Jessica Klug wechselt von der Monarchie in die Demokratie: Vor fünf Jahren war die damals 20-Jährige als Mirbellenkönigin im Landkreis Miltenberg unterwegs, heute besucht sie auch Orte in Main-Spessart als Bundestagskandidatin der Freien Wähler. "Während der Schulzeit habe ich mich wenig für Politik interessiert", gibt sie heute offen zu. Das Jahr als Mirabellenkönigin habe das verändert.
Als Königin saß sie bei Volksfesten und Eröffnungsfeiern mit Bürgermeistern und Landräten an einem Tisch. "Da habe ich gemerkt – die interessieren sich für mich, die sind gar nicht so weit weg von mir." Bis dahin sei Politik für sie nicht greifbar gewesen. Klug war damals mitten im Studium in Passau, hatte Heimweh nach ihrem Heimatort Obernburg. "Da entstand ganz langsam der Wunsch, mich in Obernburg politisch zu engagieren."
Klug: Bundespolitik muss schneller in Kommunen ankommen
Der Vater war lange Jahre bei den Freien Wählern, sie selbst schätze den "kommunalen Bezug" und die "Unabhängigkeit vor Ort", sagt Klug, deshalb trat sie ein. Inzwischen ist sie stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Freien Wähler, Geschäftsführerin der FW im Landkreis Miltenberg, arbeitet hauptberuflich in der Geschäftsführung der FW-Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz, ist Kreisrätin und Dritte Bürgermeisterin von Obernburg – und geht als Direktkandidatin in Main-Spessart und Miltenberg in den Bundestagswahlkampf. "Das hätte ich vor fünf Jahren niemals gedacht, dass ich heute für den Bundestag kandidieren würde."
Sie sieht die Freien Wähler als Partei für den ländlichen Raum. "Kirchturmpolitk" nenne Parteichef Hubert Aiwanger das manchmal, Klug erklärt dazu: "Wir sind einfach froh, dass wir den Kirchturm und das Rathaus kennen, dass wir dort unseren Fokus haben." Auf Nachfrage stellt sie klar: Ihr gehe es nicht darum, auf alte Strukturen des Landkreises zurückzuschauen. "Als Stadträtin in Obernburg merke ich, dass Bundespolitik mehr im Ort ankommen muss", erklärt sie.
"Förderdschungel" muss neu strukturiert werden
Eines der ersten Themen, derer sie sich im Bundestag annehmen will, soll daher die Struktur von Fördermaßnahmen sein: "Bevor wir neue Projekte auflegen, sollte sich der Bundestag die Zeit nehmen, den Förderdschungel neu zu strukturieren." Sie bekomme mit, dass häufig Dinge nicht passieren, weil die Anträge kompliziert und die Verwaltungen überlastet seien. "Ich finde, Kommunen sollten einen größeren Topf bekommen, den sie selbst einsetzen können."
Emotional wird Klug beim Thema Verkehr: "Man kann zu den Menschen, die auf dem Land leben, nicht einfach sagen: Ihr müsst eure Autos abgeben für den Klimaschutz." Die Freien Wähler positionierten sich hier im Wahlkampf ganz klar gegen Verbote. "Wir wollen den Verbrenner nicht verbieten, sondern technologie-offen bleiben." Das E-Auto sähen die FW aktuell eher als Übergangstechnologie und wollten daher auch Investitionen in Wasserstoffautos fördern.
Eine klare Position hat sie auch zur B26n: Der Landkreis brauche die Straße, das sei die einhellige Meinung bei den Freien Wählern.
Klug sieht sich nicht als Karrierepolitikerin
Bei der Wahl zum Landrat hatten die Freien Wähler in Main-Spessart zuletzt kein Glück, Christoph Vogel verlor 2020 in der Stichwahl gegen Sabine Sitter (CSU). Dass die FW in Main-Spessart an Rückhalt verloren haben, glaubt Jessica Klug dennoch nicht. Der frühere FW-Landrat Schiebel habe unpopuläre Entscheidungen treffen müssen, die ein Landrat jeder anderen Partei wohl genauso getroffen hätte, glaubt Klug. "Das kann man dem Wähler aber schwer erklären." Sie gehe davon aus, dass die Wähler im Bundestagswahlkampf anders bewerten. "Wir haben weiter eine gute Basis in Main-Spessart."
Klugs Parteikollege Felix Locke forderte erst kürzlich, es müsse mehr Alltagshelden und weniger Karrierepolitiker im Bundestag geben – Klug fühlt sich von dieser Kritik aber nicht angesprochen. Sie habe schon einiges angepackt und sich auch die Hände schmutzig gemacht. "Mein Vater ist Maurermeister, ich habe viele Höfe im Landkreis Miltenberg gepflastert", erzählt sie. Sie meine es ernst mit dem Wahlkampf, das zeige auch ihr Engagement in der Lokalpolitik und bei den Jungen Freien Wählern. "Wenn der Bundestag die Gesellschaft widerspiegeln soll, dann brauchen wir mehr junge Menschen und mehr Frauen."
Wenig Privatleben neben dem Wahlkampf
Sollten die Freien Wähler die Fünf-Prozent-Hürde überspringen und erstmals den Einzug in den Bundestag schaffen, dann ist Jessica Klug ziemlich sicher mit dabei. Mit Platz sechs auf der Landesliste kann eigentlich nicht viel schiefgehen. Erste Amtshandlung: Mit dem Lastenrad, mit dem sie aktuell durch die Landkreise tourt, will sie dann nach Berlin radeln.
Wenn sie in Berlin nicht gebraucht wird, will sie so oft wie möglich in Main-Spessart und dem Miltenberg-Kreis sein, nah an den Menschen, mit ihnen gemeinsam Lösungen erarbeiten. Wäre da nicht Landrätin der bessere Job für sie? Nein, sagt Klug, viele wichtige Themen würden eben im Bundestag entschieden.
Im Wahlkampf hat Klug ihr Privatleben zurückgestellt. Sie sei ein "Vereinskind", spielte die Querflöte im Musikverein, trainiert das Männerballett im Faschingsverein, besetzt viele Ehrenämter. Treu geblieben ist sie natürlich den Mirabellen: Vor kurzem erst hat sie die Nachwuchs-Organisation gegründet, die "Mirabellen-Jugend", und ein Mirabellen-Fest für zu Hause organisiert.