
Am Hut eine Feder, auf dem linken Oberarm ein blasses Hufeisen-Branding, die Taschen der Arbeitshose ausgebeult vom Werkzeug: So sitzt Rüdiger Staab vor seinem Stall, vor ihm der weite Blick über die Partensteiner Felder, Wiesen, den Wald. Von hier aus wird der 66-Jährige im August wieder Richtung Marktheidenfeld aufbrechen. Auf seinem Pferd Bolero, einem spanischen Reitpony, will er die rund 23 Kilometer weite Strecke reiten. Sein Ziel: Die Laurenzi-Messe.
Andere nehmen Auto oder Fahrrad, Rüdiger Staab sein Pferd
Weil er querfeldein reitet, ist die Strecke kürzer als die Straßen. Staab rechnet mit einer Reisezeit von circa fünf Stunden. Etwa alle zwei Stunden braucht sein Pferd eine Pause um Gras zu fressen und Wasser zu trinken. "Wenn es warm ist, reite ich über Aurora, Rothenfels, Hafenlohr. Aber man kann auch die andere Seite des Mains nehmen und über die Getraudenkapelle bei Waldzell und Zimmern kommen", erzählt er. Und das ziemlich unaufgeregt. Denn für den Partensteiner ist mit dem Pferd zur Laurenzi zu reiten, so normal wie für andere das Fahrrad oder das Auto zu nehmen.
"Früher sind wir mit den Pferden auf der Lohrer Festwoche sogar bis ins Festzelt geritten", erzählt er. Alt-Wirt Xaver Widmann habe das entspannt gesehen. Ab den 2000er Jahren ging es nicht mehr. Was, wenn das Pferd in den Eingang äpfelt? Seitdem werden die Pferde neben dem Festgelände angebunden.
Auch bei der Laurenzi-Messe macht Rüdiger Staab das so. Am besten geeignet ist dabei ein schattiges Plätzchen unter einem Baum. "Entweder ich habe dann das Pferd im Blick, wenn ich im Biergarten sitze und mein Bier bestelle oder ich trinke es gleich bei dem Tier", erzählt er. So plant er es auch in diesem Jahr.
Danach wird er die Strecke nach Partenstein nicht mehr zurück reiten, sondern bei Familie Jeßberger in der Marktheidenfelder Baumhof-Tenne übernachten. Da dort früher eine Wanderreitstation war, gibt es noch die entsprechenden Unterbringungsmöglichkeiten für Pferde. Kennengelernt hat der 66-Jährige die Familie über seine Tätigkeit als Hufschmied.

Staab ist gelernter Werkzeugmachermeister und hat zunächst bei Wenzel in Wiesthal, später dann bei Rexroth gearbeitet, wo er vor fünf Jahren in Altersteilzeit gegangen ist. Nebenberuflich hat er sich zum Hufschmiedemeister weitergebildet. Als solcher ist er immer noch ab und zu aktiv.
Mit der Pferdeliebhaberei fing es bereits vor 55 Jahren an. Rüdiger Staab war damals elf Jahre alt, als er sich unbemerkt auf das Gelände des Partensteiner Hausschuhfabrikanten Michael Schäffner schlich, der dort Isländer züchtete. "Wir haben uns heimlich auf die Pferde gesetzt und Cowboy und Indianer gespielt", erzählt er. Bis er dann doch vom Chef erwischt und zur Rede gestellt wurde. "Du willst reiten? Kannst du machen, dann aber tagsüber und mit meiner Erlaubnis", habe ihm Schäffner gesagt.
Reisen mit dem Pferd: 1986 ging es zum ersten Mal nach Garmisch-Partenkirchen
Seitdem gehören Pferde in Rüdiger Staabs Leben mit dazu. Später dann folgten eigene Tiere und der eigene Stall. Und die Begeisterung fürs Wanderreiten kam dazu. "1986 sind wir zum ersten Mal nach Garmisch geritten", erinnert er sich. 60 Kilometer hätten sie damals pro Tag auf dem Weg nach Garmisch-Partenkirchen geschafft, große Städte wie Augsburg und Donaueschingen umritten. Zurück ging es für die Pferde auf dem Lkw, für die Reiter mit dem Zug. Seitdem ist das Wanderreiten fester Bestandteil in Staabs Pferdejahr.

Vergangenes Jahr war Rüdiger Staab mit seinem Bolero für zwölf Tage im oberbayerischen Ohlstadt am Nordrand der Alpen. Um während des langen Rittes nicht "einzurosten", läuft Staab abschnittsweise nebenher. Da er nach einer Knieverletzung nicht mehr ganz gesund ist, hält er sich bergauf meist am Sattelknauf seines Pferdes fest und lässt sich ziehen.
Unterwegs mit dem Pferd geht es zwangsläufig manchmal ein Stück Straße entlang oder quer durch die Stadt. Auch in Marktheidenfeld wird der 66-Jährige das letzte Stück im Straßenverkehr reiten. Dabei muss er sich ebenso an Vorfahrtsregeln und rote Ampeln halten wie alle anderen Verkehrsteilnehmenden auch.
"Früher, als die Autos noch häufiger Fehlzündungen hatten, war das fast schwieriger", erzählt der Reiter. Mit dem plötzlichen Knall konnten nicht alle Pferde gelassen umgehen. Heutzutage sei es eher unangenehm, dass viele Autofahrer zu dicht an ihm vorbeifahren. Dabei gilt ein Seitenabstand von 1,5 bis zwei Meter. "Einmal hab ich schon mal einen Außenspiegel abgetreten, weil es gar zu eng war", erzählt Staab.
Mit Pferden im Straßenverkehr: Radfahrer sorgen manchmal für einen Schreckmoment
Aber auch Radfahrer sorgen manchmal für einen Schreckmoment bei Reiter und Pferd. "Die kommen oft unbemerkt und leise von hinten angefahren und klingeln dann dicht hinter uns." Besser sei, sich möglichst früh bemerkbar zu machen.
Und wie ist es mit der Promillegrenze? Wie viel Bier darf Rüdiger Staab auf der Laurenzi-Messe trinken? In der Straßenverkehrsordnung (StVO) und im Bußgeldkatalog der StVO sind keine Grenzwerte für den Alkoholkonsum eines Reiters vermerkt. Allerdings gilt: Sollte es zu einem Unfall kommen, sind alkoholisierte Reiter in der Regel mitschuldig.