Die Vorwürfe wiegen schwer: Unter anderem wegen versuchten Totschlags sitzen zwei 29 und 40 Jahre alte Männer aus Rieneck (Landkreis Main-Spessart) vor der 1. Strafkammer des Würzburger Landgerichts auf der Anklagebank. Sie sollen vor zwei Jahren einen heute 27-Jährigen, der sie zuvor mit einer Machete bedroht haben soll, auf offener Straße brutal zusammengeschlagen und schwer im Gesicht verletzt haben.
Bei allen Beteiligten der Auseinandersetzung waren Amphetamin, Ecstasy, Alkohol und Cannabis in verschiedenen Mengen im Spiel. Zudem waren alle drei Männer der Polizei bereits vor der Prügelei am 1. Juli 2022 in der Rienecker Judengasse von früheren Einsätzen bekannt. Deswegen mussten die Streifenwagenbesatzungen den Tatort an diesem Abend nicht lange suchen: Das Geschehen fand vor dem Wohnhaus des 27-Jährigen statt, der wegen häuslicher Gewalt schon öfter Besuch von der Polizei hatte. Die Judengasse sei "quasi der Polizeiparkplatz in Rieneck", sagte ein Beamter im Zeugenstand.
Mehrtägiger Streit im "beschaulichen" Rieneck
Deutlich überraschter über das Geschehen mitten im 2000-Einwohner-Städtchen zeigte sich der Vorsitzende der 1. Strafkammer: "Ich hatte Rieneck bisher eigentlich als eher beschaulichen Ort wahrgenommen", sagte Thomas Schuster, der sich mit seinen beiden Richter-Kollegen und zwei Schöffen zwei Verhandlungstage lang bemühte, Licht ins Dunkel der Prügelei zu bringen.
Fest steht, dass alle Beteiligten früher gute Kumpels waren. Der jüngere der beiden Angeklagten wohnte sogar eine Zeitlang bei dem späteren Opfer seiner Faustschläge, nachdem er Freundin und Wohnung verloren hatte. Dass er dann später ein Verhältnis mit der Ex-Freundin seines Kumpels begann, scheint der wichtigste Grund für die Streitereien gewesen zu sein, die sich über mehrere Tage hinzogen. Der 27-jährige gelernte Altenpfleger reagierte darauf mit Beleidigungen, Bedrohungen und einem "Rieneck-Verbot" für die Frau.
Machete als Reaktion auf Drohung mit Schusswaffe?
"Ich weiß nicht mehr, was mich damals so hochgeschaukelt hat, es gab viele Baustellen in meinem Leben", sagte der 27-Jährige im Zeugenstand. Nach seinen Äußerungen bekam er Besuch von den beiden Angeklagten. Der 40-Jährige soll ihm dabei eine Schusswaffe an den Kopf gehalten haben. Als es dann am Abend des 1. Juli 2022 vor seinem Haus zu einem weiteren Treffen mit den beiden Angeklagten kam, habe er aus Angst die Machete mitgenommen: "Ich wollte sie einschüchtern, sie sollten sich einfach nur verpissen", so der gelernte Altenpfleger.
Das schildern die beiden Angeklagten anders: Nicht nur sie beide, auch seine Frau und seine beiden Töchter seien von dem 27-Jährigen bedroht worden, gab der 40-jährige Lagerist zu Protokoll. Bei der Prügelei sei es vor allem darum gegangen, den Kontrahenten zu entwaffnen. "Natürlich habe ich zugeschlagen, aber ich wollte ihn nicht verletzen", betonte der jüngere Angeklagte, der bei der Auseinandersetzung durch die Machete einige Schnittverletzungen erlitten hat.
Geschwollenes Gesicht zeugt von Tritten gegen den Kopf
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Duo nicht nur in Notwehr gehandelt hat: Der 40-Jährige soll mit seinen schweren Arbeitsschuhen mehrfach gegen den Kopf des am Boden liegenden 27-Jährigen getreten haben, der dadurch unter anderem einen Bruch der Augenhöhle erlitt. Fotos aus der Tatnacht zeigen sein komplett zerschlagenes und geschwollenes Gesicht. "Er lag am Boden, sie haben zu zweit auf ihn eingeschlagen, Ende der Geschichte", sagte ein Freund des Opfers. Er war nicht nur Augenzeuge, sondern eilte dem 27-Jährigen auch zu Hilfe und stach dem älteren der beiden Angeklagten ein Messer in den unteren Rücken.
Nach mehreren Zeugenaussagen konnte sich dann auch der 40-Jährige daran erinnern, dass er zugetreten hat: "Ich kann aber nicht mehr sagen, wie oft und wohin." Der Prozess wird an diesem Donnerstag mit den Plädoyers und dem Urteil fortgesetzt.