
Die evangelische Christusträger Bruderschaft in Triefenstein (Lkr. Main-Spessart) veröffentlichte kürzlich einen Bericht zu den Missbrauchsfällen um den ehemaligen Prior Otto Friedrich. Unabhängige Expertinnen und Experten sichteten dafür Unterlagen und führten Gespräche mit aktuellen und ehemaligen Mitgliedern der Bruderschaft. Dabei kam heraus, dass neben dem früheren Prior drei weitere, teils von ihm missbrauchte Brüder später selbst zu Tätern wurden.
Bericht spricht von Missbrauchssystem
Wie die Staatsanwaltschaft Würzburg nun bekannt gab, wurde zu diesen Fällen ein Vorermittlungsverfahren eröffnet, um zu prüfen, ob noch verfolgbare Straftaten vorliegen. Aus dem 99-seitigen Missbrauchsbericht geht hervor, dass sich über Jahrzehnte ein Missbrauchssystem in der Bruderschaft etabliert hatte.
Ein Opfer soll dabei nicht nur von Friedrich, sondern auch von einem weiteren Bruder sexuell missbraucht worden sein: "Diese sexuellen Übergriffe setzte der Mitbruder auch nach dem Auszug Otto Friedrichs aus dem Kloster Triefenstein fort", heißt es im Bericht. Gegen den Mitbruder seien Anschuldigungen aus dem Kreis der Helfer der Bruderschaft bekannt gewesen und zur Anzeige gebracht worden. Auch soll es nach dem Austritt dieses Mitbruders zu weiteren sexuellen Übergriffen gekommen sein, die ebenfalls angezeigt wurden. Allerdings führten die Ermittlungen zu keiner strafrechtlichen Verurteilung.
Auch zwei minderjährige Frauen sollen sexuell missbraucht worden sein
Daneben sollen der Bruderschaft Vorwürfe gegen einen anderen ehemaligen Bruder bekannt gewesen sein. Demnach seien zwei minderjährige Frauen in einem zeitlichen Abstand von einigen Jahren sexuellen Übergriffen ausgesetzt gewesen. Da die betroffenen Frauen inzwischen das 30. Lebensjahr überschritten haben, sind die Straftaten laut der sogenannten Regelverjährung des Strafgesetzbuches verjährt und können daher nicht mehr geahndet werden.
Ein weiterer Fall ist 2019 bekannt geworden. Laut dem Bericht soll ein ehemaliger Bruder "auf Drängen des damaligen Priors" sich selbst wegen einer sexuell missbräuchlichen Handlung gegenüber einem Helfer der Bruderschaft angezeigt haben. Auch die Selbstanzeige habe zu keiner Verurteilung geführt. Der Grund dafür geht aus dem Bericht nicht hervor.
Es wird in Zusammenhang mit den eingestellten Ermittlungen lediglich darauf hingewiesen, dass die Taten vor der Verschärfung des Sexualstrafrechts zum Ende des Jahres 2016 begangen wurden. Nach wie vor jedoch müsse eine sexuelle Handlung aus Sicht des Opfers erheblich sein, um als strafbar zu gelten. Nun prüft die Staatsanwaltschaft, ob es sich bei den im Bericht genannten Vorwürfen um noch verfolgbare und noch nicht justiziell behandelte Straftaten handelt.
Prior Otto Friedrich soll sich zwischen 1963 und 1995 an mindestens acht Brüdern vergangen haben. Er ist bereits 2018 gestorben.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Bullmann, MPA