„Was! Hier gibt es einen Hund?“ Als Anna Cookie zum ersten Mal gesehen hat, war sie völlig perplex. Inzwischen es für die Achtklässlerin vom Würzburger Deutschhaus-Gymnasium ganz normal, dem Goldendoodle zu begegnen.
Sieht sie den Hund von Beratungslehrer Oliver Goldfuss irgendwo in der Pause vor einem Zimmer liegen, kniet sie sich nieder und streichelt ihn. „Das ist einfach cool, dass die Schule einen Hund erlaubt“, findet die tierliebe Jugendliche, die selbst einen Collie hat.
Das erste Mal im Unterricht
Dass es Cookie im Deutschhaus-Gymnasium gibt, ist einem Zufall zu verdanken, erzählt sein Herrchen. Im März 2015 musste Oliver Goldfuss sein Tier, das damals gerade einmal drei Monate zählte, mit in die Schule nehmen, da zu Hause niemand war, der auf den Welpen hätte aufpassen können.
Goldfuss wollte den Hund bei sich im Beratungszimmer lassen und dachte, dass Cookie an diesem einen Tag nicht weiter auffallen würde. Dann klopfte es an der Tür: Hartmut Braun, stellvertretender Schulleiter, hatte eine Frage. „Doch als er Cookie gesehen hat, kam er auf die Idee, ich könnte den Hund doch mal mit in den Unterricht nehmen.“
Goldfuss ließ sich auf den Vorschlag ein. Kinder und Kollegen waren begeistert. Inzwischen ist Cookie fast immer mit von der Partie, wenn Goldfuss Mathe oder Wirtschaft unterrichtet: „Wobei ich ihm jede Woche ein oder zwei freie Tage gönne.“
„Der Hund sorgt in den Klassenzimmern einfach durch seine Ausstrahlung für eine angenehme Atmosphäre“, konnte Schulleiter Michael Schmitt schon oft beobachten. Als er im August 2015 seinen Dienst antrat, war Cookie bereits mehrere Monate Schulhund. Was Schmitt gar nicht wusste. Goldfuss klopfte in den Sommerferien bei seinem neuen Chef an und fragte, ob er seinen Hund weiterhin mitbringen dürfe. Schmitt fand die Idee sofort gut.
Besonders belastbar
Cookie hat keine Ausbildung zum Schulhund. Er ist auch kein Therapietier. Allerdings wurde ihm bestätigt, dass er besonders belastbar ist und Stress gut aushält. Zu diesem Testergebnis kam es ebenfalls rein zufällig, erzählt Goldfuss. Wissenschaftler aus München sind gerade mit einer Studie über Schulhunde in Bayern befasst. Von irgendwoher erfuhren sie von Cookie und wollten ihn in ihre Studie einbeziehen. Vor etwa einem Jahr kamen sie ins Deutschhaus-Gymnasium, um den Goldendoodle zu untersuchen und einen Tag lang zu beobachten. Goldfuss: „Cookie erhielt ein Langzeit-EKG, außerdem wurde sein Puls gemessen.“
Vom Studienteam erfuhr Goldfuss auch, dass es bayernweit inzwischen rund 300 Schulhunde gibt. Cookie ist also keineswegs der einzige Vierbeiner, der Schüler aufheitert, wenn sie wegen einer schlechten Note traurig sind, und sie beruhigt, wenn eine Schulaufgabe bevorsteht. „Insgesamt sind Schulhunde jedoch noch selten“, so Goldfuss. Etwa jede 50. Schule setzt Hunde ein.
In Stadt und Kreis Würzburg gibt es nur noch an der Ochsenfurter Realschule einen Schulhund. An der Mittelschule in Waldaschaff (Kreis Aschaffenburg) wird seit Beginn dieses Schuljahres ein Rhodesian Ridgeback namens Goofy eingesetzt.
Kein haariges Problem
Cookie eignet sich auch deshalb gut als Schulhund, weil er einer Rasse angehört, die kaum haart. Das ist angesichts der Zunahme von Allergien wichtig. In den vergangenen zwei Jahren gab es auch noch nie Probleme wegen allergischer Reaktionen. Überhaupt ist es für Goldfuss erstaunlich, auf wie breite Resonanz der Hund bei den Eltern stößt. Niemand äußerte bisher Bedenken wegen möglicher hygienischer Probleme. Nur ein Mal meldete sich ein Vater und teilte mit, sein Sohn habe Angst, am Hund vorbeizugehen, weil der so groß sei: „Doch danach habe ich von dem Schüler nie mehr etwas gehört.“
Für Schulleiter Schmitt passt Cookie wunderbar ins „Grundkonzept“ der Schule. Wie Hunde nun einmal sind, geht Cookie vorbehaltlos auf die Schüler zu. Ihm ist es egal, wie teuer und ausgefallen die Klamotten sind, die jemand anhat. Oder wie gut ein Kind bei der letzten Schulaufgabe abgeschnitten hat. Damit lebt der Hund einen für das Gymnasium wichtigen Wert: „Wir müssen zwar ständig Leistungen erheben. Doch wir versuchen, den Schülern zu vermitteln, dass wir ihre Persönlichkeit unabhängig von ihren Noten wertschätzen.“
Soziales Verhalten
Durch den Umgang mit dem Hund lernen die Schüler soziales Verhalten. Cookie spiegelt ihnen offen und ehrlich, ob ihm das, was sie mit ihm machen, gefällt oder nicht. Wobei ihm viel gefällt. Sichtlich genießt er es, wenn Anna ihn hinter den Ohren krault oder ihm über den Kopf streichelt. Wobei er nicht aufdringlich ist. Goldfuss: „Im Unterricht liegt er die meiste Zeit einfach ruhig da.“
Tiere als Therapie
Hunde werden nicht nur an immer mehr Regelschulen eingesetzt. Noch häufiger ist ihr Einsatz in Einrichtungen für Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen. So hat die Offene Behindertenarbeit (OBA) der Würzburger Diakonie mit Bruno einen geprüften Begleithund. Seine positive Wirkung auf die OBA-Klienten ist laut seinem Frauchen, OBA-Leiterin Silke Trost, deutlich spürbar.
Auch bei der Evangelischen Kinder-, Jugend- und Familienhilfe (EKJH) in Würzburg werden Therapiehunde eingesetzt. Mit Margit Dittrich hat die EKJH sogar eine tiergestützte Pädagogin. In Kontakt mit den Therapietieren kommen die Kinder unter anderem beim jährlich organisierten Zirkusprojekt.
Im Verein „Tiere helfen Menschen“ unterstützen rund 30 Mitglieder aus der Region Würzburg alte und kranke Menschen. Meist gehen sie mit Hunden in Einrichtungen des Betreuten Wohnens, auf Demenzstationen, in Altenheime sowie ins Blindeninstitut. „Beim Streicheln des Hundes kann sich manchmal ein Spasmus lösen“, beobachtet Simone Kilian, die mit ihren Therapieassistenzbegleithunden Yacko und Joy Menschen in Einrichtungen besucht. pat