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Main-Spessart
Pfalz diskutiert Abschaffung der Weinkönigin: Das halten sechs Menschen aus Main-Spessart von der Idee des "Weinbotschafters"
Werden aus Weinprinzessinnen künftig "Weinbotschafter"? Die Idee sorgte in der Pfalz für Aufruhr und wurde prompt wieder zurückgenommen. Wir haben sechs Winzer und Weinfreunde aus der Region gefragt, was sie davon halten.
Sie haben unterschiedliche Meinungen dazu, ob Weinbotschafter künftig das Amt der Weinprinzessinnen ersetzen sollten (oben von links): Christine Pröstler, Manuel Pröstler, Rudolf May, Daniel Scheinhof (unten von links),  Gerda Jonas und Lena Heßdörfer.
Foto: Patty Varasano, Günter Roth, Armin Marschall, Robert Heßdörfer | Sie haben unterschiedliche Meinungen dazu, ob Weinbotschafter künftig das Amt der Weinprinzessinnen ersetzen sollten (oben von links): Christine Pröstler, Manuel Pröstler, Rudolf May, Daniel Scheinhof (unten von ...
Günter Roth
 |  aktualisiert: 18.08.2024 02:38 Uhr

In der Pfalz fing alles an. 1931 wurde in Neustadt an der Weinstraße die erste Weinkönigin gekrönt. Sie sollte auf die Weinregion aufmerksam machen und den Absatz steigern. Etwa 20 Jahre später zog auch der Weinbauverband Franken nach und präsentierte 1950 Tilly Lurz aus Randersacker als erste Fränkische Weinkönigin. Inzwischen hat sie 74 Nachfolgerinnen gefunden, aus dem Landkreis Main-Spessart wurden Frauen aus Erlenbach, Retzbach, Retzstadt und Stetten in das Amt gewählt.

Jetzt wollen ausgerechnet die Erfinder der Weinkönigin und damit auch der örtlichen Weinprinzessinnen damit Schluss machen und die jeweiligen Ämter abschaffen. An ihre Stelle sollen Pfalz-Weinbotschafter oder Pfalz-Weinbotschafterinnen treten – das heißt, für die Aufgabe sollen künftig auch männliche Bewerber infrage kommen. Der Aufschrei in der Pfalz ist jedoch groß, da viele an der Tradition festhalten wollen. Inzwischen ist der Marketingverein Pfalzwein, von dem der Vorstoß kam, auch wieder vorläufig zurückgerudert.

Manche wollen sie abschaffen, die meisten aber erhalten: Die Krönung der Weinprinzessinnen.
Foto: Günter Roth | Manche wollen sie abschaffen, die meisten aber erhalten: Die Krönung der Weinprinzessinnen.

Doch wie stehen die Menschen in Franken zu einer Überarbeitung des Konzepts? Weinprinzen hat es ja an der Mainschleife schon gegeben. Hermann Schmitt vom Weinbauverband Franken hat eine ganz entschiedene Einstellung zu dieser Frage: Männliche Bewerber seien grundsätzlich möglich, sagt er, aber es habe sich bislang noch keiner gefunden. Ansonsten gilt für ihn: "Wir in Franken halten an der Tradition fest, schließlich haben wir ja erst kürzlich eine neue Krone für die Weinkönigin angeschafft."

Wir haben sechs Männer und Frauen aus der Region dazu befragt.

1. Winzer Rudolf May findet das Amt nicht mehr zeitgemäß

Der Retzstadter Winzer Rudolf May.
Foto: Günter Roth | Der Retzstadter Winzer Rudolf May.

Der überregional bekannte Retzstadter Winzer Rudolf May kann sich mit dieser Entwicklung durchaus anfreunden. Der Aufwand rund um das Amt der Weinprinzessin ist für ihn nicht mehr zeitgemäß, eine umfassende Reform nötig. "Die Weinprinzessinnen gehen auf alle Feste, aber das hat eigentlich keine echten Auswirkungen mehr", sagt er. Bei der Arbeit mit hochwertigen Weinen spiele das keine Rolle mehr, findet er. In seinem Heimatort habe man beispielsweise schon Neuerungen eingeführt und veranstalte jeweils eine Krönungsparty anstelle des früheren opulenten Krönungsballs. Die Einbeziehung männlicher Repräsentanten findet er in Ordnung.

2. Weinprinzessin Lena Heßdörfer empfindet die Zeit als prägend

Lena Heßdörfer ist die amtierende Weinprinzessin aus Stetten.
Foto: Robert Heßdörfer | Lena Heßdörfer ist die amtierende Weinprinzessin aus Stetten.

Die amtierende Stettener Weinprinzessin Lena Heßdörfer findet die Aufgabe einer Weinprinzessin wichtig. Einerseits sei dies für die jungen Menschen eine prägende Zeit, in der sie viele Erfahrungen sammeln und einen ganz anderen Blick auf ihre Heimat und die Gesellschaft gewinnen. Aber auch für die heimischen Winzer und die Weinbaugemeinden bringe eine aktive Weinprinzessin oft große Vorteile mit sich, findet Heßdörfer.

Auf den Treffen in der Nähe, aber mehr noch bei überregionalen Veranstaltungen lerne man nicht nur viele Menschen kennen. Man könne auch fruchtbare Kontakte knüpfen und neue Wege der Weinvermarktung, des Weinbaus und der Vereinsführung kennen. Weinprinzen kann sich Lena Heßdörfer durchaus vorstellen, zumal es in einigen Gemeinden schwierig sei, geeignete Kandidatinnen zu finden. Die jungen Männer müssten dann aber auch bereit sein, ihr Amt mit dem notwendigen Ernst auszuüben, sagt sie.

3. Für Manuel Pröstler gehören die Weinprinzessinnen nach wie vor dazu

Manuel Pröstler ist Vorsitzender des Winzervereins Himmelstadt.
Foto: Günter Roth | Manuel Pröstler ist Vorsitzender des Winzervereins Himmelstadt.

Manuel Pröstler ist der Vorsitzende des Winzervereins Himmelstadt. Er steht voll hinter der Tradition der Weinprinzessinnen. "Die jungen Damen gehören bei uns einfach dazu und sie haben sich sehr bewährt", sagt er. Für ihn repräsentieren die Weinprinzessinnen schließlich nicht nur den Verein, sondern die gesamte Gemeinde. Eine gute Repräsentantin verknüpfe die Traditionen des Weinbaus mit der Kultur des Dorfes, meint er.

4. Retzbacherin Winzerin Christine Pröstler: "Ein nicht ersetzbares Kulturgut"

Die Retzbacher Winzerin Christine Pröstler .
Foto: Patty Varasano | Die Retzbacher Winzerin Christine Pröstler .

Für die Retzbacher Winzerin Christine Pröstler sind die Weinkönigin und ihre Prinzessinnen ein Kulturgut, das nicht ersetzbar ist. "Aber Weinkönigin bedeutet für mich nicht nur Krone, Dirndl, Weinglas, Lächeln – fertig. Die Entwicklung der letzten 20 Jahre zeigt: Fundiertes Wissen, Eloquenz und empathisches Auftreten muss eine Weinkönigin haben, dann hat das Amt der Deutschen Weinkönigin sowie der Regionalvertreterinnen (oder auch Ortsvertreterinnen) Zukunft", sagt sie, die selbst von 1998 bis 2002 Weinprinzessin von Retzbach war.

Seminare zur Vorbereitung auf das Amt mit Schulungen in Rhetorik, Modebewusstsein, Auftreten und vor allem Weinwissen tragen zu einer Stärkung des Kulturgutes bei. Gerne dürfen auch junge, engagierte Männer Weinbotschafter sein, findet Pröstler. Die Winzerin und Diplomingenieurin für Weinbau und Önologie will grundsätzlich Traditionen pflegen, Begonnenes fortsetzen und Neues wagen.

5. Winzerin Gerda Jonas findet die Auftritte der Prinzessinnen eine Bereicherung

Die Winzerin Gerda Jonas aus Eußenheim würde Weinprinzen akzeptieren, hält aber die Damen für besser geeignet.
Foto: Günter Roth | Die Winzerin Gerda Jonas aus Eußenheim würde Weinprinzen akzeptieren, hält aber die Damen für besser geeignet.

Gerda Jonas betreibt mit ihrem Mann Eberhard ein Weingut in Eußenheim und spricht sich als Frau dafür aus, dass Wein von Frauen repräsentiert wird. Angesichts der oft blutleeren Internetseiten vieler Winzer würden die jungen Frauen "das Herz erwärmen" und seien durch Auftritte "in Person" eine Bereicherung. "Man guckt bei Weinfesten nach den Weinprinzessinnen und freut sich über sie", so Jonas.

6. Daniel Scheinhof ist als "Karschter Flaak" für den Erhalt der Tradition

Daniel Scheinhof ist als 'Karschter Flaak' Repräsentant des Karlstadter Weins.
Foto: Armin Marschall | Daniel Scheinhof ist als "Karschter Flaak" Repräsentant des Karlstadter Weins.

Daniel Scheinhof ist zwar nicht wirklich ein Weinprinz, aber als "Karschter Flaak" ein echter Repräsentant des Weins um Karlstadt. Er führt das Weingut Kohlmann-Scheinhof in Mühlbach und ist Vizepräsident des Fränkischen Weinbauverbandes. "Was die Pfalz macht, das müssen die wissen, wir bleiben bei unserer Tradition", sagt er über die Diskussion bei den Pfälzer Weinbauern. Die Weinprinzessinnen hätten sich bewährt, meint er, allerdings sieht er auch einen Weinprinz als gute Alternative. Im Bereich der Mainschleife habe es schon erfolgreiche Männer gegeben. Er selbst hat als die Kultfigur "Flaak" immer nur positive Erfahrungen gemacht und sich bei Veranstaltungen gut angenommen gefühlt, berichtet er.

Insgesamt spricht also wenig dafür, dass in Franken die Weinprinzessinnen aussterben werden, sie werden bestenfalls künftig durch junge Prinzen unterstützt – und das kann hilfreich sein. Was sich wohl ändern wird, ist der Dresscode. Das typische Dirndl wird immer seltener getragen, stattdessen kleiden sich die Weinprinzessinnen häufig modern. Schließlich ist ja das Dirndl in Franken eigentlich auch nicht zuhause, es wurde vielmehr um 1900 aus Südbayern übernommen.

 
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