
Diesen Aufruhr hat er nicht gewollt. Deshalb outet sich der Sprayer, dessen Graffito viele Lohrer als Kindersoldaten interpretierten und diskutierten. Nicht jedem gefiel das Kind, das mit einem Gewehr auf einen Vogel zielt. Kritiker erlaubten sich gar, das Graffito an einer Abbruchwand zu ergänzen, zu verwandeln und damit zu kommentieren.
„Das macht mich ein bisschen traurig“, sagt JPS. Ja, Jamie Paul Scanlon war es, der die Ziegelwand mit Schablone und Sprühdose verzierte. Jener Brite, der zusammen mit seiner Freundin Stefanie Höfling – ganz offiziell – die lebensecht wirkenden, vielbewunderten Zwerge mit Schneewittchen an die Mauern des Kaibachufers gezaubert hat.
Das Datum war reiner Zufall
„Ich will den Menschen eine Freude machen“, sagt der 40-Jährige, der sich in seiner Heimat als Sprayer schon einen Namen gemacht hat. In Lohr aber erfreute Scanlons schwarzer Schütze nicht jeden. Dieser erinnert an einen afrikanischen Kindersoldaten – zumal er just am 12. Februar gesprüht wurde, dem Internationalen Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten. Doch dieses Datum ist reiner Zufall, gesteht JPS im Gespräch mit der Redaktion.
Ihn, der vor eineinhalb Jahren zu seiner Freundin Stefanie Höfling nach Steinfeld umgezogen ist, hat etwas ganz anderes animiert: Das Loch in der Dämmschicht der Ziegelmauer, das wie ein Vogel aussieht. Der Künstler, der einen Blick für ungewöhnliche Details hat, sinnierte lange.
Wie JPS auf das Gewehr kam
Einen Fotografen den Vogel in den Fokus nehmen zu lassen, hätte nicht funktioniert, meint er. „Keiner hätte hochgeschaut.“ Für einen Jungen mit Steinschleuder, der auf das Loch zielt, fand er keine Vorlage. So sei er auf den zielenden Schützen gekommen.
Dass es im Spessart viele Hochsitze gibt, also auch viele Jäger, ist ihm nicht entgangen. Auch hat er im Fasching Kinder gesehen, die als Cowboy oder Polizist mit Spielzeugwaffen unterwegs waren. Dies, so erzählt er im Gespräch mit der Redaktion, habe ihn schließlich zu dem Graffito inspiriert. Wobei es schwierig gewesen sei, ein Bild zu finden, auf dem der Schütze im richtigen Winkel auf den Mauer-Vogel zielt.
„Es war wohl ein Fehler“, bedauert er heute. Er habe nur das Augenmerk auf das skurrile Loch in der Wand lenken, die Leute unterhalten wollen.
In seiner Heimat durchaus geschätzt
In seiner Heimatstadt Weston-super-Mare im Westen Englands (Nähe Bristol) hat der 40-Jährige rund 30 Graffiti gesprüht, zehn davon sogar mit Genehmigung oder im Auftrag. Denn seine Werke wurden dort so beliebt, dass die Stadt sogar einen Plan aufgelegt hat mit einer Route, die zu seinen Kunstwerken führt.
Ähnliches könnte sich JPS sogar in Lohr vorstellen. Nicht nur die liebenswerten Zwerge am Kaibachplatz mit ihren naturalistischen Gesichtern zeugen von seinem Ideenreichtum und seiner handwerklichen Klasse. In Partenstein durfte er die Mauer eines Privatanwesens mit einem Skateboard fahrenden Jungen aufpeppen. Und auch im Wald hat er hie und da schon Spuren hinterlassen: eine Eule, die scheinbar auf einem dünnen Ast einer dicken Buche sitz, ein Kletterer, nur wenige Zentimeter groß, der sich die Rinde empor hangelt ...
Wo ist der Baum mit der Eule?
Es habe schon Leute gegeben, die gefragt haben, wo diese zu finden seien, freut sich JPS. So könne man Neugierige in den Wald locken oder auch durch die Stadt lotsen. Wobei er sich durchaus auch auf das Sprühen fast unscheinbarer Miniatur-Graffiti versteht. Er würde sich über Aufträge ebenso freuen wie über Hinweise, wo er ganz legal seinen künstlerischen Trieb ausleben kann.
Natürlich: Die meisten Sprayer weltweit agieren inkognito, arbeiten nachts ohne Erlaubnis, sicher auch hie und da zum Ärgernis der Eigentümer der besprühten Wand. Die Kritik, dies sei doch Sachbeschädigung, nimmt die Szene gelassen hin. Doch gilt in Deutschland gleichermaßen wie in England: „Wo kein Kläger, da kein Richter!“
Schmunzeln beim Eigentümer
Im Falle des Lohrer Vogelschützen wusste auch JPS, dass die Brauerei-Gebäude demnächst abgerissen werden. „Die Abbruchanzeige liegt beim Landratsamt“, bestätigt Matthias-Marcus Wanner vom neuen Eigentümer, der KRE AssetManagement GmbH & Co. KG aus Bamberg. Laut Zeitplan rechne er mit der Abbruchgenehmigung bis zum 29. März, also vor Ostern. Von dem Graffiti hat er natürlich auch Wind bekommen. Die Reaktion: „Es hat für Schmunzeln gesorgt.“






