, die den Großen Hunderassen angehören.

Angesichts ihrer Schulterhöhe zählen auch Rhodesian Ridgebacks, Boxer und Weimaraner zu diesen Hunderassen. "Die Hunde hätten definitiv angeleint sein müssen", bestätigt auch das Ordnungsamt in Karlstadt. Die Einzelfallanordnung der Polizei mit dem zusätzlichen Maulkorb und weiteren Vorschriften habe aber Vorrang vor der städtischen Hundehaltungsverordnung.

In der Kommune, in der die Hunde heute gemeldet sind, ist man sich währenddessen unsicher, ob sich die Tiere wirklich im Gemeindegebiet aufhalten. Dafür gebe es aktuell keine Anhaltspunkte. "Wir haben hier eine eher sensible Nachbarschaft und es gab noch keine Beschwerden", begründet der geschäftsleitende Beamte seinen Verdacht.

Halterin persönlich nicht zu erreichen

Relevante Unterlagen zum Fall wurden inzwischen von Karlstadt aus verschickt. "Die Halterin wird von uns jetzt angeschrieben und wir legen ihr den Sachverhalt dar. Dazu kann sie sich dann erst einmal äußern", heißt es zum weiteren Vorgehen. Laut Polizei kommunizierte die Frau bislang nur über ihren Anwalt.

Was die Wildschweinjagd bei Stetten betrifft, führt die Polizei derzeit Ermittlungen wegen der Jagdwilderei und eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Gefunden wurde das Wildschwein nicht. Andreas Zander vermutet, dass es seinen Verletzungen erlegen ist.

 
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  • Hagen Voitzsch
    Bin mal gespannt was das Ordnungsamt sagt wenn ein Kind gebissen wird
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  • Johannes Ulrich Schottky
    Wenn diese Hunde so aggressiv sind und die Halterin die Auflagen nicht einhält … wird es wohl nicht nur bei einem Wildschwein bleiben. Wer weiß wen oder was die noch alles anfallen. Gut dass die Polizei dran ist.
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  • Thomas Diener
    Die Strafe müßte empfindlich sein , die Hunde müssten in Verwahrung genommen werden .
    Statt das einer im Ordnungsamt einmal Verantwortung übernimmt, wird alles hin und
    hergeschoben und keiner außer die Polizei muß das wieder ausbaden.
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  • Daniel Ziegler
    Völlig richtiges Verhalten der Zuständigen. Wenn Zweifel bestehen gilt hierzulande immer noch "Im Zweifel für den Angeklagten"
    Die Polizei kann immernoch via Staatsanwaltschaft Maßnahmen einleiten
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  • Christa Steinmüller
    Das ist wieder einmal Deutschland.
    Hier wird alles immer tot diskutiert.
    Und wenn dann wirklich was passiert, war wieder niemand dafür zuständig.
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  • Herbert Stapff
    Früher hätte man die Hunde wegen Wilderns sofort erschossen.
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  • Steffen Cyran
    Wie traurig, daß in unserem Land schon wegen wechselnder "Zuständigkeiten" solche Dinge nicht erfolgreich verfolgt werden können.

    Und das betrifft dann auch schwerwiegendere Dinge. So kenne ich einen Fall, in dem eine Frau ihre 4 oder 5 Kinder (von unterschiedlichen Vätern) immer wieder vernachlässigt und sogar mißhandelt hat. Dem Jugendamt waren die Vorfälle bekannt, aber durch ständige Umzüge der Frau konnte man sie jahrelang nicht zur Verantwortung ziehen, weil die Behördenkommunikation nie geklappt hatte.
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  • Frank Benkert
    Ich habe das Video gesehen als die Hunde das große Wildschwein angegriffen haben. Es hat sich vergeblich zu wehren versucht.
    Die Hunde haben wiederholt an dem armen Tier gerissen und Teile herausgerissen.
    Es war fürchterlich.
    Hätte ich das nur nicht gesehen.
    Das hat mich sehr beschäftigt.
    Schuld gebe ich alleine der Halterin.
    Und dennoch meine ich das die Hunde aus dem Verkehr gezogen werden müssen und der Halterin eine richtig hohe Geldstrafe und lebenslanges Hundehalteverbot erteilt werden müssen.
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