
Geladene Experten und Verantwortliche aus der Pflege haben sich kürzlich in Lohr über Lösungen für den Landkreis ausgetauscht. Könnte ein Modell aus Aschaffenburg auch in Main-Spessart funktionieren? Welche Weichen muss die Politik stellen, was können die Akteure vor Ort tun?
Landrätin Sabine Sitter leitete die Veranstaltung ein und wies dabei darauf hin, dass durch den demografischen Wandel "die Luft dünner" werde im Landkreis beim Thema Pflege. Im Anschluss an zwei Expertenvorträge betonte sie: "Wir müssen unsere Region attraktiv machen." Es brauche eine Willkommenskultur für internationale Fachkräfte, das Thema Gesundheit müsse als Wirtschaftsfaktor gespielt werden.
Weniger Kontrolle, mehr Assistenzsysteme und mehr Selbstständigkeit
Referent Andreas Westerfellhaus blickte in seinem Vortrag auf die Strategien für eine nachhaltige pflegerische Versorgung in der neuen Legislaturperiode. Von 2018 bis 2022 war er als Staatssekretär und Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung tätig. Einen kurzen Rückblick auf den Wahlkampf im Vorfeld der Bundestagswahl erlaubte er sich jedoch auch und kritisierte, dass "das Thema Gesundheit und pflegerische Versorgung so gar keine Rolle gespielt hat". Aus dem Publikum erntete er dafür Zustimmung.

Westerfellhaus wünscht sich einen Staatsministerposten für Gesundheit und Pflege "und zwar mit einer Person, die es kann, die weiß, wovon sie redet". Verschiedene Zukunftsideen, wie Strukturen im Pflegebereich seiner Meinung nach geändert werden müssten, bringt er ebenfalls an. Etwa, dass entbürokratisiert werden soll und statt der "Kontrollstruktur" eine "Vertrauenskultur" entstehen sollte. In der Dokumentation wünscht er sich Sprachassistenten und den Einsatz von Kameras mit Blick auf das Gangbild der Pflegebedürftigen zur Sturzprävention.
Pflegerinnen und Pfleger sollen aus seiner Sicht Diagnosen und therapeutische Entscheidungen treffen dürfen, in eigene Budgets verankern und Fachärzte hinzuziehen können. "Ohne eine qualifizierte Zuwanderung werden wir die Herausforderungen nicht stemmen können", sagt Westerfellhaus, warnt aber auch, dass Recruitingunternehmen für ausländische Fachkräfte teils nicht seriös seien. Die im Landkreis eingerichtete GesundheitsregionPlus lobt er: "Sie schöpfen mit solchen Impulsen unglaublich viel Kreativität."
Die Ausbildung im Verbund mehrerer Einrichtungen organisieren
Ein neues Modell in der Ausbildung von Pflegekräften stellte Referentin Ulrike Strobel vor. Sie ist die Leiterin der Bildungsakademie für Gesundheitsberufe in Aschaffenburg. In der Region ist der Ausbildungsverbund Pflege Stadt und Landkreis Aschaffenburg entstanden.
Dieser Verbund umfasst 40 Mitglieder, auch in Lohr, Frammersbach und im Landkreis Miltenberg. So können Einrichtungen in der Pflege leichter kooperieren. "Ich kann nur sagen: Es geht, machen!", sagt Strobel über das Modell.
Strobel nennt verschiedene Faktoren, die in ihrer Betrachtung den Verbund erfolgreich machen. Darunter etwa ein Pflegecamp, das Auszubildenden einen Einblick in verschiedene Einrichtungen ermöglicht, um herauszufinden, welcher Bereich nach der generalistischen Ausbildung passt.

Allgemein findet sie, dass nicht mehr in den Kategorien Altenpflege, Krankenpflege und Kinderkrankenpflege gedacht werden soll: "Der Beruf ist mit der Pflegeberufereform neu gedacht worden. Das müssen wir alten Hasen in die Köpfe bekommen. Wir werden alle gebraucht, an allen Stellen."
Sie hofft auf die Umsetzung des Gesetzesentwurfs für die einheitliche Ausbildung zur Pflegefachassistenz, um Karrierepfade von der Mittelschule aus anzubieten. Im Verbund besteht außerdem die Möglichkeit, die Pflegeausbildung in Teilzeit abzuschließen.
Sitter zufolge sollte die Veranstaltung einen Auftakt darstellen und dem Fachpublikum Impulse mitgeben. Inwieweit weitere Veranstaltungen folgen, konnte die Landrätin noch nicht konkret benennen.