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Marktheidenfeld
Massiver Lehrermangel in Bayern: Die Schulen in Main-Spessart starten mit Sorgen ins neue Schuljahr
Bayernweit fehlt es an Lehrkräften. Teilweise sind Klassenleitungen unbesetzt, das Unterrichtsangebot muss eingeschränkt werden. Wie steht es um die Schulen in Main-Spessart?
Bayern hat mit einem massiven Mangel an Lehrerinnen und Lehrern zu kämpfen. Auch die Schulen in Main-Spessart müssen zum Teil über kreative Lösungen nachdenken.
Foto: Arne Dedert, dpa | Bayern hat mit einem massiven Mangel an Lehrerinnen und Lehrern zu kämpfen. Auch die Schulen in Main-Spessart müssen zum Teil über kreative Lösungen nachdenken.
Désirée Schneider
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:16 Uhr

Die Zahl der Schülerinnen und Schüler in Bayern ist zuletzt deutlich gestiegen. Laut Kultusministerium Bayern beginnt am 13. September für rund 1,68 Millionen Schulkinder im Freistaat das neue Schuljahr, das sind rund 40.000 Kinder mehr als im vergangenen Jahr. Für die Betreuung bräuchte es dementsprechend auch mehr Lehrkräfte - doch die gibt es nicht.

Laut Schätzungen des Deutschen Lehrerverbands fehlen zu Beginn des neuen Schuljahres bundesweit bis zu 40.000 Lehrerinnen und Lehrer. Kultusminister Michael Piazolo verbucht die Personalplanung für das kommende Schuljahr dennoch als Erfolg, man habe die Lücken durch die Akquise von zusätzlichem Personal schließen können und "Großartiges geleistet", teilte Piazolo am Donnerstag anlässlich einer Pressekonferenz zum Schuljahresanfang mit. Eine Einschätzung, die bei den Kreisvorsitzenden des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) im Landkreis Main-Spessart für Kopfschütteln sorgt.

Den Schulen in Main-Spessart fehlt es zum Teil an Klassenleitungen

Ihre Einschätzung für die Region fällt ernüchternder aus. "Dass am Dienstag vor jeder Klasse ein Lehrer oder eine Lehrerin steht, ist ein Märchen. Es sind immer noch Klassen unbesetzt", sagt Christoph Rüttiger, BLLV-Kreisvorsitzender in Lohr. So würden an den Schulen zum Teil bereits Notallstundenpläne entwickelt, Unterrichtsstunden gekürzt oder auf andere Lehrkräfte verteilt. "Es werden kreative Lösungen gesucht, zum Beispiel wieder Unterricht in Nachbarklassen zu streamen oder Drittkräfte, Studentinnen und Studenten als Klassenaufsicht einzusetzen", sagt Rüttiger.

"Dass am Dienstag vor jeder Klasse ein Lehrer oder eine Lehrerin steht, ist ein Märchen."
Christoph Rüttiger, BLLV-Kreisvorsitzender in Lohr

Im Laufe des Schuljahres könnte sich die Situation sogar noch weiter verschärfen, fürchtet Josef Grodel, BLLV-Kreisvorsitzender des Altlandkreises Karlstadt. Krankheitsfälle oder Ausfälle aufgrund von Schwangerschaften könnten kaum noch aufgefangen werden, denn die sogenannte Mobile Reserve, das Kontingent an Ersatz-Lehrkräften für eben diese Fälle, sei aufgebraucht. "Die mobile Reserve ist aktuell gleich Null", sagt Grodel, "einfach, weil die Personen, die auf dem Papier dafür vorgesehen sind, schon ab Tag eins des neuen Schuljahres fest in Klassenleitungen oder langfristigen Vertretungen eingebunden sind."

Die Einschätzungen des Kultusministeriums seien deshalb mit Vorsicht zu genießen, denn zwar seien in der Tat die meisten Stellen besetzt, dass die Schulen deshalb ausreichend mit Lehrkräften versorgt sind, sei jedoch ein Trugschluss, warnt Grodel. "Wir haben in den Schulen selbst in den Kernbereichen, den Klassenleitungen, teilweise sehr viele nicht komplett fertig ausgebildete Lehrkräfte im Einsatz", sagt der BLLV-Kreisvorsitzende. Viel müsse mittlerweile durch Studierende, Erzieherinnen und Erzieher oder pädagogisches Personal aufgefangen werden. Doch das stellt die Schulen zum Teil vor neue Probleme: Denn nicht alle Quereinsteigerinnen und -einsteiger dürfen Noten vergeben, weil ihnen dafür die Qualifikation fehlt.

Schulen müssen auf Reservestunden zurückgreifen

Auch an den Schulen in Karlstadt geht der Lehrkräftemangel nicht spurlos vorüber. Im Bild: Die Schulleiter Thorsten Stöhr (Realschule), Michael Meisenzahl (Mittelschule) und Gerald Mackenrodt (Gymnasium).
Foto: Markus Rill | Auch an den Schulen in Karlstadt geht der Lehrkräftemangel nicht spurlos vorüber. Im Bild: Die Schulleiter Thorsten Stöhr (Realschule), Michael Meisenzahl (Mittelschule) und Gerald Mackenrodt (Gymnasium).

Auch am Johann-Schöner-Gymnasium in Karlstadt ist der Lehrkräftemangel bereits spürbar. Zwar könne man aktuell noch alle Klassen besetzen, "allerdings kommen jetzt vor Schulstart immer wieder kleine Hiobsbotschaften rein", sagt Schulleiter Gerald Mackenrodt. Kurzfristige Elternzeit oder Krankheitsfälle seien zwar nichts Neues, doch die Quellen, aus denen man in der Vergangenheit schöpfen konnte, seien nun erschöpft. "Es wird deutlich schwieriger. Man merkt, dass der Markt absolut leer ist", so Mackenrodt. Bereits jetzt müsse im Lehrkörper umgeplant und auf sogenannte Reservestunden zurückgegriffen werden, also Stunden, die bisher zum Beispiel für Wahlkurse verwendet wurden.

"Es wird deutlich schwieriger. Man merkt, dass der Markt absolut leer ist."
Gerald Mackenrodt, Schulleiter am Johan-Schöner-Gymnasium in Karlstadt

Etwas zuversichtlicher zeigt man sich an der Grundschule in Karlstadt-Wiesenfeld. Zwar habe man aufgrund des Infektionsschutzgesetzes und des damit einhergehenden Unterrichtsverbots für schwangere Lehrkräfte in der Vergangenheit mit Ausfällen zu kämpfen gehabt, dem kommenden Schuljahr blicke man jedoch positiv entgegen. "Alle Klassenleitungen sind besetzt und wir sind glücklich wie es läuft dieses Schuljahr", sagt Schulleiterin Regine Albert.

Immer mehr Lehrkräfte in Teilzeit - Solidarität im Kollegium ist gefragt

An der staatlichen Realschule in Karlstadt startet man hingegen mit gemischten Gefühlen in das neue Schuljahr. "Komplett voll versorgt sind wir nicht, wirklich eng wird es aber auch nicht - uns geht es noch vergleichsweise gut", sagt Schulleiter Thorsten Stöhr. Lediglich für das Fach Ernährung und Gesundheit habe weder eine Lehrkraft noch einen Ersatz gefunden. "Das müssen wir jetzt fachfremd aus unserem Lehrerpool abdecken", so Stöhr. Dafür hätten zwei Lehrkräfte ihre Stunden aufgestockt - ein Akt der Solidarität, der nach Einschätzung der Schulleitungen voraussichtlich immer häufiger nötig werde. Denn der Trend im Lehrberuf geht hin zur Teilzeit. Laut dem Statistischen Bundesamt arbeiteten im vergangenen Schuljahr knapp 40 Prozent der Lehrkräfte in Teilzeit - so viele wie nie zuvor.

Um das aufzufangen, müsse man sich im Kollegium häufig aushelfen. "Wenn wie in den letzten Jahren Not am Mann war, waren viele Kolleginnen und Kollegen immer bereit ihre Stunden aufzustocken, um die Lücke zu schließen", sagt Fred Strauß, Schulleiter der FOS/BOS in Marktheidenfeld, "da hat man als Schule schon einen gewissen Puffer." Dieses Jahr starte man vorsichtig optimistisch ins neue Schuljahr.

"Momentan sieht es glücklicherweise so aus, dass wir den Regelbetrieb ohne Kürzungen starten können - eine Situation, die wir in den vergangenen Jahren so nicht hatten", sagt Strauß. So habe man sich in der Vergangenheit beispielsweise immer wieder mit benachbarten Schulen aushelfen müssen, wenn kurzfristig Lehrkräfte ausfielen. "Es darf jetzt nur nichts mehr passieren - das haben wir alles schon erlebt", so Strauß. Denn gerade unter dem Schuljahr sei es mittlerweile fast unmöglich, schnellen Ersatz zu finden.

 
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  • berndschebler@mail.de
    Wenn man das auch bei der Regierung sagen könnte, die sind auch zu viel.
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  • Petsch06120702
    Wo ist euer Problem???
    Bei uns regiert doch Söder, da läuft doch alles wie geschmiert. Wir sind doch im Bundesvergleich immer und in allem die Besen. grinsen
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  • Der Main-Post ist schon bekannt, dass es an den Schulen mehrere Gewerkschaften gibt, oder? Also sollte man auch die anderen befragen.
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