Sie leben seit zwei Jahren in Deutschland und haben im Landkreis Main-Spessart eine neue Heimat gefunden: Arnelly Prado aus Venezuela und Dina Schupp aus Indonesien. Sie sind zwei von zwölf auszubildenden Pflegefachkräften am Klinikum, die aus dem Ausland kommen. Im Gespräch mit dieser Redaktion erzählen sie, was sie in den Landkreis Main-Spessart verschlagen hat und was ihnen an der neuen Heimat gefällt.
Von Jakarta in die Schneewittchenstadt Lohr: Kontrastreicher könnte die Auswanderung von Dina Schupp nicht sein. Vor drei Jahren hat die 36-Jährige noch in Indonesiens Hauptstadt gewohnt und als Bankangestellte im Bereich Versicherungen gearbeitet. Heute lebt sie mit ihrem Mann in Lohr.
Arnelly Prado kommt aus Barcelona, eine Stadt im Norden Venezuelas. Nach ihrem Journalismus-Studium gründet sie mit Freunden eine Social-Media-Agentur und ein Online-Magazin. Doch die sich zuspitzende politische Lage im Land besorgte sie: "Ich war politisch aktiv in der Opposition und hatte Angst vor den Aktionen der Regierung". Kurze Zeit später wird sie im Büro von einem bewaffneten Mann überfallen: "Er wollte meinen Laptop, mein Handy, die Maschinen. Einfach alles."
2018 verlässt sie ihre Heimat, wandert aus nach Peru, arbeitet als Kellnerin und Verkäuferin und schiebt 12 Stunden-Schichten. Das Leben in Peru ist "sehr hart", sagt sie. Im August 2019 reist sie nach Deutschland, um in Köln als Au-pair zu arbeiten. Es folgte ein Jahr Bundesfreiwilligendienst im Kloster Triefenstein. Seitdem hat sie ihre neue Heimat nicht mehr verlassen.
Von allen Ländern auf der Welt: Warum Deutschland?
Dina Schupps Antwort ist kurz: "die Liebe", sagt sie lachend. Ihren Ehemann hat die 36-Jährige in ihrer Heimat kennengelernt. Er wohnt in Lohr, sie in Jakarta. "Nach einem halben Jahr Fernbeziehung hat er mich gefragt, ob ich mit ihm in Deutschland leben will." Für die junge Frau geht ein Wunsch in Erfüllung, wie sie sagt: "Deutschland ist mein Traum, wenn wir von Europa reden, dann über Deutschland". Schon davor wächst ihr Interesse an Deutschland, "ich habe Bücher über die Geschichte gelesen und über Städte". Seit gut eineinhalb Jahren sind die beiden verheiratet.
Arnelly Prados Antwort überrascht: "Als Kind habe ich mit meiner Familie das deutsche Dorf 'Colonia Tovar' in Venezuela besucht. Die Frauen haben Dirndl getragen und die Männer Lederhosen. Als Kind dachte ich, in Deutschland sieht es so aus", sagt sie und fügt hinzu, "ich habe mich in die Stadt verliebt."
Sie folgt deutschen Facebook-Seiten, informiert sich über Journalismus-Programme in Deutschland und macht einen Deutschkurs in Peru. Ihr Wunsch in Deutschland zu leben wächst: "Ich wollte mir ein Leben in Deutschland aufbauen und so habe ich gekämpft, um meinen Traum zu erreichen."
Was gefällt Ihnen an Main-Spessart?
Häuser im Fachwerkstil, die haben Arnelly Prado schon als Kind in der "Colonia Tovar" gefallen: "Ich mag hier die kleinen Städte und die Architektur. Ich war schon in Köln und Berlin, aber hier finde ich es schön."
Dina Schupps Lieblingsorte ist die Lohrer Altstadt und das Schneewittchen-Schloss. Ganz besonders schätzt sie aber die Religionsfreiheit: "Was in Indonesien zählt ist die Religion. Welcher Religion gehörst du an, darum geht es überall". In Indonesien zählt sie als evangelische Christin zu einer religiösen Minderheit.
Was beide Frauen fasziniert ist der Winter in Unterfranken: "Es war schon immer mein Wunsch Schnee in die Hand zu nehmen", sagt Dina, "ich komme aus einem tropischen Land. Wir haben keinen Winter". Arnelly lächelt und nickt: "Ich kenne Schnee nur aus dem Fernsehen und jetzt kann ich ihn anfassen."
Andere Länder, andere Kulturen: Was finden Sie kurios an Deutschland?
Von Übersee nach Europa, von der Millionenstadt aufs Land. Wie befremdlich wirkt Deutschland auf die zwei Frauen? Dina Schupp ist die permanente Verfügbarkeit der Großstadt gewöhnt: "Die Supermärkte sind hier nur bis 20 Uhr geöffnet und haben sonntags geschlossen ", sagt sie verwundert, "in Jakarta hat alles 24 Stunden geöffnet". In der 10-Millionen-Stadt, die niemals schläft, bekommt man alles jederzeit: "Wir haben eine App, mit der wir alles nach Hause bestellen können: Essen, Medikamente, Putzfrauen oder Massagen", erzählt Dina Schupp.
Arnelly findet hier "nichts komisch", sagt sie, "ich habe gelernt, dass es hier eine andere Kultur gibt". Auf Nachfrage, ob es etwas gibt das sehr anders ist im Vergleich zu Venezuela sagt sie: "Naja, in Lateinamerika haben wir mehr Warmherzigkeit".
Was vermissen Sie an Ihrer Heimat?
Dina Schupp fehlt – abgesehen von ihrer Familie – das Leben in der Großstadt: "Ich vermisse mein Motorrad", mit dem ist sie morgens drei Stunden zur Arbeit gependelt, "für sieben Kilometer braucht man in Jakarta eine Stunde."
Arnelly Prado vermisst ihre Heimat, wie sie einmal war: "Meine Familie und Freunde und das Venezuela, das ich als Kind kennengelernt habe, das vermisse ich", sagt nachdenklich. Die zunehmende Kriminalität im Land, Strom- und Internetausfälle erschweren das Leben. Sie ist froh hier zu sein: "Ich habe hier in Deutschland die Sicherheit, die ich in Venezuela nicht hatte."
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Arnelly Prado und Dina Schupp haben sich ihren Traum vom Leben in Deutschland erfüllt. Auf die Frage, was sie sich wünschen, sind sie sich beide einig: "Gesundheit und eine erfolgreiche Ausbildung zu machen" – "und noch ein Kind bekommen", ergänzt Dina Schupp lächelnd.