In Deutschland gilt die Schulpflicht. Eigentlich. Doch allein an Grund- und Mittelschulen in Main-Spessart gibt es dem Landratsamt zufolge aktuell zehn Kinder und Jugendliche, die seit mehr als einem Jahr nicht zur Schule gehen. Darunter ist auch ein Junge, über dessen Fall diese Redaktion bereits berichtet hat. Er müsste inzwischen die vierte Klasse besuchen, war aber noch keinen Tag in der Schule.
Nach Informationen dieser Redaktion verkehrte seine Mutter in Corona-Leugner-Kreisen. Das Landratsamt Main-Spessart will zu dem konkreten Fall keine näheren Informationen geben und teilt lediglich mit, dass das Kind offenbar mittlerweile an einer Online-Schule angemeldet wurde. Man sei an die gesetzlichen Vorgaben und gerichtlichen Entscheidungen gebunden.
Schulpflicht nicht erfüllt: Fall für Gerichte in Gemünden und Würzburg
Der etwa neun Jahre alte Junge scheint immerhin nicht ganz isoliert zu sein. Er gehe in den Sportverein, heißt es aus dem Umfeld. Aber die Familie fremdele mit dem deutschen Schulsystem. Die Mutter will sich auf Anfrage nicht äußern. Man möge sie in Ruhe lassen und "einfach die Leute leben lassen, wie sie wollen".
Das Verfahren um neun Bußgeldbescheide wegen Nichterfüllung der Schulpflicht ist laut Staatsanwaltschaft Würzburg vom Amtsgericht Gemünden eingestellt worden. Amtsgerichtsdirektor Volker Büchs teilt als Begründung mit, dass die infrage stehenden Tatvorwürfe von späteren, inzwischen rechtskräftig gewordenen Urteilen, darunter am Amtsgericht Würzburg, umfasst seien.
In Main-Spessart gibt es nach Recherchen dieser Redaktion mindestens einen weiteren Fall, in dem ein Kind Unterricht an einer Online-Schule erhält. Sind Internet-Schulen ein neuer Versuch von Eltern aus Kreisen von Corona-Leugnern, Impfgegnern oder auch Reichsbürgern, um die Schulpflicht zu umgehen?
Kultusministerium sieht Unterricht an Online-Schulen als illegales Homeschooling
Unterricht an Fern- oder Online-Schulen als Ersatz für den Besuch einer Schule dürfte es in Bayern nicht geben, Schulpflicht hat Verfassungsrang. Nur vorübergehend erhalten etwa erkrankte Schülerinnen und Schüler Hausunterricht, gegebenenfalls online. Den Unterricht an Fern- oder Online-Schulen betrachtet das Kultusministerium dagegen als unerlaubtes Homeschooling.
Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) urteilte im Juni 2022, dass der Besuch einer Schule ein Kernelement der Schulpflicht sei, das eine Online-Beschulung nicht erfüllen könne. Die Eltern eines Erstklässlers hatten vor dem Verwaltungsgericht Regensburg erfolglos beantragt, ihrem Sohn anstelle einer Grundschule den Besuch der Online-Schule "School Beyond Limitations" zu erlauben. Ihre Beschwerde beim VGH wurde abgelehnt.
Oberlandesgericht Bamberg: Schulverweigerung bedeutet nicht automatisch Kindeswohlgefährdung
Und doch gibt es Kinder und Jugendliche in Bayern, die an einer privaten Online-Schule unterrichtet werden. Im Landkreis Main-Spessart waren laut dem Gemündener Amtsgerichtsdirektor Volker Büchs in den vergangenen beiden Jahren zwei Verfahren in Familiensachen anhängig, in denen es nebenbei auch um Online-Beschulung ging. Büchs macht zu beiden Verfahren keine näheren Angaben, verweist aber auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg von 2021: Demnach könne im Fall einer Schulverweigerung nicht automatisch eine Kindeswohlgefährdung angenommen werden.
Die im Regensburger Fall genannte "School Beyond Limitations" aus Großbritannien richtet sich unter anderem an "Kinder aus Familien, die reisen oder oft umziehen". Bei einer Internetsuche finden sich einige Online-Schulen auch für deutsche Kinder und Jugendliche, teils mit Sitz in Costa Rica und Kosten beispielsweise ab 4380 Euro für ein Schuljahr. In Bayern hat keine Fern- oder Online-Schule ihren Sitz.
Kultusministerium und Regierung von Unterfranken: Keine Zahlen zu Schulverweigerern
Wie groß das Problem mit Dauer-Schulverweigerern und Online-Beschulung bayernweit ist, ist unklar. Das Kultusministerium gibt an, dazu keine Zahlen zu haben. Auch für Unterfranken gibt es keine Daten.
"Die Erfassung unentschuldigter wie entschuldigter Fehlzeiten liegt im Verantwortungsbereich der jeweiligen Schulen, die sich ihrerseits bei Bedarf an die zuständigen Schulaufsichtsbehörden sowie (bei der Verfolgung als Ordnungswidrigkeit bzw. der Beantragung von Schulzwang) die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden wenden können", teilt Alexander Warkosch, Sprecher der Regierung von Unterfranken, mit. Ein zentrales Meldeverfahren würde einen "nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand" bedeuten.
Nach Auskunft des Verwaltungsgerichts Würzburg waren dort "in den letzten Jahren keine Verfahren in Sachen Zulässigkeit von Online-Beschulungen anhängig".
Das Landratsamt Main-Spessart gibt an, nur die Informationen über Schülerinnen und Schüler im Zuständigkeitsbereich des dortigen Schulamtes zu haben, also Grund- und Mittelschulen: "Bei Realschulen und Gymnasien wenden sich Schulleiter bei Verstößen direkt an den Ministerialbeauftragten des Regierungsbezirks."
Eine Frage habe ich:
Welche Relevanz hat in diesem Zusammenhang die Nennung, die Mutter "habe in Corona-Leugnerkreisen" verkehrt?
Soll das einer der vielen Schubladen sein in die jhemand gesteckt wird, der nicht dem Mainstream folgen will?
Wo ist der Zusammenhang zwischen den beiden Themen?
wir erklären es gern: Anfangs hatte es wohl mit den Corona-Schutzmaßnahmen zu tun, dass die Mutter das Kind nicht in die Schule gehen ließ. Korrigieren Sie mich, falls ich falsch liege, aber Corona-Leugner waren oft Leute, die generell etwas fremdelten mit dem Staat und erst recht mit verpflichtenden Impfungen wie der Masernimpfung. Da könnte man schon mal auf die Idee kommen, sein Kind nicht mehr in einer staatlichen Schule "indoktrinieren" zu lassen. Die Nennung diente tatsächlich lediglich der Einordnung.
Schöne Grüße
Björn Kohlhepp, Redaktion Main-Post
Alles klar!
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Nirgends steht klar geschrieben, dass die Eltern obiges sind. Es heisst lediglich man hörte, man sagt, es könnte, es soll angeblich sein...
Hat man überlegt, dass die Eltern ganz andere Gründe haben und diese Gründe in der Schulsituation selbst liegt? Das diese Eltern nicht wollen, dass ihr Kind gemobbt, geschlagen, erpresst wird? Und wie kommt man eigentlich auf die abstruse Idee, dass diese Kinder isoliert aufwachsen? Auch dafür gibt es keinerlei Beweise. Aber es wird munter unterschwellig alles Negative unterstellt.
Zitat: In Bayern hat keine Fern- oder Online-Schule ihren Sitz.
Das mag so sein. Aber in anderen BL gibt es sie. Zwei Beispiele:
https://www.deutsche-fernschule.de/
https://www.grenzenlos-onlineschule.de/
Vermutlich wollte die Redaktion aufzeigen, jemand der sich nicht konform verhält, der müsse ja in irgendeiner Weise auch sonst auffällig sein.
Oder ist es umgekehrt?