Seit acht Wochen sitzt ein 44-Jähriger aus Wiesenfeld (Lkr. Main-Spessart) unter Mordverdacht in Untersuchungshaft. Nach Schilderung von Zeugen soll ihn der gewaltsame Tod von Sabine Back vor 27 Jahren zeitweise völlig aus der Bahn geworfen haben. Er kannte das 13-jährige Mädchen aus der Pferdestall-Clique gut. Mehrfach sollen ihm (Zeugen zufolge) vielsagende Aussagen entschlüpft sein. Doch Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach gegenüber schweigt der 44-Jährige nach wie vor.
Nur Mord wäre noch bestrafbar
"Selbst wenn der Verdächtige sein Schweigen bricht, schwebt nach so vielen Jahren über dem Fall die Gefahr, dass der Tod von Sabine am Ende trotzdem ungesühnt bleibt", warnt ein mit dem Verfahren vertrauter Jurist vor falschen Erwartungen.
Oberstaatsanwalt Seebach geht bei den Ermittlungen von Mord aus – anders als 1994 sein Vorgänger im damaligen Prozess gegen einen anderen Verdächtigen. Er hatte bei dünner Beweislage Totschlag angeklagt. Doch alles andere als Mord wäre nach 27 Jahren verjährt – selbst bei einem Geständnis des Täters.
Mehrfach gefragt: Hast Du etwas mit Sabines Tod zu tun?
Entgegen mancher Gerüchte sitzt der Verdächtige nach wie vor in Untersuchungshaft, bestätigt Seebach. Auch wenn der Anwalt des 44-Jährigen jetzt die Freilassung fordert und Haftbeschwerde einlegte.
Recherchen dieser Redaktion zeigen: Der Festgenommene wird seit der Gewalttat vor 27 Jahren in und um Wiesenfeld immer wieder mit der Frage konfrontiert, ob er in das Verbrechen verwickelt ist. Zeugen zufolge erweckte er mit seinen Antworten ihnen gegenüber den Eindruck, er wisse, was am 15. Dezember 1993 im Stall am Rande von Wiesenfeld passiert ist.
Mehrdeutige Antworten
Sein Verhalten war schon 1994 dem Landgericht Würzburg verdächtig vorgekommen. Drei Zeugen schilderten damals im Prozess: Er kapsele sich auffallend ab, meide plötzlich den bisher üblichen Kontakt mit Personen rund um den Reiterhof. Ein Mädchen habe ihn konkret gefragt, ob er mit Sabines Tod etwas zu tun habe. Er habe "völlig unsicher reagiert, nichts gesagt und sei weggegangen", heißt es im Urteil zum Prozess, von dem die Öffentlichkeit ausgeschlossen war.
Deutlicher soll der Verdächtige damals gegenüber zwei andere Zeugen geworden sein. "Na gut, dann war ich's halt", soll er widerwillig seinem fragenden Lehrherrn gestanden haben – um die Aussage kurz darauf abzutun mit den Worten "War nur Spaß". Auch innerhalb seiner Familie ist ihm offenbar die Frage gestellt worden. "Ich habe das nicht gewollt", soll er sinngemäß geantwortet haben. Dies sagte nach unseren Recherchen ein Familienmitglied jetzt als Zeugin bei der Polizei aus. Demnach belastete sie den Verdächtigen, auch sie als Minderjährige vielfach missbraucht zu haben. Ein anderes Familienmitglied hat indes offenbar bestritten, dass sich der Verdächtige im Mordfall Sabine so geäußert habe.
Spurensuche geht weiter
Bislang sind dies alles nur Hinweise. Beweise fehlen. Ein starkes Indiz der Ermittler ist der Fund winziger DNA-Spuren an der jetzt noch einmal untersuchten Kleidung des Opfers, die den Analysen zufolge von dem 44-Jährigen stammen. Möglicherweise kam er Sabine sehr nahe, als ihr Gewalt angetan oder Stunden später ihre Leiche versteckt wurde. Die DNA ist indes kein Beweis für Totschlag oder Mord.
Oberstaatsanwalt Seebach äußert sich zu Details der laufenden Ermittlungen nicht – auch nicht zur Glaubwürdigkeit von Zeugen. Ermittler würden derzeit weitere Vernehmungen führen, sagt er. Sie setzen darauf, dass das beauftragte Speziallabor in Erlangen bald weitere DNA-Treffer von Gegenständen vom Tatorts liefert. Die sorgfältige Nachprüfung der damals gesicherten Spuren mit modernen Mitteln dauert schon länger als erwartet.
Verteidiger sieht keinen dringenden Tatverdacht
Indessen drängt Verteidiger Hanjo Schrepfer auf die Freilassung seines 44-jährigen Mandanten. "Ich sehe keine neuen Erkenntnisse, die den dringenden Tatverdacht des Mordes ergeben. Nur dann wäre Untersuchungshaft gerechtfertigt", erklärte er zur Haftbeschwerde. Selbst wenn neue Gutachten eine Beteiligung seines Mandanten an der Tat ergäben, "weiß man noch nicht, ob er gemordet hat". Nach Ostern soll ein Richter über die Haftbeschwerde entscheiden.
Wenn ich seit Jahren von allen möglichen Personen im Dorf als Täter angesehen werde, wenn ich mich immer wieder diversen Anschuldigungen, auch durch die eigene Verwandschaft, stellen muss und am Ende trotzdem dort im kleinen Dorf wohnen bleibe (ob schuldig oder nicht) dann zeigt das schon sehr spezielle Charakterzüge.
Jedenfalls kann man von so einer Person kaum ein Geständnis erwarten; wer es so lange unter solchen Umständen ausgehalten hat wird sicher jetzt auch nicht auspacken.
Und wie im Artikel ist das ganze eine echte Gratwanderung und vermutlich auch die letzte Chance noch etwa zu erreichen.
Was mir nicht in den Kopf gehen will ist das "Totschlag" tatsächlich nach 20 Jahren verjährt. "Totschlag" ist in meinen Laienaugen gewissermaßen der "kleine Bruder" der Straftat "Mord"; ein Mensch wurde von jemanden anderen vorsätzlich getötet. Es ist eigentlich unerträglich, dass so eine Straftat verjähren kann.