Während der kühle Herbst allmählich auch Karlstadt erreicht hat, ist es in der Diyanet Ditib Moschee angenehm warm. Und das, obwohl es um ein eher kühles Thema geht. Nämlich um den Tod. Nicht nur im Christentum wird vor allem an Allerheiligen und Allerseelen der Toten gedacht, auch im Islam gehört das zur Religion und Tradition. Das weiß Hüseyin Tunc, der seit 2016 einer von zwei Imamen in Karlstadt ist.
Verankert in Tradition und Religion
Er erinnert sich an einen Lehrer in seiner Heimatstadt Bursa im Nordwestern der Türkei. Der Lehrer habe sich die Schuhe seiner Schüler angeschaut und denjenigen neues Schuhwerk gekauft, deren Schuhe schon alt und kaputt waren. „Das hat er für seinen verstorbenen Vater gemacht, um etwas Gutes zu tun“, erklärt der Imam. Im Islam sei es so, dass Muslime so viele gute Taten wie möglich in ihrem Leben vollbringen sollten.
Wenn ein Muslim verstirbt, schließe sich diese Ansammlung an Taten wie in einem Notizbuch, erklärt der Imam bildlich. Danach könnten dem Verstorbenen aber noch gute Taten angerechnet werden. Ähnlich, wie der Lehrer es für seinen verstorbenen Vater getan hat. Diese Form von Totengedenken sei fest verankert im Islam und nehme einen hohen Stellenwert an. Für ihn als Sunniten, aber auch für Anhänger aller anderen muslimischen Glaubensrichtungen.
Totengedenken an mehreren Tagen
„Beim Totengedenken geht es für uns auch darum, sich in der Trauerphase nicht alleine zu fühlen“, sagt Sakine Azodanlou. Sie ist im Alter von fünf Jahren von Ostanatolien nach Karlstadt gekommen und arbeitet im Rathaus als Integrationsbeauftragte und Stadtjugendpflegerin. Azodanlou gehört der Glaubensrichtung der Schiiten an; die Mehrheit der in Karlstadt lebenden Muslime sind Sunniten, wie die gebürtige Türkin erklärt. So gedenken Muslime sogar an mehreren Tagen nach dem Tod des Verstorbenen traditionell seiner Person. Am 3., am 7. und am 40. Tag nach dem Tod. In manchen Regionen je nach Glaubensausrichtung zusätzlich auch am 52. Tag, wie Imam Tunc einwirft.
Freunde und Familienangehörige besuchen die Gräber ihrer Verwandten und lesen den Koran. Vielerorts wird dabei auch Essen an die Armen verteilt. „Je mehr Menschen zum Gedenken kommen, desto angesehener war die verstorbene Person“, erklärt Azodanlou. Bei den Schiiten findet zudem eine Woche vor dem Neujahrsfest Nouruz ein großes Totengedenken statt. Meist eine Woche vor dem 21. März.
Sargpflicht für Muslime ein Problem
Doch bevor es ein Totengedenken geben kann, muss es eine Bestattung geben. Im Allgemeinen unterscheiden sich die islamischen Bestattungsriten nicht allzu sehr von christlichen. So sind in beiden Religionen Erdbestattungen üblich, im Islam soll diese im Optimalfall innerhalb von 24 Stunden nach dem Tod erfolgen. Das ist in Bayern jedoch nicht möglich – hier muss eine Frist von mindestens 48 Stunden eingehalten werden. Zum rituellen Ablauf im Islam gehört die Waschung des Toten. Im Anschluss wird der Leichnam in weiße Leinentücher gehüllt, in denen er auch begraben wird. Für Muslime in Bayern ist das aber ein Problem. Denn wer hier stirbt, braucht einen Sarg.
In den meisten Bundesländern ist die Sargpflicht bereits abgeschafft. Nur in Sachsen, Sachsen-Anhalt und eben in Bayern gibt es sie noch. Für die Muslime ist dies auch ein Grund, sich nicht in Deutschland begraben zu lassen, sondern in ihrer alten Heimat. Seit 1992 gibt es einen speziellen Fonds, in denen Muslime jährlich einzahlen können. Im Todesfall sind die Überführung und die Bestattung in der Türkei damit abgesichert.
Muslimische Gräberfelder in Karlstadt
Bisher gibt es in Unterfranken nur in Würzburg, Schweinfurt und Aschaffenburg islamische Gräberfelder – doch in Karlstadt soll schon in etwa vier Wochen eines auf dem Ostfriedhof entstehen. Planungen dafür laufen bereits seit drei Jahren, weiß Sabine Zabel vom Ordnungsamt Karlstadt. 30 Gräber werden dann auf etwa 310 Quadratmetern zur Verfügung stehen – durch Hecken getrennt von den übrigen christlichen Gräbern. Diese Abgeschiedenheit kommt den Muslimen zusätzlich entgegen, weil ihre Grabstätten dann nicht von Kreuzen umgeben sind. Eine Sargpflicht gebe es aber auch in diesem Fall.
„Die Nachfrage ist da, es wird definitiv Muslime geben, die sich hier bestatten lassen wollen“, ist sich Zabel sicher. Sakine Azodanlou vertritt die gleiche Meinung. „Vor allem für die neue Generation der Muslime ist diese Region die Heimat und nicht die Türkei“, sagt sie. Im neuen Abschnitt auf dem Ostfriedhof wird außerdem die Grabausrichtung in Richtung Mekka ermöglicht. Negative Stimmen aus der Bevölkerung erwarten Azodanlou und Zabel dabei nicht. „So offen sind wir in Karlstadt, ich habe gar keine Bedenken“, sagt Zabel.