Am Dienstagabend vergangener Woche hat der Wernfelder Thomas Kuhn große Augen gemacht, als er von der Arbeit nach Hause kam. Ein paar Meter von seinem Haus in der Straße "Am Rod" entfernt wurde gerade ein rund 15 Meter hoher Sirenenmast mit vier Sirenen in Trötenform aufgestellt. Seine Frau habe ihm schon zuvor geschrieben, dass offenbar ein Rohr unter der Straße verlegt werden solle, womöglich wegen Glasfaserausbau. Das "Rohr" hat sich als ein silbrig glänzender Sirenenmast herausgestellt. Kuhn möchte sich nicht einfach damit abfinden, was er auch in der Wernfelder Bürgerversammlung am Montag klarmachte.
"Na, was hast du dir denn da hinstellen lassen?", fragt am Freitagnachmittag eine Autofahrerin, die ihr Auto dafür angehalten und ihre Scheibe heruntergelassen hat. "Da stehst du im Bett", mutmaßt sie. Es sei Wahnsinn, jeder spreche ihn auf diesen Masten an, kurz darauf hält tatsächlich der nächste Autofahrer. Er habe über Whatsapp schon viel Spott und auch Mitleid bekommen, sagt Kuhn. Manche würden im Vorbeifahren lachen. Er hätte sich gewünscht, vorher mal informiert zu werden, dann hätte man vielleicht nach einer anderen Lösung suchen können. Weiter oben am Kinderspielplatz oder an der Skihütte störe ein solcher Mast viel weniger.
Sirenenmast steht auf einem Grundstück des KU
Jetzt steht der Sirenenmast etwa zwölf Meter vom Kinderzimmer im ersten Stock von Familie Kuhn entfernt, wie Thomas Kuhn nachgemessen hat. Und zwar steht er auf einem Grundstück, auf dem bereits eine Druckerhöhungsstation des Kommunalunternehmens Stadtwerke Gemünden (KU) für die Wasserversorgung steht. Bei einem Anruf im Rathaus habe der Wernfelder gesagt bekommen, dass ein solcher Mast nicht genehmigungspflichtig sei.
Auf Nachfrage der Redaktion sagt Bürgermeister Jürgen Lippert, dass es in Wernfeld über Jahre Beschwerden gegeben habe, dass dieser obere Teil des Ortes von der bisherigen Sirene nicht erreicht werde. Die Sirene sei aber nicht nur für die Feuerwehr gedacht, sondern soll zukünftig auch bei der Katastrophenalarmierung erschallen. Über ein Förderprogramm für den Katastrophenschutz, aufgesetzt nach den Erfahrungen im Ahrtal, sei die Aufstellung auch gefördert worden.
Lippert hat schon schlechte Erfahrungen mit Anwohnerbefragungen gemacht
Er habe schon schlechte Erfahrungen gemacht, wenn es darum geht, alle Anwohnerinnen und Anwohner vorher zu fragen. Er nennt als Beispiel die Anfrage der Telekom vor ein paar Jahren, die auf das Huttenschloss in Gemünden einen Mobilfunkmast setzen wollte. Die Stadt habe die Leute drumherum gefragt, aber keiner habe einen solchen Mast gewollt, der der Stadt Mieteinnahmen beschert hätte. Das Ende vom Lied? Heute befinde sich der Mast auf einem privaten Nachbargebäude, den Anwohnern habe die Aktion gar nichts gebracht, und der Stadt fehlen die Mieteinnahmen.
"Wir müssen ja immer schauen, wo wir so ein Teil hinbauen", so Lippert. Gibt es ein städtisches Grundstück oder eines vom KU, das man nutzen könnte? Bei der Bürgerversammlung entschuldigte sich der Bürgermeister dafür, dass Kuhn vorab nicht informiert wurde, sagte aber auch, dass das am Standort nichts geändert hätte. Der Mast sei verfahrensfrei, bedürfe also keiner Genehmigung. Er glaubt, dass der Schall der Sirene über den Dachfirst von Kuhns Haus geht.
Anwohner Kuhn sicher: Alarmierung funktioniert auch ohne diesen Mast
Thomas Kuhn ist selbst seit rund 30 Jahren bei der Feuerwehr, war auch schon stellvertretender Kommandant in Wernfeld. Er sei keineswegs gegen Sirenen und Katastrophenschutz. "Das öffentliche Interesse stelle ich nicht infrage." Trotz Dreifachverglasung höre er die bisherige Feuerwehrsirene an der Wernfelder Grundschule aber gut, außerdem laufe die Alarmierung bei der Feuerwehr vor allem über Handy und Piepser. "Da wäre ein Piepser für jeden Feuerwehrmann günstiger gekommen", glaubt er.
Wenn es um die Alarmierung im Katastrophenfall geht, höre man sowieso die Sirenen aus Gössenheim, Adelsberg und Gambach, so Kuhn. Und inzwischen funktioniere ja die Katastrophenalarmierung über Handys. "Ich muss auch danach gehen, was mir meine Feuerwehren sagen", sagt Bürgermeister Lippert. "Die Sirene geht auch nicht jeden Tag los." Eine Sirene sehe Lippert deswegen als verhältnismäßig an und eine Alarmierung nicht als Belästigung. "Wehren wir uns jetzt gegen Warneinrichtungen?", fragte Lippert in der Bürgerversammlung.
Thomas Kuhn möchte den Sirenenmast vor seinem Haus so nicht akzeptieren. Im Zweifelsfall, sagt er, wolle er auch einen Anwalt einschalten und die Sache rechtlich prüfen lassen.