
Kirche, Gastwirtschaft und Rathaus: Früher gruppierten sie sich um den Dorfplatz. Dort kamen die Menschen zusammen und machten Politik. In den langgezogenen Grunddörfern, unter anderem in Esselbach, gab es jedoch keine typische Ortsmitte.
Jetzt wurde dort ein früheres Gasthaus mit Unterstützung des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) zum Dorfgemeinschaftshaus umgebaut. Dort sollen Veranstaltungen der Gemeinde und der Vereine ebenso stattfinden wie private Familienfeiern. Im Rahmen der Leistungsschau "Architektouren 2022" am 25. und 26. Juni kann das neue Ensemble besichtigt werden.
Neue Parkplätze für das Dorfgemeinschaftshaus
Zur benachbarten Kirche hin entstand ein großzügiger Dorfplatz mit Sitzbänken und Schatten spendenden Bäumen. Fußwege verbinden die neue Dorfmitte mit der Grünfläche und Freizeitanlage "Weed" gleich dahinter. Am Rande des Areals wurde zudem ein neuer Parkplatz geschaffen.

Damit gibt es nicht nur einen neuen Treffpunkt für die Dorfgemeinschaft, sondern auch die Ortsmitte wurde kulturell und gestalterisch aufgewertet, erklärt Architekt Georg Redelbach. Alte und neue Bausubstanz stehen wie selbstverständlich nebeneinander. Ausschlaggebend hierfür sind insbesondere die Farben der Fassade: rotbrauner Putz, ähnlich Buntsandstein, und ein mit sägerauen Douglasien-Brettern verkleideter Anbau.
Ehemalige Gastwirtschaft von 1716 integriert
Auf dem Grundstück links der Kirche steht seit 1716 ein altes Haus, dessen markantes Fachwerk jetzt wieder freigelegt ist. Es ist – zusammen mit den Resten einer Mauer – eines der ältesten Bauwerke im Ort, so der Planer. Es wurde in der Vergangenheit des Öfteren umgebaut und beherbergte mehr als 200 Jahre lang bis 1980 ein Gasthaus. Auch ein Friseurladen, ein Fotostudio und die Filiale einer Bank waren dort schon untergebracht, berichtet Redelbach.
Jetzt wurde das Anwesen erneut umgebaut. Architekt Redelbach erinnert sich: Der Esselbacher Gemeinderat wünschte, dass das historische Gebäude erhalten bleibe. Um eine Anhöhe zu ebnen, wurde Erde abgetragen, das Kriegerdenkmal versetzt und eine Rampe für den barrierefreien Zugang zur Kirche gebaut. Weil direkt neben der Kirche früher der Friedhof war, mussten noch vorhandene Gräber geborgen und gesichert werden.
Foyer verbindet Alt- und Neubau miteinander
Der Hauptzugang zum Dorfgemeinschaftshaus erfolgt ebenerdig über den Dorfplatz in ein Foyer, das Alt- und Neubau miteinander verbindet. Von dort aus gelangt man direkt in den etwa 180 Quadratmeter großen Bürgersaal im Neubau. Mit seinem fränkischen Satteldach fügt er sich in die Dorfstruktur ein.

Der Saal ist großzügig und funktional ohne Zwischendecke gestaltet. Boden und Giebelwand sind aus Holz, ebenso die schalldämmende Decke. Hier können bis zu 150 Menschen zu Vereinsversammlungen, Vorträgen oder Festen zusammenkommen. In Richtung Dorfplatz lassen sich die Schiebetüren weit öffnen, so dass man Innenraum und Außenbereich gemeinsam nutzen kann. Das große Panoramafenster an der Gebäuderückseite öffnet den Blick auf die "Weed".
Vorausschauende Planung bei Heizung und Sanitäranlagen
Küche, Lager und Sanitärräume sind neben dem Saal untergebracht; im Keller ist Platz für ein großes Lager, Nebenräume und Haustechnik. Eine Heizung gibt es hier nicht. Das Dorfgemeinschaftshaus wird vom nahegelegenen Rathaus mit Wärme versorgt. Von außen zugängliche Toiletten können unter anderem bei Freiluft-Veranstaltungen genutzt werden.

Im Altbau des ehemaligen Gasthauses wurde die Decke über dem Erdgeschoss entfernt. Nur die alten Holzbalken sind noch zu sehen. Der so entstandene Raum kann für kleinere Veranstaltungen oder Ausstellungen genutzt werden. Architekt Georg Redelbach erklärt, dass hier bewusst eine modern anmutende Ausstattung gewählt wurde: weiße Wände, Betonfußboden, LED-Röhren und Stahlstützen, die die Statik sicherstellen.
Wirtshaus-Atmosphäre im neuen Dorfgemeinschaftshaus
Einen Raum weiter kommt dann doch noch Wirtshaus-Atmosphäre auf. Mit umlaufenden Bänken, Tischen aus der örtlichen Schreinerei und Eichenholzstühlen ist das Stübchen eingerichtet. Es bietet für etwa 30 Gäste Platz. Sind dann mal die historischen Fotos aufgehängt und eine Theke aufgestellt, kann man sich gut vorstellen, dass hier beim Stammtisch Schafkopf gekartelt wird.
Die beiden Räume im Obergeschoss gleichen noch immer einer Baustelle: Löcher im Lehmputz und im Dielenboden, offene Verkabelung und abbröckelnder Deckenstuck. Sind die Zimmer renoviert, soll hier ein kleines Dorfmuseum eingerichtet werden.