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Remlingen
"Man darf nicht erwarten, dass es perfekt ist": Burkard Wehr lebt im ältesten Anwesen von Remlingen
Wehr ist in dem ehemaligen Amtsschloss aufgewachsen und hat es mit viel Liebe zum Detail restauriert. Dabei hat er versucht, so viel wie möglich von der historischen Substanz zu erhalten.
Burkard Wehr hat das ehemalige Amtsschloss in Remlingen restauriert und wohnt mit seiner Familie dort.
Foto: Katrin Amling | Burkard Wehr hat das ehemalige Amtsschloss in Remlingen restauriert und wohnt mit seiner Familie dort.
Katrin Amling
 |  aktualisiert: 11.09.2024 02:36 Uhr

"Man muss sich bewusst sein, dass man eigentlich nie fertig ist", sagt Burkard Wehr. Der 60-Jährige wohnt mit seiner Familie im ältesten Anwesen von Remlingen und schätzt den Charme, den das historische Haus ausstrahlt. 2004 hat er die Fassade und das Dach saniert. Zwei Jahre zuvor hat er das Haus, in dem er aufgewachsen ist, von seinen Eltern übernommen. Heute leben dort drei Generationen unter einem Dach.

Das Anwesen von Burkard Wehr in Remlingen.
Foto: Burkard Wehr | Das Anwesen von Burkard Wehr in Remlingen.

Der Remlinger hat in vielen Stunden die Historie des Hauses recherchiert, Geschichte hat ihn schon immer interessiert, erzählt er. "Die Haus- und Ortsgeschichte sind eng miteinander verbunden", erzählt Wehr. Denn das Anwesen war früher Königshof und Fronhof. Die älteste Urkunde, die Wehr gefunden hat, stammt aus dem Jahr 1377, ein Lehenvertrag des Klosters Fulda über den Fronhof Remlingen.

Rückwärtssuche in den Archiven nach alten Dokumenten

Bei seiner Suche nach den Ursprüngen hat Wehr sich Stück für Stück in die Vergangenheit gearbeitet. "Im Archiv muss man rückwärts gehen, man kann nicht einfach nach dem ältesten Dokument suchen", erklärt er. Sein Ausgangspunkt war ein Dokument aus dem Grundsteuer-Kataster von Remlingen aus dem Jahr 1832. "Von da an habe ich die Geschichte zurückverfolgt." Inzwischen lassen sich alle Besitzer des Anwesens seit dem Jahr 1377 bis heute feststellen.

Der Gewölbekeller des Hauses ist noch in seinem ursprünglichen Zustand. Selbst im Sommer hat es dort nur 14 Grad.
Foto: Burkard Wehr | Der Gewölbekeller des Hauses ist noch in seinem ursprünglichen Zustand. Selbst im Sommer hat es dort nur 14 Grad.

"Das Haus wurde bestimmt vier- oder fünfmal neu aufgebaut", sagt Wehr. Durch die Lage an der Hauptstraße sei es immer wieder Angriffen ausgesetzt gewesen und ist mehrmals abgebrannt. Noch in seinem ursprünglichen Zustand ist jedoch der Gewölbekeller. 1577 wurden Stützen eingezogen, um das Gewölbe zu stabilisieren. Sonst, so Wehrs Einschätzung, wäre der Keller irgendwann eingestürzt. Früher wurde der Keller als kühles Lager unter anderem für Most und Wein genutzt – um die 14 Grad hat es dort im Sommer. Heute hat Wehr dort kaum noch etwas stehen, zum Lagern ist ihm der Raum zu feucht. Ab und zu wird dort eine Party gefeiert.

Ebenfalls im Jahr 1577 wurde das Haus als Amtsschloss und Witwensitz für die Gräfin Katharina von Eberstein-Wertheim neu errichtet. Vermutlich 1635, während des 30-jährigen Krieges, wurde es wieder zerstört und neu aufgebaut. Das Gebäude, in dem Wehr heute noch mit seiner Familie wohnt, wurde nach dem Ortsbrand 1710 von der Standesherrschaft Castell wieder errichtet. 1845 wurde der Gerichtssitz aufgelöst.

Zur Außensanierung stand 20 Wochen lang ein Gerüst am Haus

In Familienbesitz ist das Haus seit 1852. "Mein Vorfahr hat das Anwesen von der Standesherrschaft Castell erworben", erzählt Wehr. Er ist mit seinen fünf Brüdern dort aufgewachsen und deshalb mit den Eigenheiten eines historischen Hauses vertraut. "Ich kenne es nicht anders", sagt er.

So sah das Anwesen vor der Außenrenovierung 2004 aus.
Foto: Burkard Wehr | So sah das Anwesen vor der Außenrenovierung 2004 aus.

2004 hat Wehr die Fassade des Hauses grundlegend saniert und das Dach neu gedeckt. 20 Wochen lang stand um sein Haus ein Gerüst. "Danach war die Arbeit aber lange noch nicht getan", sagt er. Das Dach hat er mit Biberschwanzziegeln in Doppeldeckung neu gemacht, als Außenputz hat er historischen Kalkmörtel in vier Lagen auftragen lassen. Die Fensterfaschen, also die Umrahmung der Fenster, hat er erneuert. Auch das Hoftor wurde neu gemacht.

Zugute kam ihm, dass er Kontakt zu vielen Handwerkern hat, die sich mit historischen Häusern auskennen. "Ein guter Freund ist zum Beispiel Schreiner und Restaurator, der hat mir viele Tipps gegeben", so Wehr. Und schließlich ist Wehr auch viele Stunden selbst auf dem Gerüst gestanden und hat an dem Haus gearbeitet.

Die Tür im Biedermeier-Stil hat Burkard Wehr selbst restauriert.
Foto: Katrin Amling | Die Tür im Biedermeier-Stil hat Burkard Wehr selbst restauriert.

"Was sich erhalten lässt, versuche ich zu erhalten", beschreibt Wehr sein Vorgehen bei der Renovierung. Gleichzeitig müsse man kompromissbereit sein. Er sei offen für Neues, doch das müsse dann immer mit dem Alten harmonieren, sagt Wehr. Probleme mit dem Denkmalschutz hatte er deshalb noch nie. Meist gehe er sogar über die Anforderungen der Behörde hinaus.

Handelsübliche Dämmung ist für das Haus nicht möglich

Die Haustür im Biedermeier-Stil, auf der vorher braune Wachsfarbe war, hat er selbst hergerichtet und die Farben auf die Fensterfaschen abgestimmt. 1826 wurde die Tür neu gemacht, vorher war dort eine zweiflüglige Tür im Barockstil. "Ich habe das Angebot von damals noch im Archiv gefunden – 25 Gulden hat die Tür gekostet", erzählt Wehr. Man merke, dass die Tür inzwischen ein wenig schräg sei, aber im Großen und Ganzen halte sie gut dicht, so Wehr.

Dass es nicht durch irgendwelche Löcher reinziehe, das sei im Winter auch das Wichtigste, um die Heizkosten für das Haus überschaubar zu halten. Denn eine handelsübliche Dämmung könne man nicht anbringen, sagt Wehr. Dann könne das Haus nicht mehr "atmen". Der Putz und die Dämmung müssen hygroskopisch sein, also bei Regen aufgenommene Feuchtigkeit auch wieder an die Außenluft abgeben können. Sonst würde sich die Feuchtigkeit unter dem Putz anstauen und das Holzfachwerk darunter zu faulen beginnen, erklärt Wehr.

Eine historische Flügeltür im Inneren des Hauses.
Foto: Burkard Wehr | Eine historische Flügeltür im Inneren des Hauses.

Eine Möglichkeit wäre eine Schilfrohrdämmung gewesen, doch die hätte sehr stark aufgetragen und der Charakter des Hauses wäre verloren gegangen. Wehr hat sich deshalb dagegen entschieden. "Man darf nicht erwarten, dass es am Ende perfekt ist", sagt er.

Am 15. September veranstaltet der Landkreis Würzburg den "Tag der Innenentwicklung", der Beispiele für den Erhalt historischer Ortskerne zeigen soll. Um 10 Uhr beginnt der Tag in Remlingen mit einem Vortrag zum Thema "Energetische Sanierung in Bestandsgebäuden". Bei einem Dorfspaziergang kann im Anschluss auch das Anwesen von Burkard Wehr von außen besichtigt werden.

 
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