Mila steht schon seit einer halben Stunde an der Haustür und wartet ganz aufgeregt auf ihr Frauchen. Schließlich geht es heute in die Schule und da will sie keine Sekunde verpassen. Doch es geht nicht in die Hundeschule, obwohl Mila eine prächtige Parson-Russel-Terrier-Hündin ist. Es geht in die Mittelschule Zellerau, denn Mila ist ein ausgebildeter Schulbegleithund.
Die dreijährige Hündin musste dabei tatsächlich in die Hundeschule und einen Test bestehen, verrät Frauchen Verena Rach. Nicht jeder Hund ist als Schulbegleithund geeignet. Er muss einen Wesenstest bestehen, muss familienfreundlich sein, darf keine aggressive Ausstrahlung besitzen, sollte wenig stressempfindlich sein und sich mit anderen Hunden vertragen. Dies alles erfüllt die dreijährige Hundedame.
Sie lebt in einem Fünfpersonenhaushalt in Höchberg und ist da einiges gewohnt. Die Kinder gehen oft Gassi mit ihr und wenn eines einmal ein Problem hat, kommt Mila wie selbstverständlich und tröstet es. Grundsätzlich kann man einen Hund für alles erziehen, erzählt Verena Rach. Auf die Idee mit dem Schulbegleithund kam sie durch Fachliteratur, in der beschrieben wurde wie ein Hund sich positiv auf die Klassengemeinschaft und das Lernverhalten auswirkt. Die Schüler würden viel aufmerksamer und könnten dem Unterricht viel besser folgen, wenn ein Hund anwesend ist. Außerdem werde die Klassengemeinschaft gestärkt und die hierarchischen Unterschiede bei den Schülern würden vertauscht.
Also genau das Richtige für "meine Schule", dachte sie. Rach unterrichtet als Fachlehrerin an der Mittelschule Zellerau, einer Brennpunktschule in Würzburg. Vor allem in den höheren Klassen sind Verfehlungen an der Tagesordnung und die Lehrkräfte haben alle Hände voll zu tun, um den Lernstoff zu vermitteln. Da kommen neue Konzepte gerade recht und Schulleiter Gregor von Papp war sofort begeistert, als Verena Rach ihm ihre Idee eines Schulbegleithundes mitteilte.
Doch bevor es soweit war, dass Mila in eine Klasse mitkommen durfte, mussten noch die rechtlichen Schritte durchgeführt werden. Alle Eltern wurden informiert, der Hund offiziell beim Schulamt angemeldet, ein Nachweis über regelmäßigen Impfschutz des Hundes erbracht werden und eine regelmäßige Entwurmung des Hundes stattfinden. Als dies alles geklärt war, galt es für Verena Rach noch das Kollegium zu überzeugen. Die meisten fanden die Idee sehr gut, aber eine Kollegin, erinnert sich Rach, war ablehnend. Trotzdem ließ sie sich auf ein Experiment ein. In ihrer Klasse machte Mila mit Hundeführerin Verena den ersten Besuch. Und tatsächlich, die Jugendlichen waren viel aufmerksamer und nahmen aktiv am Unterricht teil. Von da an war das Eis gebrochen und ein Schulalltag an der Mittelschule Zellerau ohne Mila ist fast nicht mehr vorstellbar.
"Grundsätzlich kann ein Hund für alle Fächer eingesetzt werden", sagt Verena Rach. Zum Beispiel kann man in Deutsch einen Brief an Mila verfassen lassen oder eine Vorgangsbeschreibung. "Mit Mila auf der Alten Mainbrücke" lautete ein Thema, das eine Klasse schon bearbeitet hat. Mila kann im Unterricht apportieren, beispielsweise wenn man im Kunstunterricht einen Pinsel benötigt oder sie dient als Anschauungsbeispiel im Biologieunterricht. "Mit einem Hund geht praktisch alles", so Rach.
Pädagogisch korrekt könnte es so heißen: Bei hundegestützter Pädagogik wird ein ausgebildeter und trainierter Hund zur Erreichung konkreter pädagogischer Ziele eingesetzt. Ein Pädagoge arbeitet auf der Grundlage eines tiergestützten Konzepts mit seinem Hund im Team und setzt ihn als "Co-Pädagogen" zielgerichtet ein. Bei Kindern und Jugendlichen werden über und mit dem Hund Lernprozesse initiiert, die auf die Förderung der sozio-emotionalen Kompetenz und auf die Steigerung der Kommunikationsfähigkeit ausgerichtet sind". Haustiere, und besonders Hunde, sind in der Lage allein durch ihre Anwesenheit das Wohlbefinden der Menschen zu steigern.
So erzählt Rach von einem Erlebnis bei der Schulversammlung, als alle 144 Schüler in der Turnhalle zusammenkamen, sonst eine eher wilde Veranstaltung. Als Mila den Saal betrat, herrschte plötzlich Ruhe und Zurückhaltung. Rach kann den Hund auch bewusst als Druckmittel einsetzen, nach dem Motto: Wenn ihr nicht ruhig seid, verlässt der Hund sofort die Klasse. Und das wirkt tatsächlich.
An der Mittelschule Zellerau gibt es eine Schulhund-AG und Verena Rach kommt regelmäßig in die einzelnen Klassen in den Unterricht. Sogar in der 9. Klasse lässt sich mit Mila ein Lernerfolg erzielen. "Welche Berufe mit Hund kennt ihr", fragt Lehrer Martin Reckhoff und spontan fallen den Jugendlichen einige Berufe ein, wie Rettungshundeführer oder Polizeihundeführer. Aber auch Blindenhunde, Leichensuchhunde oder Diabeteshunde kommen sofort über die Lippen.
Rach und das Kollegium der Mittelschule Zellerau sind überzeugt von der Arbeit mit dem Schulbegleithund und die Schüler können sich einen Unterricht ohne Mila schon gar nicht mehr vorstellen.
