Auch zwei überraschend aufgetauchte Zeugen aus dem Gefängnis brachten nicht die Wende im Prozess um den Mord an der 19-jährigen Mezgin: Vor dem Landgericht Aschaffenburg sagte am Mittwoch zwar ein Mithäftling des 46-jährigen Angeklagten aus, dass Mezgins Vater ihm den Mord gestanden habe – wie auch den Mordversuch am Freund seiner Tochter. Doch einen glaubwürdigen Eindruck machte der Zeuge dem Gericht offenbar nicht - eine Hafterleichterung im eigenen Verfahren als Lohn für die Zeugenaussage wurde ihm nicht zugesichert.
Verteidiger Jürgen Vongries attackierte den Zeugen, den er selbst schon als Anwalt vertreten hatte. Er unterstellte ihm aufgrund eigener Erfahrungen mangelnde Wahrheitsliebe. "Wenn ich gewusst hätte, dass Sie der Zeuge sind, der heute aussagt, hätte ich noch besser geschlafen", sagte Vongries vor Gericht.
Der Zeuge blieb dabei: "Ich sage die Wahrheit!" Ein weiterer Mithäftling, der das Geständnis ebenfalls gehört haben soll, machte keine Angaben.
Staatsanwalt plädiert: Elf Jahre für versuchten Mord?
Die Zeugenaussage sowie die restliche Beweislage waren Oberstaatsanwalt Jürgen Bundschuh am Ende jedoch zu dünn, um eine Verurteilung wegen Mordes zu fordern. Im vom Angeklagten geliehenen Auto hätten sich keine Hinweise auf eine Leiche feststellen lassen. Außerdem konnten weder Mezgins genauer Todeszeitpunkt noch die Todesursache abschließend geklärt werden. Bei so viel Ungewissheit gelte: Im Zweifel für den Angeklagten. Bundschuh sah in seinem Plädoyer elf Jahre Haft für Hashem N. wegen des Mordversuchs an Mezgins Freund für angemessen an.
Die 19-jährige Schülerin war im Frühjahr 2017 in Aschaffenburg plötzlich verschwunden. Die Suche nach Mezgin, die mit ihrer Familie 2015 aus Syrien geflüchtet war, verlief zunächst ergebnislos. Dann geriet der Vater in Verdacht, seine Tochter ermordet zu haben. Dass die Jugendliche schnell das westliche Leben genoss, passte dem konservativ eingestellten Hashem N. laut Anklage nicht. Mehrfach soll er die Schülerin geschlagen haben - dafür war er auch rechtskräftig zu einer Haftstrafe verurteilt worden.
Mezgins Vater schweigt zu den Vorwürfen
Erst Ende 2018 war in einem Wald bei Aschaffenburg die Leiche Mezgins entdeckt worden. Der zwischenzeitlich in die Türkei geflohene Vater wurde ausgeliefert und steht seit Anfang März wegen Mordes sowie des Mordversuchs an Mezgins Freund vor dem Landgericht Aschaffenburg. Er schweigt zu den Vorwürfen.
Mezgins zur Tatzeit 13-jähriger Halbbruder hatte in Vernehmungen den Vater schwer belastet. Er erzählte, Hashem N. habe ihn zur Teilnahme an dem Mord (angeblich in einem Wald zwischen Würzburg und Kitzingen) gezwungen und dann die Leiche bei Aschaffenburg versteckt. Eine Gutachterin hielt den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen jedoch für sehr zweifelhaft. Der Sohn des Angeklagten ist mittlerweile untergetaucht.
Dünne Beweisdecke
Auch Mezgins Freund hatte sich zunächst versteckt, wurde aber von der Polizei gefunden. Er sagte mit erkennbarer Angst im Zeugenstand über die Nacht im Mai 2017 aus, in der Hashem N. versucht haben soll, auch ihn zu ermorden.
Es sei zwar "höchst bedauerlich und für die Öffentlichkeit unbefriedigend, wenn eine solche Tat ungesühnt bleibt", betonte Oberstaatsanwalt Jürgen Bundschuh. Das müsse der Rechtsstaat aber aushalten - zumal die Ermittlungsbehörden über die ganzen Jahre nichts unversucht gelassen hätten, die Tat aufzuklären.
Lebenslänglich doch möglich
Der Anwalt, der die Interessen von Mezgins Freund als Nebenkläger vertritt, forderte ebenfalls die Verurteilung wegen versuchten Mordes. Er regte aber an: Das Gericht müsse nicht zwingend die Strafe mildern, weil es bei einem versuchten Mord blieb. Hier könne auch die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe in Betracht kommen.
Nach Angaben des Pressesprechers des Landgerichts, Ingo Krist, plädiert am Donnerstag ab 9 Uhr der Verteidiger. "Derzeit ist geplant, dass es - nach Beratungen der Kammer - in den Nachmittagsstunden des morgigen Tages zur Urteilsverkündung kommt", stellte Krist am Mittwoch in Aussicht.
So etwas hört der Staat und seine Vertreter nicht gerne. Da schwingt nämlich der Vorwurf mit, dass er (der Staat) nicht für die Sicherheit seiner Gefangenen garantieren kann. Ohne persönliche Erfahrungen gemacht zu haben bin ich mir relativ sicher, dass an der Angst des Zeugen etwas dran ist! Das sind eben Dinge mit die der "Law-and-Order-Staat" Bayern nicht so gerne anspricht.