Aus dem Bewerbungsschreiben eines Hundes: "Mein Name ist Shadow. Ich bin eine Mischung aus Flatcoated Retriever und Königspudel und werde am 14. Juli ein Jahr alt. Da ich eine ganz Liebe und Brave bin und meine Mama auch Schulhündin ist, hat mein Frauchen überlegt, ob Schulhund nicht auch ein Job für mich sein könnte." Diese Selbstvorstellung erhielten in den Ferien alle Eltern der Lohrer Gymnasiasten. Die Lehrer würden sich über Shadow als neue "Kollegin" freuen, schreibt Carolin Herrmann.
Herrmann ist seit 21 Jahren Lehrerin, seit 15 Jahren Mutter und fast ein Leben lang schon Frauchen. Sie sei mit Hunden groß geworden, sagt die 45-Jährige, die mit ihrer Familie in Karlstadt wohnt. Vergangenes Jahr musste sie ihre elf Jahre alte Labradorhündin einschläfern lassen. Mit Shadow füllt diese Lücke nun ein Hund , der schon besonders ist: Denn eine Züchterin aus Rheinland-Pfalz ist dabei, die Kreuzung eines Flatcoated Retriever mit einem Königspudel zu einer neuen Hunderasse zu entwickeln, dem Flatdoodle.
Shadow ist noch jung. Ihre Welpenschule hat sie schon abgeschlossen. Das Grundvokabular ist ihr vertraut: "Decke! Hier! Komm! Bleib! Warten! Fuß! Platz!" Leinenführig ist sie auch – und "unheimlich intelligent", hat ihr Frauchen festgestellt. Herrmann ist der Meinung, dass sie bald reif ist für den Sprung ins Gymnasium. Zumal sie mit Shadow für den Feinschliff selbst nochmal in die Schule geht – bei Hundeverhaltenstherapeutin Carmen Bauer in Thüngersheim. Erkennen, was den Hund stresst; seine Körpersprache lesen lernen; Hygiene und rechtliche Aspekte – die vorhandene Erfahrung will vertieft werden.
Auch Shadow scheint ihre bevorstehenden Lektionen schon sehr gut zu kennen: "Ich muss gut gehorchen. Deswegen bekomme ich eine Ausbildung, damit ich gut mit allem klarkomme", legt ihr Frauchen ihr ins Maul. "Ich darf nicht überall hin, zum Beispiel darf ich nicht mit in die Mensa gehen. Ich muss regelmäßig entwurmt und geimpft werden. Wer nicht in meine Nähe möchte, muss das nicht tun. Und ich lerne auch, alle in Ruhe zu lassen, die mich nicht streicheln wollen."
Natürlich darf ich auch keinen Schmutz hinterlassen – kein Problem für eine Pudel-Kreuzung: "Ich verliere kaum Haare", klärt das 20 Kilogramm schwere Mädchen auf. Zudem werde sie selbstverständlich saubergemacht, bevor sie ins Schulhaus geht.
"Es ist erwiesen, dass Hunde das soziale Klima positiv beeinflussen", geht Herrmann auf ihre Motivation ein. Mit geht's vor allen Dingen um die Anwesenheit im Raum. Ich versprech' mir davon mehr Ruhe und eine Minderung von Prüfungsängsten."
Das kann Cassandra bestätigen. Die 15-Jährige besucht die Klasse 9a der Gustav-Woehrnitz-Mittelschule, die jetzt schon ein ganzes Jahr Praxiserfahrung hinter sich hat. "Man ist bei Vorträgen halt nicht so aufgeregt, weil der Hund beruhigt", erläutert sie das, was auch in so manchen Erfahrungsberichten und Studien nachzulesen ist. Die Beruhigerin in der Klasse von Richarda Köckemann heißt Bea, ist eine reinrassige Hovawart-Hündin, mit fünf Jahren deutlich älter als Shadow und mit 30 Kilogramm auch deutlich schwerer.
Wie Herrmann lässt auch Köckemann ihre Hündin zu Wort kommen: "Meine Klasse ist toll. Ich fühle mich mit meinen Schülern sehr wohl. Es gibt Streicheleinheiten und eine Menge Zuwendung, das finde ich echt klasse. Hoffentlich gibt es auch mal wieder einen Wandertag, solch ein Unterricht gefällt mir am besten", schreibt sie auf der Homepage ihrer Schule.
Köckemann ist seit 36 Jahren Lehrerin, seit 30 Jahren Mutter und seit 17 Jahren Hundehalterin. Sie hatte bereits ihre erste Hündin mit in die Klasse genommen, drei Jahre lang ab 2007. Natürlich hat sie auch diesmal die Chefin und die Kollegen gefragt, dann ihre Klasse. Allergisch auf Hundehaare reagiert keiner. Nur eine Schülerin hatte Bedenken, sprich: Angst vor Hunden.
Das gab sich aber schnell. Nach der vereinbarten Probewoche gab auch dieses Mädchen grünes Licht: "Sie können Bea ruhig wieder mitbringen." Bea lässt diese Jugendliche in Ruhe, hat aber nichts dagegen, dass auch die ansonsten nach wie vor zurückhaltende Schülerin ihr zum Abschied über den Rücken streicht. "Das machen fast alle zum Abschied", sagt Köckemann.
Die Hündin steht nicht im Mittelpunkt, sie ist halt einfach da. Die Box neben dem Wassernapf ist de facto überflüssig. Bea liegt mal in der Ecke, mal zwischen Stuhlbeinen und Schülerfüßen. Ist ihr langweilig, schnappt sie sich eines ihrer Spielzeuge. Wenn sie just im (un)passenden Moment den Quietschball erwischt, sorgt das auch mal für Erheiterung. Zerrspiele im Unterricht: kein Problem für Köckemann - "solange sie mir folgen ...". Wenn Bea im Sommer mal ans offene Fenster geht und die Schnauze in den Wind hält, wenn sie mal laut gähnt bei einer Kurzarbeit oder niest - "das trägt eher zur Auflockerung bei".
Einmal habe sich eine Schülerin gemeldet: "Darf ich mich zu ihr setzen?" Sie durfte. "Manchmal brauchen sie einfach Zuwendung vom Hund", sagt Köckemann über ihre Schüler. Ein einziges Mal sei es passiert, dass ein Schüler sie übersehen und gestoßen hatte. Da sei Bea aufgesprungen und habe unmutig gebellt. "Dann war's auch schon wieder gut", erzählt die Lehrerin. Der Schüler habe sie gleich danach auch wieder streicheln dürfen.
"Komplett normal" werde die Anwesenheit der Klassenhündin inzwischen empfunden. Einige der Schüler führen sie in der Pause gerne spazieren. Sie sind vertraut mit dem Tier. Schließlich haben sieben der 21 Neuntklässler auch zu Hause einen bellenden Vierbeiner. So normal ist es, dass eine Mutter sie beim Elternsprechtag schon gefragt habe, warum sie Bea nicht dabei habe, schmunzelt Köckemann. Nur ein Schüler räumt ein, dass Bea auch mal stört - "aber nur bei Mathe-Arbeiten ..."
Während in Lohr Klassenhund Bea schon etabliert ist und Schulhund Shadow gespannt auf das Ergebnis der Eltern-Umfrage wartet, lernt in Gemünden ein gewisser Pablo das ABC eines Schulbesuchshundes. Mit acht Monaten hält Alexandra Weickert-Maisel ihren Australian Shepherd noch für zu jung für den Einsatz andernorts. Doch seit einigen Wochen nimmt ihn die pädagogische Mitarbeiterin der offenen Ganztagsschule mit in die Nachmittagsbetreuung.
Dort hat sie es mit Realschülern und Friedrich-List-Gymnasiasten zu tun. Dabei habe sie schon eine "sehr spannende" Beobachtung gemacht, erzählt sie: Grade bei ADHS-Kindern scheut Pablo den Kontakt zunächst. Erst wenn diese ruhig und bei sich sind, geht er auf sie zu. Umgekehrt lernen die Kinder: "Gestreichelt wird erst, wenn der Hund das will."
- Außenseiter werden aus ihrer Isolation geholt,
- Auffälligkeiten (Lärmpegel, Gewaltbereitschaft, etc.) reduzieren sich,
- positive Sozialkontakte werden gefördert,
- der höfliche, rücksichtsvolle Umgang miteinander wird gefördert,
- Lehrer werden mehr beachtet,
- Hunde können einen Teil der emotionale Seite abdecken, die in der Schule in der Regel zu kurz kommt,
- Hunde fördern den Kontakt zwischen Lehrer und Schülern, das heißt: Der Lehrer erfährt mehr von den Kindern und kann ihnen so auch besser auf der Ebene Mensch-Mensch begegnen.