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Waldzell
Kartoffelbetrüger durfte Tomaten verkaufen, aber nicht als "bio"
Wann darf man landwirtschaftliche Produkte aus dem eigenen Garten als "bio" oder "öko" anbieten? Die Begriffe sind in Europa streng geschützt.
Von Privatmann angeboten als Bio-Kartoffeln, an die Lohrer Tafel abgegeben: 500 Kilogramm im Lieferwagen der Lohrer Tafel (Anm. der Redaktion: In einer früheren Version hieß es fälschlicherweise 500 Zentner).
Foto: Hubert Beck | Von Privatmann angeboten als Bio-Kartoffeln, an die Lohrer Tafel abgegeben: 500 Kilogramm im Lieferwagen der Lohrer Tafel (Anm. der Redaktion: In einer früheren Version hieß es fälschlicherweise 500 Zentner).
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:02 Uhr

Was der Kartoffelbetrüger in Waldzell mit den Kartoffeln gemacht hat, nämlich gekaufte herkömmliche Kartoffeln als Bioware anzubieten, ist wohl als Betrug zu werten. Erst später kam durch Recherchen heraus, dass derselbe Mann auch Tomaten anbot. Nach Auskunft der Polizei baut der Mann im eigenen Garten tatsächlich Tomaten an, weswegen er auch "Tomaten vom Erzeuger", wie in einer Anzeige zu lesen, verkaufen dürfe. Was er allerdings nicht dürfe, sei, diese als Bioware anzubieten, wie er es in einer weiteren Anzeige tat – selbst dann nicht, wenn er sie tatsächlich ökologisch angebaut habe.

Wir haben beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Karlstadt nachgefragt, wer Bioware anbieten darf und welche Vorschriften es dabei gibt. Bernhard Schwab, neuer Bereichsleiter Landwirtschaft am AELF und zuvor Mitarbeiter des Fachzentrums und der Akademie Ökolandbau Bamberg, teilt mit, dass  Lebensmittel und Futtermittel mit dem Hinweis oder der Zusatzbezeichnung "öko" oder "bio" nur dann in Verkehr gebracht werden dürfen, "wenn ihre Erzeugung und Verarbeitung der derzeitig gültigen EG Öko-Verordnung entspricht und das in Verkehr bringende Unternehmen durch eine zugelassene Kontrollstelle zertifiziert wurde". Der Mann hätte also eine Zertifizierung für seine Tomaten gebraucht, denn die Vorschrift gilt auch für Kleingärtner, die etwas aus dem eigenen Garten als "öko" oder "bio" vermarkten wollen.

Wann Gemüse oder Obst als "bio" oder "öko" verkauft werden darf

Die bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising führt näher aus: "Lebensmittel dürfen erst dann als Öko-Lebensmittel in Verkehr gebracht werden, wenn das Unternehmen einen Kontrollvertrag abgeschlossen und sich einer Kontrolle unterzogen hat. Das gilt beispielsweise auch, wenn pflanzliche Erzeugnisse, wie z.B. Gemüse, Obst, Nüsse etc., die weder gedüngt noch chemisch behandelt worden sind, vermarktet werden sollen."

Die Begriffe "öko" und "bio" sind laut Landesanstalt EU-rechtlich geschützt, ein Verstoß gegen die Vorschriften der EG-Öko-Verordnung kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Die Pressestelle der Landesanstalt weist auf Anfrage aber darauf hin, dass statt der geschützten Begriffe natürlich Umschreibungen wie "nicht gespritzt" verwendet werden dürfen.

Selbst angebaute Erzeugnisse dürfen verkauft werden

Generell, so Bernhard Schwab vom AELF, dürfen "Nichtlandwirte" ihre selbst angebauten Erzeugnisse natürlich verkaufen, nur nicht so einfach mit der Zusatzbezeichnung "bio" oder "öko". Laut Frauke Beck, Pressesprecherin des Landratsamts Main-Spessart, fällt landwirtschaftliche Tätigkeit unter den Begriff Urproduktion und stellt kein Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften dar. Beck: "Als Urproduktion sind alle Tätigkeiten anzusehen, die der Gewinnung so genannter roher Naturprodukte dienen. Zur Urproduktion gehören Aufbereitungsarbeiten, wie Reinigung, Zurichtung, Be- und Verarbeitung der selbstgewonnenen Erzeugnisse für den Verkauf. Der Verkauf muss an der Urproduktionsstätte stattfinden." Eine Erweiterung des Warenangebotes durch geringfügige Zukäufe in einer Menge von bis zu zehn Prozent der eigenen Produkte werde durch die Rechtsprechung geduldet.

 
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    Die Kontrolle und Zertifizierung von Bio-Lebensmitteln ist besonders für den Landwirt/Gärtner mit Kosten und hohem bürokratischen Aufwand verbunden, aber was ist die Alternative, wenn die Produkte nicht nur ab Hof, sondern auch über Wiederverkäufer, Einzel- und Großhandel vermarktet werden sollen? Und selbst wenn ich den Landwirt persönlich kenne, sehe ich dem Produkt nicht an, ob es nach den Bio-Richtlinien hergestellt wurde. Oft haben Klein-Gärtner und Hobby-Erzeuger auch ihre eigenen Vorstellungen, was bio ist und was nicht. Eine Zertifizierung stellt in den allermeisten Fällen sicher, dass man auch tatsächlich ein Produkt erhält, das unter den gewünschten Bedingungen angebaut wurde. Mehr Infos findet man unter www.oekolandbau.de.
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  • H. S.
    @2016...so einfach ist es nicht.....Der Aufkleber ist gleich draufgepappt! Hier kann man das vielleicht noch verfolgen, aber was ist mit Bananen, oder andere Früchte die nicht unbedingt bei uns angebaut werden? In den armen Ländern sind die meisten korrupt, von daher bekommt man immer "Bio", wenn man dafür bezahlt....wer was anderes glaubt, glaubt auch an den Osterhasen grinsen
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  • C. H.
    So einfach geht Bio.
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