Was hat die Stadt Gemünden mit dem Sitzmann-Haus in der Fußgängerzone vor? Die Frage beschäftigt die Gemündener, seit bekannt wurde, dass die Stadt das Geschäftshaus des Gemischtwarenladens Pfeiffer, früher Sitzmann, gegenüber vom Gasthaus Koppen erworben hat. Das Gebäude daneben (Wagler-Haus) gehörte der Stadt schon. Betreutes Wohnen komme da rein, so lautete ein Gerücht in der Stadt. "Ich habe schon so viel gehört, aber bis jetzt ist noch nichts davon wahr", sagt Peter Interwies vom Bauamt der Stadt. Bürgermeister Jürgen Lippert wiegelte bei Presseanfragen bislang stets ab, dass noch nichts spruchreif und noch nichts in trockenen Tüchern sei.
Doch jetzt ist die Katze aus dem Sack: Die Stadt hat ein weiteres Nachbargebäude, das Rottmann-Haus, dazugekauft und sucht nun per Ausschreibung nach Interessenten für das 200 Quadratmeter große Gesamtensemble aus den drei Häusern. Dabei hat die Stadt ganz bestimmte Vorstellungen: Interessenten sollen ein schlüssiges Konzept zur Stärkung der medizinischen Versorgung vorlegen, etwa für ein medizinisches Versorgungszentrum oder ein Ärztehaus. "Wir wollten damit erst an die Öffentlichkeit, wenn wir das Areal gänzlich haben", sagt der Bürgermeister auf Anfrage.
Zunächst kaufte die Stadt das zwar hohe, aber nur rund fünf Meter tiefe Haus mit Balkon (Wagler-Haus), das in der Mainstraße von außen an die Stadtmauer angebaut ist. 2018/19 dann kam das Sitzmann-Haus in der Obertorstraße, das zu beiden Seiten der Stadtmauer steht, hinzu. Und dieses Jahr nun das dritte Gebäude, das Rottmann-Haus, das hinter dem Sitzmann-Haus von innen an und auf die Stadtmauer gebaut ist.
Dass durch dieses Ensemble die Stadtmauer verläuft, weiß ein Uneingeweihter gar nicht. Und sie ist auch nur noch zum Teil erhalten. Das Sitzmann-Haus besteht, wie man bei einem genaueren Blick sieht, aus zwei Teilen und hat zwei verschiedene Dächer. Früher waren es tatsächlich zwei Häuser mit zwei Kellern. Der dort aufgewachsene und heute über 90-jährige Julius Sitzmann hat der Redaktion vor wenigen Jahren erzählt, dass ab etwa 1963 die beiden Häuser verbunden wurden und dafür auch die Stadtmauer durchbrochen wurde.
Jetzt ist laut Peter Interwies vom städtischen Bauamt klar: Egal, was passiert, ob die vorhandenen Gebäude, was wahrscheinlich ist, abgebrochen werden und ein großes neues Gebäude entsteht oder nicht – die Stadtmauer muss erhalten bleiben. Das habe auch das Landesamt für Denkmalpflege noch einmal bestätigt. So etwas könne auch ganz schön werden, man könnte sie etwa freilegen und hinter Glas zeigen, meint Interwies.
Bürger zeigten Interesse an Grundstücken, aber Stadt will ein Konzept
Er habe auch schon von Bürgern anfragen bekommen, die Interesse hätten, eins oder mehrere der Häuser zu kaufen, sagt der Bauamtsmitarbeiter und stellt klar: "Wir wollen keine Häuser verkaufen, sondern wollen ein Konzept erhalten." Das Vorhaben solle die Innenstadt weiterentwickeln. Bei einem der Gebäude habe die Stadt von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht, bei den anderen seien es "langwierige Verhandlungen" gewesen, berichtet er. Ein Konzept sei nun das Allerwichtigste. Denkbar wäre auch eine Kombination aus Gewerbe- und Wohnnutzung mit einer dominierenden medizinischen Nutzung.
Vermutlich werde ein zu bildendes Gremium aus Mitarbeitern des Rathauses und Stadträten über die eingegangenen Konzepte beraten. Die entscheidenden Kriterien sind laut Ausschreibung: Qualität des Konzepts, städtebauliche Ziele, Energieeffizienz, Denkmalschutz, Erfahrung des Interessenten und die Höhe des Verkaufserlöses. Die Ausschreibung läuft bis Ende September.
Könnte die Stadt ein solches Projekt nicht auch selbst in Angriff nehmen? "Ausgeschlossen ist gar nichts", sagt Interwies, nur die Finanzen müssten dafür vorhanden sein. Bei einer Bebauung müsste sich ein Interessent an die Bestimmungen des Bebauungsplans "Altstadt vor der Stadtmauer" halten, der von der Scherenbergstraße bis zum Koppen gilt. Demnach dürfte ein neues Gebäude bis zu drei Vollgeschosse haben.
Über den Kaufpreis hüllt sich Gemündens Bürgermeister in Schweigen
Ganz aus der Deckung will Bürgermeister Lippert aber weiterhin nicht. So verrät er nicht, was die Stadt für die drei Häuser gezahlt hat. Die Information, glaubt er, könnte die Chancen auf dem Markt schmälern. Die Interessenten sollten auch eine Preisvorstellung angeben, aber auf jeden Fall sollten sie sich zunächst einmal melden. Klar ist für den Bürgermeister jedoch: "Verschenken dürfen wir nichts."