Es soll eine kleine Andacht werden in einem stillen Rahmen. Am kommenden Sonntag wollen Familie, Freunde und Bekannte des 14-jährigen Jungen gedenken, der vor einem Jahr in Lohr von einem gleichaltrigen Mitschüler erschossen wurde. Am 8. September jährt sich der Todestag des Schülers und damit auch die schreckliche Tat, die viele Menschen bis heute beschäftigt.
Der TSV Sackenbach organisiert deswegen auf Wunsch der Familie die Andacht in der Lohrer Anlage, die dort um 18.15 Uhr im Pavillon stattfinden soll. Dass es eine "kleine" Andacht werden solle, beziehe sich auf das angedachte Programm, nicht aber auf die Anzahl der Besucher, erklärt Ralf Stolle, Vorsitzender des TSV Sackenbach. Er setzt sich bereits seit einem Jahr für die Familie des Jungen ein. Im TSV Sackenbach hatte auch der 14-Jährige Fußball gespielt. Stolle geht davon aus, dass viele Freunde, Bekannte, Mitschüler großen Bedarf an einem Gedenken haben und an diesem Tag zusammenkommen werden.
Ohne große Reden
"Wir wollen die Möglichkeit geben, sich zu treffen, sich auszutauschen, gemeinsam zu trauern", sagt Stolle. Die Andacht solle deswegen relativ kurz gehalten sein und ohne große Reden. Wenn jemand ein paar Worte sprechen möchte, gebe es die Möglichkeit dazu. Aber alles in allem werde das Gedenken keinen großen offiziellen Charakter haben, sondern solle einen Raum öffnen, um miteinander das Geschehene weiter zu verarbeiten. "Es ist jetzt ein Jahr vorbei. Aber es ist nichts vergessen und das wird es auch nicht", sagt Stolle. Vor allem durch den Prozess, der gerade erst im August endete, sei bei vielen Menschen nochmal alles wieder ins Bewusstsein gekommen.
Acht Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe lautete das Urteil des Würzburger Landgerichts, das den 15-jährigen Schüler, der die Tat vor einem Jahr begangen hatte, Anfang August wegen Mordes verurteilte. Nachdem die Verteidigung des verurteilten Teenagers zunächst Revision eingelegt hatte, hat der Jugendliche nun vor gut einer Woche das Urteil akzeptiert. Es wird damit rechtskräftig.
Was bleibe und was auch im Prozess nicht geklärt werden konnte, sei die Frage nach dem Warum, sagt Kaplan Tommy Reißig. Er tritt seit September die Nachfolge von Kaplan Manuel Thomas in der Pfarreiengemeinschaft 12 Apostel am Tor zum Spessart an. Am Donnerstag, 5. September, ist seine offizielle Einführung, am Sonntag wird er die Andacht halten. Am Freitag werde er sich dafür mit den Eltern des getöteten Jungen treffen und besprechen, wie sie sich die Gestaltung des Gedenkens wünschen. "Ich denke, es wird eine sehr kurze Andacht werden, eventuell gibt es noch Worte von Vertretern der Stadt oder von anderen. Alles wird in einer freieren Form gehalten, so wie es der Wunsch der Familie ist", sagt Reißig.
Wichtig sei es, an diesem Tag die Menschen nicht alleine zu lassen und neben dem tragischen Ereignis dennoch auch einen Raum zu öffnen, um den schönen Dingen zu gedenken, die Familie, Freunde und Bekannte mit dem 14-Jährigen erlebt hätten. "Gemeinsam dankbar sein, um die schlimme Tat in Gemeinschaft zu tragen", so beschreibt es Reißig. Als neuer Kaplan wolle auch er an diesem Tag den Kontakt zu der Lohrer Jugend suchen.
Andacht nicht am Tatort
Laut Stolle vom TSV Sackenbach hat man als Ort für die Andacht bewusst nicht den Tatort am Nägelseeschulzentrum gewählt, um nicht die Tat, sondern das Gedenken in den Mittelpunkt zu stellen. Auch Lehrer der Lohrer Mittelschule, die beide Jungen besucht hatten, werden bei der Andacht in der Anlage anwesend sein, erklärt Susanne Rinno, Schulleiterin der Mittelschule. Ebenso werden Lehrer am Sonntag am Tatort auf dem Schulgelände präsent sein, falls Schüler oder andere Betroffene dort zum Jahrestag Kerzen und Blumen ablegen und Gesprächsbedarf haben.
Am Dienstag, 10. September, beginnt dann das neue Schuljahr. Eine gesonderte Aktion zu dem Jahrestag werde es von der Schule nicht geben. "Wir sind das ganze Jahr über für die Kinder und Jugendlichen da, mit Schulsozialarbeit und Vertrauenslehrern, auf vielen verschiedenen professionellen Ebenen", erklärt Rinno.
Mit dem Ende des Prozesses und dem Jahrtag kann die Aufarbeitung der Tat nun einen Schritt weiter gehen. In Lohr hinterlässt sie ihre Spuren. Menschen wie Ralf Stolle setzen sich seitdem vermehrt mit den Hintergründen von Gewalt und deren Folgen auseinander. Zugleich steht in der Lohrer Jugendarbeit die Frage im Fokus, wie man den Verlust eines Freundes aus der Gruppe bewältigen kann. Und die Trauerarbeit der Familie kann im Grunde nun erst nach dem Prozess richtig einsetzen. "Wir haben uns als Verein letztes Jahr viel engagiert. Und wir wollen auch weiter zeigen, dass wir für die Familie und alle Jugendlichen, die Bedarf haben, da sind", sagt Stolle.