In normalen Jahren hat die Jugendherberge auf der Burg Rieneck rund 25 000 Übernachtungen. Doch in Zeiten von Corona sieht das völlig anders aus. Schon vor dem November-Lockdown sind die Besucherzahlen rapide eingebrochen. Rund 300 Übernachtungen hatte die Burg noch im September, im Oktober waren es deutlich weniger und derzeit liegt die Zahl bei Null. "Wenn nicht zum Sommer das volle Geschäft wieder laufen kann, sind wir in unserer Existenz bedroht", sagt Geschäftsführer Pit Kallmeyer. Träger der Jugendherberge ist das Bildungs- und Erholungswerk Burg Rieneck.
Alleine durch die Diskussion um einen möglichen Lockdown hätten viele Gruppen im Oktober "kalte Füße" bekommen und "im vorauseilenden Gehorsam" abgesagt, teilweise noch am geplanten Tag der Anreise, berichtet Kallmeyer. Ein großes Problem dabei: Oft buchen sich große Gruppen wie Schulklassen, Konfirmandenfahrten oder Jugendorganisationen auf der Burg ein. Kallmeyer: "Wenn einer absagt, steht die Hütte leer." Er verstehe, dass es die Aufgabe der Politik ist, vor der Gefahr durch das Virus zu warnen und die Leute zum Abstand zu mahnen. "Doch die Verunsicherung der Menschen ist, was uns zu schaffen macht."
Burg braucht kommendes Jahr mindestens 50 Prozent ihrer normalen Einnahmen
Immerhin habe man ein Hygienekonzept entwickelt, um ausreichend Abstand zu gewährleisten. "Das hat im Sommer wunderbar funktioniert. Aber plötzlich soll das nicht mehr gehen...", wundert sich Kallmeyer. Die Jugendherberge Burg Rieneck brauche kommendes Jahr mindestens 50 Prozent ihrer normalen Einnahmen. Ansonsten werde es schwierig, die in diesem Jahr aufgenommen Schulden zu zahlen. Gerade bestehe die Gefahr, das erste Halbjahr 2021 wieder zu verlieren, sagt Kallmeyer. Es gebe bereits Stornierungen bis Ende März. "Was wir an guten Aussichten hatten, wird gerade zerstört."
Aber erhält die Burg Rieneck keine Unterstützung vom Staat? Ein schwieriges Thema. Für den Rettungsschirm für Jugendherbergen habe man zum Beispiel eine Absage erhalten, berichtet Kallmeyer. "Das bezeichne ich als Skandal." Die Begründung sei gewesen, dass die Burg Rieneck nicht zum richtigen Verband gehöre. Denn sie ist weder Mitglied im Deutschen Jugendherbergswerk (DJH) noch beim Bayerischen Schullandheimwerk oder bei den Bildungsstätten des Bayerischen Jugendrings – und nur diese hätten Fördermittel erhalten.
Nur ein "Trostpflaster" für Jugendherberge in Rieneck
Die Jugendherberge in Rieneck gehört laut Kallmeyer lediglich zu "einem losen Club evangelischer Häuser" und wird daher nicht gefördert. Rund 60 Häuser in Bayern befänden sich in einer vergleichbaren Situation, schätzt er. Dabei machen diese "den gleichen Job" wie die geförderten Herbergen. Als "Trostpflaster" habe man schließlich noch zehn Prozent der beantragten Summe aus einem Hilfsprogramm für sogenannte kleine Träger erhalten. "Das ist ein Witz", findet Kallmeyer.
Mehr Hoffnung setzt der Geschäftsführer der Burg Rieneck in die Novemberhilfen. Langfristig sieht er aber nur einen Ausweg: "Wir können uns nur retten durch Belegung, Belegung, Belegung." Man wolle die Krise unbedingt bewältigen. Dafür sei es jedoch wichtig, dass die Politik zukünftig klare Ansagen macht und sich beeilt beim Impfen.
Rothenfels: Ferienprogramm für Familien als Kompensation
Erleben andere Jugendherbergen im Landkreis Main-Spessart die Corona-Zeit genauso dramatisch? "Die Auslastung war sehr schlecht in diesem Jahr", berichtet Susanne Stöhr, Wirtschaftliche Leitung der Jugendherberge Burg Rothenfels. Nur rund ein Drittel der Besucher eines normalen Jahres habe die Burg heuer empfangen.
Größere Gruppen wie Schulklassen oder Musikvereine seien fast komplett weggefallen. Das übrige Drittel an Besuchern besteht zum einen aus den Teilnehmern von Tagungen aus dem hauseigenen Bildungsprogramm, das in reduzierter Form stattfinden konnte, zum anderen aus Einzelgästen, wozu auch Familien zählen. Für Letztere gab es dieses Jahr ein zusätzliches Programm mit Aktionen für Kinder. "Das hat ein bisschen geholfen, aber natürlich nur in der Ferienzeit", so Stöhr.
Bisher kein Corona-Fall auf Burg Rothenfels
Neben Fördertöpfen helfe gerade die Kurzarbeit sehr während der Pandemie, sagt Norbert Keusen, Schatzmeister des Trägervereins, Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels. "Das macht es uns möglich, die Krise in diesem Jahr zu überstehen." Die Burg habe immerhin eine Belegschaft von 38 Personen. Er und Stöhr plädieren dafür, das Verbot von Schulfahrten möchlichst bald wieder zurückzunehmen. "Abgesehen von wirtschaftlichen Aspekten darf man auch nicht unterschätzen, wie wichtig es für Kinder und Jugendliche ist, mal eine Auszeit von der Schule zu nehmen und außerhalb des Unterrichts etwas zusammen zu erleben", sagt Keusen.
Susanne Stöhr betont, dass man ein "erfolgreiches Infektionsschutzkonzept" erarbeitet habe. Das reiche von an Gruppengrößen angepassten Sitzordnungen im Speisesaal bis hin zur obligatorischen Ausstattung mit Desinfektionsmittel in öffentlichen Gebäude. Vorteilhaft sei auch die Größe der Tagungsräume. Im ganzen Jahr habe man keinen Corona-Fall auf der Burg gehabt, weder bei den Gästen noch bei der Belegschaft. "Ich glaube, dass man das auch bei Schulklassen anwenden kann."
Die DJH Jugendherberge Lohr hat derzeit geschlossen – genauso wie die meisten anderen Häuser des Verbands in Deutschland. Wenn es gelinge, dass man aktuell beantragte Fördergelder tatsächlich erhalte, sei die Liquidität des Verbands für das erste Halbjahr 2021 gesichert, berichtet der DJH-Sprecher Marko Junghänel. "Im Moment gehen wir nicht davon aus, dass wir bedingt durch Corona eines unserer Häuser dauerhaft schließen müssen." Auf Seiten des DJH Bayern glaube man, dass die Politik verstanden habe, dass Jugendherbergen dringend Hilfe brauchen.
Dass das DJH gemeinnützig ist, stellt den Verband laut Junghänel vor ein zusätzliches Problem in der Krise: "Anders als beispielsweise Hotelketten dürfen wir nur in einem sehr begrenzten Umfang Rücklagen bilden. Wir können nicht von der Substanz leben." Selbst wenn der Staat im Januar wieder den Betrieb erlauben würde, äußert der Verbandssprecher Bedenken, ob das wirklich eine Rückkehr zur Normalität bedeuten würde. Schließlich wären Eltern und Schüler auch dann vermutlich nicht für eine Unterbringung in Mehrbettzimmern bei Schulfahrten. Junghänel: "Da ist das Konzept Jugendherberge hinderlich."