Für den ambitionierten Fotografen Hans Georg Barsch aus Retzbach war es ein Glücksgefühl. Schon lange hatte er den Wunsch, einmal Polarlichter zu fotografieren. Am vergangenen Sonntag ist ihm dies gelungen. Und er musste dafür nicht einmal in den hohen Norden nach Lappland oder Norwegen reisen, die Schnappschüsse gelangen ihm von einer Anhöhe zwischen Retzstadt und Thüngen. Er fotografierte in Richtung Norden über Main-Spessart. "Ich war total ergriffen", sagte er.
Sonnenmasse wird ins All geschleudert
Dass es bei einer guten Konstellation mit einem Foto von Polarlichtern klappen könnte, darauf war Barsch vorbereitet. Denn Polarlichter lassen sich beobachten, wenn Sonnenmasse ins All geschleudert wird. Diese Teilchen treffen auf das Magnetfeld der Erde, werden in Richtung der Pole abgelenkt und treten dort in die Erdatmosphäre ein. Das ist der Grund, warum sie nur in diesen polnahen Breiten in voller Pracht zu sehen sind. Die Sonnenmasse reagiert dort mit Sauerstoff oder Stickstoff und es entstehen diese bunten Polarlichter, manchmal nur für wenige Minuten, manchmal bis zu einer Stunde.
Dass Sonnenmasse auf die Erde in Anmarsch ist, wusste Barsch. Das hat er über diverse Internetforen erfahren, denen er sich als Fotograf angeschlossen hat. Doch wann diese die Erde erreicht, war nicht bekannt, denn die Geschwindigkeit der geschleuderten Sonnenmasse variiert zwischen 500 und 800 Kilometern in der Sekunde. In der Regel braucht es dazu zwei bis drei Tage.
Barsch erhielt dann am Sonntag Abend gegen 22.30 Uhr einen Anruf seines Freundes Georg Keller aus Thüngersheim, mit dem er das Hobby der Fotografie teilt. "Komm schnell", hat dieser gesagt. "Es geht los." Glücklicherweise war es Nacht und der Himmel sternenklar. Sonst hätte das Himmelsphänomen nicht beobachtet werden können.
Die Kamera auf einem Stativ
Barsch fuhr sofort von Retzbach auf eine Anhöhe zwischen Thüngen und Retzstadt. Sein Freund Keller hatte eine Anhöhe bei Thüngersheim gewählt. Als Barsch in den Nachthimmel schaute, konnte er keine Polarlichter entdecken. Doch darauf war er vorbereitet, denn mit bloßem Auge sind diese in unseren Breiten nicht zu sehen. Er stellte seine Kamera auf ein Stativ und richtete dieses in Richtung Norden. Dann wählte er eine Intervallschaltung, die alle zehn Sekunden ein Bild macht, und blickte auf sein Display. Durch die lange Belichtungszeit von ebenfalls zehn Sekunden wurden die Nordlichter dort sichtbar. "Das hat mich total gefreut", sagte er. Er erkannte die pink schimmernden Farben am Sternenhimmel auf der ganzen Breite von Nordwesten bis Nordosten über Main-Spessart.
Mehr als eine dreiviertel Stunde lang ließ Barsch seine Kamera arbeiten. Die zirka 300 Bilder wertete er später Zuhause aus und die besten bearbeitete er ein wenig, damit die Farben noch deutlicher zu sehen sind. Auf einem Bild hat Barsch sogar eine Sternschnuppe eingefangen.
Dass Polarlichter auch in unseren Breiten fotografiert werden können, hat nichts mit dem Klimawandel zu tun, wie man vielleicht meinen könnte. "Früher sind diese nur nicht bemerkt worden", meint Barsch, da sie mit bloßem Auge nicht zu sehen sind. "Heutzutage geben sich die Fotografen Tipps in den sozialen Netzwerken", sagt er und hofft, dass sich für ihn noch einmal eine so günstige Konstellation wie am vergangenen Sonntag ergibt. Er hält seine Kamera bereit.