Wer stirbt, braucht einen Sarg. In Bayern ist das eine ganz klare Sache. Nicht nur, wer sich traditionell auf einem Friedhof begraben lassen will, ist auf ihn angewiesen. Bei einer Feuerbestattung wird der Verstorbene mit dem Sarg verbrannt, ehe die Asche in eine Urne gefüllt wird. Und auch wer seine Überreste bei einer Seebestattung auf dem Wasser verstreuen lassen will, muss sich im Freistaat zuerst mitsamt des Sarges einäschern lassen, bevor die Asche ans Meer transportiert wird.
In den meisten Bundesländern ist die Sargpflicht bereits abgeschafft. Nur in Sachsen, Sachsen-Anhalt und eben in Bayern gibt es sie noch. Und die CSU bleibt unnachgiebig. „In Bayern gibt es eine gewachsene Bestattungskultur – dazu gehört die christliche Tradition einer Sargpflicht. Diese Tradition wollen wir auch künftig erhalten“, sagte Gesundheitsministerin Melanie Huml vor einigen Wochen im Landtag.
Kritiker indes argumentieren, dass die Sargplicht vor allem für Muslime ein Problem ist. Denn in ihrer Tradition werden Menschen in Leinentüchern bestattet. Weil das im Freistaat verboten ist, beerdigen sie ihre Verwandten oft im Heimatland.
Für den SPD-Integrationspolitiker Arif Tasdelen ist das nicht tragbar. „Dass muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger sich auch in Zukunft entscheiden müssen, ob sie ihre Verstorbenen gemäß der Tradition beerdigen lassen, also im Leintuch, oder sie die Grabstelle regelmäßig sehen wollen, ist grausam und unnötig.“ Muslime seien nach dem Tod eines Angehörigen gezwungen, sich schnell um Flugtickets und den Transport des Toten ins Ausland zu kümmern und könnten nicht in Ruhe trauern.
Die Diskussion wird in Bayern schon lange geführt. Vor Kurzem hatte die SPD das Thema wieder auf die Tagesordnung im Landtag gesetzt, nachdem die Grünen schon 2015 einen Vorstoß gewagt hatten. Damals hatten sich in einer Anhörung des Innenausschusses nicht nur Vertreter der Muslime für die Abschaffung der Sargpflicht ausgesprochen, sondern auch die katholische und die evangelische Kirche sowie Vertreter der Kommunalverbände. Auch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) hatte keine Bedenken. Doch die CSU mauerte. Und auch derzeit gibt es keine Signale, dass die Christsozialen von ihrer Linie abweichen wollen.
Auch der Bestatterverband Bayern steht einer Abschaffung der Sargplicht kritisch gegenüber. Es gebe gute Gründe, weiter an der Jahrhunderte alten Tradition festzuhalten, sagt Ralf Michal, Vorsitzender des Verbandes und selbst Bestatter. „Zum einen ist die Überführung besser gewährleistet. Es treten keine Flüssigkeiten aus. Außerdem wird der Zersetzungsprozess optimiert.“ Hinzu komme: Würde man einen Menschen, der bereits zwei Tage tot ist, ohne Sarg, sondern nur in einem Tuch aufbahren, dann würde man etwas riechen.
Michal ärgert es, dass die Diskussion um die Sargplicht in Bayern immer wieder hochkocht: „Ich kann nicht verstehen, warum das Thema jedes Jahr durch den Landtag gepeitscht wird.“ Seiner Erfahrung nach störten sich auch Anhänger des islamischen Glaubens nicht an den bayerischen Beerdigungsriten. „Wir bestatten auch Muslime. Mit der Sargplicht haben sie kein Problem. Was sie aber wollen, ist das ewige Ruherecht.“ Die Ruhefrist, also der Zeitraum, in dem das Grab nach einer Beisetzung nicht neu belegt werden darf, liegt bei etwa 20 Jahren. „Muslime möchten das Grab aber für immer haben“, sagt Michal.
Auch Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml glaubt nicht, dass die Sargplicht ein allzu großes Problem für die Muslime im Freistaat darstellt: „Beim Bestattungsrecht setzt Bayern auf sachgerechte Lösungen vor Ort, auch für Angehörige des muslimischen Glaubens. Diese können ihren islamischen Bestattungsriten bereits heute im Freistaat in angemessenem Rahmen nachgehen. Das Bestattungsrecht steht der Verwendung eines zusätzlichen Leichentuchs neben der Sargpflicht nicht entgegen.“ Mit Informationen von dpa