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Gemünden
Tod eines Rehkitzes nach Hundebissen: Gericht sieht keinen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, sondern Ordnungswidrigkeit
Weil die Hunde einer Frau ein Rehkitz gehetzt und schwer verletzt haben sollen, wurde sie zu einem Bußgeld von 750 Euro verurteilt.
Nicht angeleinte Terriere sollen ein Rehkitz im September 2022 gehetzt und durch Bisse schwer verletzt haben – ihre Besitzerin bestreitet dies.
Foto: Matthias Balk/dpa (Symbolfoto) | Nicht angeleinte Terriere sollen ein Rehkitz im September 2022 gehetzt und durch Bisse schwer verletzt haben – ihre Besitzerin bestreitet dies.
Wolfgang Dehm
 |  aktualisiert: 20.06.2024 02:52 Uhr

Wegen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz sollte eine 55-jährige Frau 2700 Euro Strafe zahlen. Gegen diesen Strafbefehl legte sie Einspruch ein, sodass es vor dem Amtsgericht Gemünden zur Gerichtsverhandlung kam. Das Urteil fiel mit einem Bußgeld von 750 Euro deutlich milder aus.

Beim ersten Verhandlungstermin am 21. Mai warf die Staatsanwältin der Angeklagten vor, sie habe am 1. September 2022 gegen 19 Uhr ihre vier Hunde auf einer Wiese am Main in der Nähe einer Ortschaft im südlichen Landkreis Main-Spessart frei laufen lassen, obwohl dort Anleinpflicht gelte. Zwei der Hunde, beides Terrier, hätten in rund 500 Meter Entfernung zu der Frau ein Rehkitz gehetzt und durch Bisse so schwer verletzt, dass es von einem Jäger von seinem Leiden habe erlöst werden müssen.

Angeklagte beteuert, dass ihre Hunde das Reh nicht verletzt hätten

Die Angeklagte aus Tschechien teilte damals über eine Dolmetscherin mit, dass sie drei kleine Terrier und einen Schäferhund habe. Der Schäferhund sei krank und könne nur schlecht laufen. Sie habe damals alle vier Hunde angeleint gehabt, den Schäferhund an einer kurzen Leine und die Terrier an einer Dreierleine.

An einer engen Wegstelle habe sie die Dreierleine losgelassen, um mit dem Schäferhund durchzukommen. Zwar waren die Terrier ihrer Aussage nach dann einige Zeit weg, aber es könne nicht sein, dass sie etwas mit dem Reh zu tun hätten. Denn wäre dies der Fall, so ihre Schlussfolgerung, hätten drei Terrier bei dem Reh sein müssen. Wegen der Dreierleine sei es nicht möglich, dass nur zwei weglaufen. "Meine Hunde haben nichts getan", sagte sie.

Zeugenaussagen widersprechen Darstellung der Angeklagten

Nachdem verschiedene Zeugen gehört wurden, ergab sich zusammengefasst das Bild, dass am Tatort zwei helle Terrier gesehen wurden, dass die Hunde der Frau nicht angeleint waren und zwei Terrier erst nach einer Weile wieder zu ihr zurückgekommen sind.

Da die Angeklagte darauf bestand, dass weitere Zeugen gehört werden sollen, wurde die Verhandlung unterbrochen und ein Fortsetzungstermin vereinbart. Doch auch bei diesem Fortsetzungstermin gab es keine wesentlich neuen Erkenntnisse. Und auch die Angeklagte blieb dabei: Ihre Hunde hätten mit dem Vorfall nichts zu tun.

"Meine Hunde haben nichts getan."
Angeklagte zeigt sich überzeugt von der Unschuld ihrer Tiere

Der Staatsanwalt machte deutlich, dass er den Tatvorwurf als gegeben betrachte, dennoch könne er sich eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage von 900 Euro vorstellen. Auf einen solchen "Handel" wollte sich die Angeklagte jedoch nicht einlassen. Aus den Aussagen der Zeugen könne man nicht ableiten, dass ihre Hunde etwas mit dem Reh zu tun hätten.

Ganz anders beurteilte dies der Staatsanwalt, er sah den angeklagten Sachverhalt "vollumfänglich bestätigt". Aus den Zeugenaussagen ergebe sich, dass zwei Terrier der Angeklagten das Rehkitz gehetzt und schwer verletzt hätten. Die Angeklagte habe dies billigend in Kauf genommen, denn sie habe vom Jagdtrieb der Tiere und auch von der dort geltenden Leinenpflicht gewusst. Er forderte wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz eine Geldstrafe von 1400 Euro (140 Tagessätze zu je 10 Euro).

Angeklagte beharrt auf Unschuld – Richter stuft Fall als Ordnungswidrigkeit ein

"Niemand von den Zeugen hat bestätigt, dass meine Hunde ein Reh angegriffen haben", sagte die Angeklagte zu ihrer Verteidigung und beteuerte in einem ausführlichen und teilweise ausschweifenden Plädoyer ihre Unschuld.

Zwar stehe für ihn aufgrund der Zeugenaussagen fest, dass die Hunde der Angeklagten das Reh misshandelt haben, sagte Richter Sven Krischker. Allerdings stelle sich auch die Frage nach dem subjektiven Tatbestand. So habe keiner der Zeugen gesagt, dass die Frau den Vorfall mitbekommen habe. Da sie wohl erst durch einen der Zeugen von dem Reh Kenntnis erlangt habe, sei eine Strafbarkeit nach dem Tierschutzgesetz nicht gegeben. Vor dem Hintergrund, dass die Hunde nicht angeleint gewesen seien, gehe es lediglich um eine Ordnungswidrigkeit. Er verhängte ein Bußgeld in Höhe von 750 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

 
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