
Das ehemalige Gerichtsgebäude mitten in Rüdenhausen nennt Wikipedia "das qualitativ hochwertigste Gebäude im Ort nach dem Schloss". Lange galt der markante, zweigeschossige Satteldachbau mit dem Zierfachwerk als Sorgenkind in der Gemeinde. Bis ein junges Archäologen-Ehepaar das über 430 Jahre alte Haus 2019 kaufte und es mit einer aufwändigen Sanierung zu neuem Leben erweckte.

Genau so ein Haus hatten Sarah Weber-Lange und ihr Mann Martin Weber gesucht. "Ein Handwerker, der hier arbeitete, meinte kürzlich, das Haus hat schon euch gefunden. Da hat er wohl recht", schmunzelt Weber-Lange. Im Oktober sind sie mit ihren beiden Söhnen und Hund Balou in Rüdenhausen eingezogen, wo sie sich richtig wohlfühlen. Auch wenn vor allem außen noch einiges zu tun ist. Innen ist das zwischen 1572 und 1592 entstandene Centgericht ein Schmuckstück geworden, das mit Augenmaß, Fachwissen und Leidenschaft, renoviert wurde.
Neu zu bauen, war für die gebürtige Ostfriesin und ihren aus dem Rheinland stammenden Mann keine Option. Bereits in Tübingen, wo sie zuvor lebten, wohnten sie in einem 1610 errichteten Haus. "Wir sagten uns, so etwas wäre es", blickt Sarah Weber-Lange zurück.
Der Beruf führte sie in den Raum Kitzingen, wo das Paar gezielt nach einem alten Anwesen Ausschau hielt. "Hier in Rüdenhausen habe ich sofort gesehen, daraus kann man etwas machen. Dass es so schön wurde, ist natürlich prima", sagt sie.

Das bis 1848 als Gerichtsgebäude genutzte Fachwerkhaus umfasst Gewölbekeller, Erdgeschoss, Obergeschoss, Dachgeschoss und Spitzboden. Bevor sie das Anwesen kauften, holten sie den Rat von Fachleuten wie dem Iphöfer Architekten Walter Böhm, ließen sich Entwürfe zeichnen. Sie sprachen mit den Zuständigen vom Denkmalschutz. Das Ganze ermutigte beide, also erwarben die Webers das 930 Quadratmeter umfassende Anwesen. Los ging es dort im Dezember 2021 mit dem Dach.
Fachwerk aus Eichenholz und Terrazzo aus dem 19. Jahrhundert
Es ist ein Haus, das voller Geschichte und Geschichten steckt, das entdecken Sarah und Martin Weber immer wieder. Beim Betreten fällt einem vor allem das Holz an den Wänden und an der Decke auf. Mächtige Tragebalken aus Eiche durchziehen das Gebäude, das frei gelegte Fachwerk an den Wänden ist ebenfalls aus Eichenholz. Im Eingangsbereich befindet sich ein Terrazzo-Boden aus dem 19. Jahrhundert.

Der Beginn der Treppe lag zuvor im Anbau, die neue Treppe wurde ins Haupthaus verlegt, auch um mehr Platz im Eingangsbereich zu schaffen. Gerade im Anbau an der Westseite, der bis zu 30 Zentimeter Gefälle aufweist, sei vieles zu tun gewesen, erklärt Martin Weber.
Die Besitzer änderten die zuvor recht kleinteilige Aufteilung, sie schafften Durchgänge und nahmen an manchen Stellen Teile der Wand raus, um die Räume größer und heller zu machen. Es entstanden rund 370 Quadratmeter Wohnfläche.
Die Bodendielen sind durchgebogen und krumm
Gleich neben dem Eingang wurden Esszimmer und Küche durch das Herausnehmen einer Wand zu einem großzügigen Raum. Der frühere Gerichtssaal im Obergeschoss ist nun das Wohnzimmer. Dort durchzieht ein Kehlbalken aus dem 16. Jahrhundert die Stube, die original Bodendielen wurden aufgearbeitet und belassen. Sie sind durchgebogen und krumm. Das gehöre eben zu so einem Haus, meinen die Webers.

Auch im Dachgeschoss, wo jetzt Büro und Bereiche zum Spielen und Entspannen sind, ist es geräumig. Der Spitzboden darüber wurde herausgenommen, sodass man in die mächtigen Balken des offenen Dachstuhls schaut.
Für Probleme beim Sanieren des Hauses habe vor allem das Dach gesorgt, sagte Martin Weber. Eine Dämmung bestand nicht, innen wurde es mit OSB–Platten verkleidet, die Hohlräume mit Cellulose gedämmt. Auf die Außenwände wurde ein Dämmputz aufgebracht. Die Traufen am Anbau waren stark beschädigt, auch viele der Wände dort waren kaputt. Beheizt wird das Gebäude nun mit einer Wärmepumpe, anstelle von den früheren Nachtspeicheröfen und dem Kamin.
Der Elektriker machten einen schönen Zufallsfund

Selbst einen Teil der Arbeiten auszuführen, war für die Webers kaum drin, außer beim Rückbau und Entrümpeln. "Wir sind beide berufstätig und haben zwei Kinder. Dazu machte der Denkmalschutz genaue Vorgaben", erläutert Martin Weber. Was am Bauwerk historisch war, musste erhalten werden. Nur die Dinge, die später hinzukamen, durften sie verändern.
Einige Überraschungen habe es gegeben, wie etwa, als ein Elektriker das alte Rautenfachwerk unter dem Putz entdeckte. Beim Renovieren tauchte vieles aus den 20er Jahren – wie etwa alte Zeitungen – auf. "Wir fanden unerwartete Dinge und bekamen so die Geschichte des Hauses erzählt", berichtet Sarah Weber-Lange.

Was die Sanierung kosten werde, lasse sich noch nicht sagen. Etwa 50 Prozent der Kosten hofft das Ehepaar, über Zuschüsse oder Abschreibungen zu decken. Neben Landkreis, Bezirk, Dorferneuerung und dem Markt Rüdenhausen unterstützt auch der Entschädigungsfonds des Freistaats Bayern das Projekt. Für den verbleibenden Rest hätte man wohl auch neu bauen können.
Der Bürgermeister sieht den Ort durch die Sanierung enorm aufgewertet

Über ihre Entscheidung für das historische Haus in Rüdenhausen sind nicht nur sie froh. "Wir würden es wieder so machen. Es braucht aber einen langen Atem und viel Geduld", sagt Sarah Lange-Weber. Auch Rüdenhausens Bürgermeister Gerhard Ackermann sieht in der Sanierung des geschichtsträchtigen Anwesens "eine enorme Aufwertung für den Ort".
Zu tun gibt es für die Webers noch einiges an ihrem Anwesen, das direkt neben der Kirche liegt. Der großzügige Hof, das Eingangsportal, die dazu gehörende Scheune, der Garten, sollen mit der Zeit folgen.