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Gemünden
Nach fast 50 Jahren verlässt Carmen Strein die Vhs Gemünden
Die frühere Stadträtin war mit ihren Gesundheitskursen eine Institution. Zweimal zog sie nach Gemünden: Einmal war der Grund tragisch, beim zweiten Mal der Anlass kurios.
Fast 50 Jahre war Carmen Strein Dozentin an der Volkshochschule Gemünden. Auch ihr Mann Willi (dahinter) hatte Kurse gegeben.
Foto: Björn Kohlhepp | Fast 50 Jahre war Carmen Strein Dozentin an der Volkshochschule Gemünden. Auch ihr Mann Willi (dahinter) hatte Kurse gegeben.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 07.03.2024 02:54 Uhr

Als Carmen Strein ihre ersten Kurse an der Volkshochschule Gemünden gegeben hat, da hieß die Institution noch gar nicht Volkshochschule. Fast ein halbes Jahrhundert blieb die Wernfelderin der Vhs als Kursleiterin treu. Mit 88 Jahren wurde die frühere Stadträtin (Öko-Kreis) nun verabschiedet. Bei der Gelegenheit erzählte sie auch interessante Dinge aus ihrem Leben.

Ein großer Bahnhof erwartete die langjährige Dozentin am Freitag bei ihrer Verabschiedung im Lesesaal des Kulturhauses: Bürgermeister Jürgen Lippert war ebenso da wie die Vhs-Leiterin Susanne Duckstein, die hauptamtliche Gemündener Vhs-Mitarbeiterin Saskia Vierling und Kulturamtsleiterin Jasna Blaic. Hinzu kamen die frühere Vhs-Leiterin Ingrid Blum, 89, die Strein einst an die Vhs geholt hatte, sowie Teilnehmerinnen aus Streins letztem Kurs. "Die haben mir ja gar nicht verraten, was sie hier vorhaben", war die Scheidende überwältigt. Sie habe viele nette Leute kennengelernt in ihrer Zeit. Manche Träne floss am Freitag.

Der Ort für die Wassergymnastik wechselte, die Kursleiterin blieb gleich

Strein gab Wassergymnastik im Ozon-Hallenbad, im Bad im Gesundheitszentrum und zuletzt am Kreuzkloster. "Es waren viele treu dabei", erzählte sie. Manche schon seit Jahrzehnten. Sie habe viele Damen und Herren fit gehalten, sagte Vhs-Leiterin Duckstein. Die Wassergymnastik-Kurse laufen weiter, Kursleiterin ist jetzt die Bademeisterin Andrea Sondermann.

Die ehemalige Gemündener Vhs-Leiterin Ingrid Blum (bekannt als Textilkünstlerin) mit aktuellen Leiterin Susanne Duckstein.
Foto: Björn Kohlhepp | Die ehemalige Gemündener Vhs-Leiterin Ingrid Blum (bekannt als Textilkünstlerin) mit aktuellen Leiterin Susanne Duckstein.

Früher bot Strein auch Mutter-Kind-Turnen, Schwangerschaftsgymnastik und Frauengymnastik an. Ihr Wissen habe sie sich im Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV) angeeignet. Das konnte sie auch als Sportlehrerin erst an der Realschule in Karlstadt, dann in Gemünden gebrauchen.

Wie die Schwangerschaftsgymnastik vor 40 Jahren ablief

Eine Frau erinnerte sich, dass sie vor 40 Jahren Schwangerschaftsgymnastik bei Strein hatte. Die Kursleiterin saß vorne auf dem Pult und die Teilnehmerinnen lagen auf Matten unter den Schulbänken. "Ich sehe das heute noch, wie schön das war", sagt die frühere Teilnehmerin. Es war erfolgreich, ihre dritte Geburt sei "ruckzuck" gegangen. Sie selbst, erzählte Strein, war zur Schwangerschaftsgymnastik noch nach Karlstadt gefahren. Mit Strein verliere man eine Institution an der Vhs, sagte Bürgermeister Lippert. "Was Sie den Krankenkassen für Geld gespart haben, das geht sicher in die Hunderttausende", sagte er.

Carmen Strein erinnerte sich, wie es für sie losging mit Sportkursen. Sie wohnte mit ihrem Mann Willi noch in Adelsberg, als der damalige zweite Landrat, der Gräfendorfer Bürgermeister Otto Lindwurm, auf sie zukam. "Wir haben jetzt Turnhalle und alles Mögliche, da müssen wir was machen." Also gab sie ab 1967 erste Kurse. Irgendwann sei sie dann von Ingrid Blum für die Volkshochschule Gemünden, bis 1978 Volksbildungswerk genannt, angeheuert worden. Blum habe Dozenten gesucht und die Kurse überall beworben. "Mein Mann hat Englisch gegeben, stellen Sie sich das mal vor", erzählt Strein. Mit drei Kursen habe die Vhs angefangen, erinnerte sich die frühere Leiterin.

Ein in Rieneck gestohlener Reichsadler half der Familie nach Gemünden

Strein war als Kind mit ihren Eltern als Heimatvertriebene aus Opava (dt. Troppau) im Sudetenland nach Gemünden ins Flüchtlingslager auf dem Gelände des Sägewerks Hamm gekommen. Danach kam die Familie in den ehemaligen NS-Musterkindergarten in Rieneck, wo 40 Leute untergebracht waren. "Ein Jahr lang haben uns die Rienecker nicht beachtet", erzählt sie. Aber dann sei man einander nähergekommen. "Wenn man sich mit Rieneckern mal gutstellt, sind sie ewige Freunde."

Die Kurse von Carmen Strein im Vhs-Heft von 1978.
Foto: Björn Kohlhepp | Die Kurse von Carmen Strein im Vhs-Heft von 1978.

Der Vater, der bei der Bahn arbeitete, wäre gern nach Südamerika ausgewandert, aber die Familie habe nicht gewollt. So zogen sie in eine Eisenbahnerwohnung im Gemündener Brückleinsweg. An die kamen sie auf kuriose Weise: Zwei Bahnarbeiter aus Wernfeld und Gemünden haben den gusseisernen Reichsadler am Rienecker Tunnel abmontiert und wollten ihn verscherbeln. Allerdings wurden sie erwischt und von der Bahn sofort entlassen. Der Gemündener musste seine Wohnung verlassen – in die dann Streins Familie einzog. Sie hätten auch in eine Wohnung im Grautal ziehen können, das wollte der Vater aber nicht. Dorthin zog dann der entlassene Kollege. 1965 bauten ihre Eltern in Wernfeld.

Ihren Mann Willi, gebürtig aus Bürgstadt und Lehrer an der Realschule, lernte Carmen Strein um die Zeit herum in Gemünden kennen. Beide nahmen beim ESV am Jedermannturnen teil. Die Männer mussten dabei die Frauen auf dem Rücken durch die Halle tragen.

Sie hielt im Stadtrat stand

Von 1994 bis 2008 saß Strein für den Öko-Kreis im Stadtrat. Sie war ursprünglich als Nachrückerin eingezogen, weil ihr Vorgänger den damaligen Umgangston im Stadtrat nicht mehr ausgehalten habe. "Ich habe mir vorgenommen, ich halte durch." Sie sei eben der Typ, der Dinge macht, wenn es sonst keiner macht. So war sie auch Mitglied im "Hilfsring Rübezahl", der früher von Gemünden aus Menschen in der DDR unterstützt hat. Jetzt haben die Streins für den Haushalt selbst Unterstützung, und zwar durch Kateryna, die wegen des Kriegs aus der Ukraine geflüchtet war.

 
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