Egal ob gebrannte Mandeln, Schokofrüchte, Pommes Frites, Flammkuchen, Asiatisches oder die Bratwurst im Brötchen: Wer in diesem Sommer hungrig auf die Laurenzi-Messe nach Marktheidenfeld kam, konnte aus dem Vollem schöpfen. Klar ist aber auch: Selbst an den besten Messe-Tagen bleiben an einem Essensstand am Abend Lebensmittel übrig.
Vieles davon wird normalerweise weggeworfen – nicht so 2022. Gleich am ersten Messe-Tag verteilte die Foodsharing-Gruppe Main-Spessart Flyer an alle Stände, an denen Lebensmittel verarbeitet wurden. Die Ehrenamtlichen der Foodsharing-Organisation haben angeboten, bei Messeschluss zwischen zehn und halb elf Uhr abends vorbeizukommen und abzuholen, was normalerweise in den Müll wandert.
"Es haben fast alle Stände mitgemacht", erzählen die beiden Foodsharing-Botschafterinnen für Main-Spessart, Denise Sendelbach und Ulrike Bamberger im Nachgang der Aktion. Neben Früchten, Fisch, Popcorn, Brezeln oder Salami holten sie unter anderem auch säckeweise geschältes Gemüse vom Demonstrationsstand des Gemüsehobels ab. Am Ende der Laurenzi hätten viele gesagt, dass sie sich freuen würden, wenn sie die Abhol-Aktion nächstes Jahr wieder machen würden.
Dabei geht es den Lebensmittel-Schützern in erster Linie darum, Lebensmittel vor dem Müll zu retten. Das langfristige Ziel der bundesweiten Foodsharing-Gruppe, die sich als bildungspolitische Bewegung versteht: Die Wegwerfkultur von Lebensmitteln und anderen Ressourcen zu vermindern. Gerettet werden dabei Lebensmittel aus privaten Haushalten und von Betrieben. "Wer es danach bekommt, ist uns im Prinzip egal", schildert Denise Sendelbach. Die Urspringerin ist bereits seit den Anfängen der Gruppe in Main-Spessart dabei. Damals hat sie diese zusammen mit Jennifer Ashley aus Marktheidenfeld koordiniert. Nachdem Ashley die Region verlassen hat, stieg Ulrike Bamberger aus Hafenlohr in die Leitung mit ein. Sie ist bereits seit 2018 dabei.
Rund 60 Foodsaver gibt es mittlerweile in Main-Spessart. Die meisten von ihnen haben feste Tage und Uhrzeiten, an denen sie Lebensmittel bei den Betrieben abholen, die mitmachen. Laut den beiden Botschaftern können das gerne noch mehr sein. Neben den spontanen, einmaligen Abholungen sind es derzeit sechs feste Betriebe, die die Foodsaver anfahren. Vor allem im Raum Marktheidenfeld sind die Geschäfte aber noch zurückhaltend. "Wir freuen uns über jeden, der mitmacht, egal ob Tankstelle, Bäcker, Supermarkt, Hofladen oder Bauer", so Bamberger.
Wichtig ist den Foodsavern, dass Foodsharing keine Konkurrenz zur Tafel ist. "Die Tafel hat immer Vorrang, wir nehmen nur das, was dort nicht genommen wird", sagt sie. Zudem hole die Tafel nicht an allen Tagen der Woche, die Foodsaver schon. Kommt es zur Zusammenarbeit mit einem Unternehmen erklärt Sendelbach die Details: Zum Beispiel, dass die Betriebe aus der Haftung raus sind, sobald die Produkte von Foodsharing abgeholt werden. Um die Kühlkette bei verderblichen Lebensmitteln einzuhalten, hat die Initiative extra Kühlboxen und Kühlschränke angeschafft.
Foodsharing lebt vom persönlichen Engagement
Trotzdem lebt Foodsharing auch vom persönlichen Engagement. So muss auch mal als Zwischenlager die eigene Kühltruhe oder die Garage herhalten. Manchmal sind auch spontane Lösungen gefragt. So durfte Ulrike Bamberger kürzlich rund 20 Kilo geschälte Kartoffeln abholen. Das, was sie in der Kürze der Haltbarkeit nicht weitergeben konnte, verkochte sie dann selbst zu vielen Töpfen Kartoffelsuppe.
An welcher Stelle und in welchen Mengen die geretteten Lebensmittel von den Gruppenmitgliedern abzuholen sind, wird meist über WhatsApp kommuniziert. In der Regel sind das Produkte wie Brot oder Brötchen, Gemüsepackungen, in denen ein Produkt faul ist oder Lebensmittel, die kurz vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatum sind und deswegen raus müssen, oft beispielsweise Babynahrung.
Leute sind beim Mindesthaltbarkeitsdatum entspannter
Das zunehmende Interesse der Menschen an der Gruppe führen Sendelbach und Bamberger auf mehrere Gründe zurück. So seien die Leute beim Mindesthaltbarkeitsdatum entspannter als früher und hätten weniger Bedenken, wenn etwas kurz abgelaufen ist. Aber auch die generellen Preissteigerungen und die Konflikte in der Welt spülen ihnen mehr Anhänger zu. Zuletzt sei auch der Nachhaltigkeitsgedanke präsenter als früher.
Mittlerweile aber werden bleiben auch in den Supermärkten Produkte rund um das MHD länger stehen und werden vergünstigt angeboten. Ebenfalls für die Lebensmittelrettung gedacht, ist die aus Dänemark stammende "Too good to go"-App. Restaurants, Bäckereien oder Supermärkte bieten ihr überschüssiges Essen dort zu einem vergünstigten Preis an, zu dem es dann abgeholt werden kann. Laut den beiden MSP-Foodsaverinnen sei das aber keine Konkurrenz.
Sie freuen sich über jeden, der mitmacht -egal, ob als Foodsaver oder als Betrieb. Und wenn dann nach einer Abholung doch mal was übrig bleibt? "Bevor ein Foodsaver etwas wegschmeißt, bekommen es die Hühner", erklärt Ulrike Bamberger und lacht.