Dass die Jugendherberge Lohr so unmittelbar von der Schließung bedroht ist, wie das Jugendherbergswerk am Dienstag in einer Pressemitteilung erklärte, das hat auch der ehemalige Herbergsvater Jürgen Goldbach nicht kommen sehen. Klar, das Haus habe durch Corona jetzt schon ein dreiviertel Jahr leer gestanden, die Austattung sei nicht die modernste und und Lohr sei eben auch keine Großstadt. Trotzdem habe er damit gerecht, dass solche Entscheidungen nicht getroffen werden, während das Land noch mitten in der Pandemie steckt.
Goldbach war von 2017 bis November 2019 Leiter der Jugendherberge, jetzt leitet er die Touristinformation in Lohr. "Nachdem ich dreieinhalb Jahre Herzblut in den Aufbau der Jugendherberge gesteckt habe, war die Nachricht von der Schließung ein herber Schlag", sagt er im Gespräch mit der Redaktion. Ab 2015 war die Herberge zwei Jahre als Flüchtlingsunterkunft genutzt worden, 2017 hatte der Herbergsverband zuletzt Geld in Renovierungen investiert. Die Übernachtungszahlen lagen 2018 bei 6000, für 2020 waren vor Corona bereits gut 8000 Übernachtungen gebucht worden. "Wir waren da auf einem guten Weg", so Goldbach. "Um den Betrieb wieder nachhaltig aufbauen zu können, hätte man sich nach 2017 mindestens fünf Jahre Zeit geben müssen", lautet seine Einschätzung.
In der Pressemitteilung des Jugendherbergsverbands heißt es, Corona sei lediglich der "Katalysator" gewesen. Die "kritische wirtschaftliche Entwicklung" habe sich bereits "in den letzten Jahren abgezeichnet". Die Auslastung der Herberge sei in den letzten Jahren im Normalbetrieb gering gewesen, erläutert der Verband auf Nachfrage der Redaktion. Dieser Passus hat Golbach überrascht, ebenso wie die Aussage, dass in der Region Lohr eine "Überkapazität bei Beherbergungsbetrieben" geben. "Als Leiter der Touristinfo kann ich sagen: Lohr braucht diese Betten." 604 Hotelbetten gibt es in Lohr insgesamt, 96 davon stehen in der Jugendherberge.
Auf Anfrage heißt es aus der Geschäftsstelle des Jugendherbergswerks, nehme man alle Hostels, Schullandheime, Jugendbildungsstätten, kirchliche Tagungshäuser und anderen DJH-Jugendherbergen in Rothenfels, Bad Kissingen, Würzburg und Schweinfurt zusammen, komme man im Raum Main-Spessart auf über 20 Häuser, die sich im selben Segment wie die Jugendherberge Lohr befinden.
Möglichkeit für Low-Budget-Reisende fällt weg
Was Goldbach besonders schmerzt: "Mit der Jugendherberge fällt eine Übernachtungsmöglichkeit für die weg, die sich ein Vier-Sterne-Hotel nicht leisten können." Neben Schulklassen aus der Grundschule und Unter- bis Mittelstufe seien in der Jugendherberge viele Familien, Wanderer und Radreisende eingekehrt. Zuletzt hätten auch immer mehr Tagungen im Haus stattgefunden, so Goldbach. Nach Auskunft der DJH-Geschäftsstelle war das jedoch nicht genug: Das Haus hänge überproportional von Klassenfahrten ab und habe nur unterdurchschnittlich viele Familien- und Seminargruppenübernachtungen zu verzeichnen, so ein Verbandssprecher. Das sei vor allem dem einfachen Ausstattungsstandard geschuldet ist.
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, Ende Februar soll bei der Präsidiumssitzung des Deutschen Jugendherbergswerks eine endgültige Entscheidung fallen. Goldbach hofft, dass der Tendenzbeschluss bis dahin vielleicht noch gekippt wird. "Oder dass ein Investor das Haus übernimmt, der es in gleicher Art weiterführt."