
Als Notarzt braucht man starke Nerven. Es kann jederzeit passieren. Eben noch bei der Arbeit oder gemütlich am Kaffeetisch, der Piepser geht los und ein paar Minuten später ist der Notarzt unter schwer verletzten Menschen, die um ihr Leben kämpfen. "Da muss man ruhig bleiben", sagt Helmut Aulbach, der seit über 30 Jahren Notarzt in Gemünden ist und sich in dieser Zeit einen ausgezeichneten Ruf erworben hat.
Dem gebürtigen Ruppertshüttener ist es zu verdanken, dass Gemünden 1988 zum Notarzt-Standort geworden ist. Er wollte, dass Gemünden notfallmedizinisch "optimal versorgt" ist. Die BRK-Rettungsassistenten waren zuvor jahrelang ohne Notärzte unterwegs. Zu Notfällen wurden Hausärzte gerufen, die oft mit der Versorgung von Schwerverletzten überfordert waren, oder es kamen Notärzte aus den benachbarten Standorten, was natürlich eine Zeit dauerte, die ein Verunglückter manchmal nicht hat.
Der Notarztdienst für den Altlandkreis Gemünden wird seitdem von Aulbach und einigen anderen Ärzten getragen. In der Regel ist Aulbach von Montag bis Freitag rund um die Uhr im Bereitschaftsdienst. "Drei bis vier Einsätze sind es durchschnittlich am Tag", sagt er. Diese übernimmt er neben seiner Tätigkeit als praktizierender Arzt. Den Wochenenddienst teilt er sich mit seinen Kollegen Dr. Thomas Hohe und Dr. Uli Seltsam. Unterstützt werden sie von Notärzten aus Würzburg und je einem Kollegen aus Haßfurt und Lohr. Diese bewohnen zur Zeit ihrer Bereitschaft eine Unterkunft im Kreisseniorenzentrum in Gemünden.
Ein Leben mit dem Piepser
An das Leben mit dem Piepser hat sich Aulbach gewöhnt. Das kleine schwarze Gerät kann sich immer und überall melden. Wenn er sich mit einem Patienten unterhält, unter der Dusche steht oder im Gasthaus vor einer Mahlzeit sitzt. Letzteres ist nicht so schlimm. Der Herr Doktor ist in Gemünden bekannt. Sobald das schwarze Gerät piepst, weiß die Wirtin, was Sache ist. Da wird das Essen warm gestellt, bis Aulbach wieder in der Türe steht.
Plötzliche Atemnot, stechende Schmerzen im Brustbereich, ein schwerer Verkehrsunfall . . . – die Art der Einsätze, zu denen er und seine Kollegen gerufen werden, ist vielfältig. Wer da sein Handwerk nicht beherrscht oder schwache Nerven hat, ist verloren. "Man darf nicht Angst haben, einen Fehler zu machen", sagt Aulbach. "Das lähmt total."
Die meisten der Einsätze sind Routine, manchmal geht es aber um Leben und Tod. Aulbach berichtet von Einsätzen, in denen er einen Luftröhrenschnitt setzen musste oder in denen er eine Infusion in das Knochenmark des Schienbeins legte, weil bereits sämtliche Venen des Kranken kollabiert gewesen waren. Ob er dann eine ruhige Hand hat? "Ja", sagt Aulbach. "Wenn ich mich für eine Maßnahme entschieden habe, führe ich die auch durch."
Eines der schlimmsten Erlebnisse als Notarzt hatte Aulbach gleich zu Beginn seiner Tätigkeit in Gemünden. Da war ein zweijähriges Kind alleine auf dem Bahndamm unterwegs, als es von einem Zug erfasst wurde und kurze Zeit später starb. Nicht vergessen hat er auch einen schweren Verkehrsunfall in Gemünden, bei dem es 1995 elf Schwerverletzte gab, darunter sieben Kinder. Er war der erste Notarzt, der am Unglücksort eintraf. Eine Frau war zu diesem Zeitpunkt bereits tot; ein Kind starb, als er es behandelte.
Dreijähriges Mädchen gerettet
Den aufregendsten Einsatz bescherte ihm ein dreijähriges Mädchen mit einer bakteriellen Kehldeckelentzündung in Ruppertshütten. Es war tiefster Winter und die Straßen waren glatt. Das Kind drohte zu ersticken und die Rettungsleitstelle drängte aufgrund der verzweifelten Eltern aufs Tempo. "Wenn ich rase und im Graben lande, hat niemand etwas davon", dachte er und gab trotzdem Gas. In letzter Sekunde rettete er dem Kind das Leben. Das ist jetzt 28 Jahre her. Noch heute komme die 31-Jährige als Patientin zu ihm in seine Praxis in der Gemünder Innenstadt.
Das Gefühl, helfen zu können, ist dann aber auch eine große Befriedigung, sagt Aulbach. Dies trifft im besonderen Maße zu, wenn er Geburtshelfer ist, was nicht selten vorkommt. Für eine schwangere Mutter beispielsweise im Sinntal ist es weit bis zu einer Geburtsklinik. In diesem Zusammenhang kritisiert Aulbach die Praxis der Kliniken, aufgrund des Kostendrucks hochschwangere Frauen wieder nach Hause zu schicken.
Aulbach ist Notarzt mit Leib und Seele und wird bald 65 Jahre alt. Da stellt sich die Frage, wie lange er den Notdienst noch leistet. "Naja, fünf Jahre will ich schon noch machen", sagt er und er habe dies bereits der kassenärtzlichen Vereinigung mitgeteilt, die nachgefragt hatte. So ist die Besetzung des Standorts Gemünden für die nächsten Jahre gesichert. Sollte er mal keine Lust mehr auf den Job haben, könnte er auch prima als Taxifahrer arbeiten. Denn kaum jemand ist in der Gegend so kundig wie er: "Ich kenne jedes Gässchen und jeden Ort und brauche keine Landkarte, um etwas zu finden."
Ich darf mich zu den Glücklichen zählen, die Dank Herrn Aulbach noch am Leben sind.
Er hat veranlasst, das nach meinem Unfall die Kopfverletzung richtig erkannt wird und behandelt, entgegen der Meinung aller anderen Anwesenden. Das ist 30 Jahre her.
Und selbst hat der Mann auch einiges an Tiefschlägen hinnehmen müssen. Ich zolle meinen größten Respekt! Das alles ist heute nicht mehr selbstverständlich. Danke dafür!
Ein großartiger Mensch!
Überhaupt verdienen alle Helfenden, sei es Feuerwehr, Sanitäter, THW usw. VIEL mehr Respekt und Anerkennung ihrer zumeist freiwilligen Dienste!
Und ich hoffe, das der überall anzutreffende Egoismus der Leute nicht noch mehr wird!