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Gemünden
In psychischem Ausnahmezustand gehandelt: 29-Jährige vor dem Amtsgericht Gemünden freigesprochen
Die Frau hatte Polizisten beleidigt und Widerstand geleistet. Das Gericht erklärte sie allerdings für nicht schuldfähig.
Das Amtsgericht Gemünden.
Foto: Benjamin Brückner (Symbolbild) | Das Amtsgericht Gemünden.
Herbert Hausmann
 |  aktualisiert: 05.07.2024 02:44 Uhr

Mit einem Freispruch endete die Verhandlung gegen eine 29-jährige alleinerziehende Mutter aus dem Landkreis vor dem Amtsgericht Gemünden. Der Frau war vorgeworfen worden, im Dezember 2022 Polizeibeamte beleidigt, einen Beamten verletzt und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet zu haben.

"Es wird alles eingeräumt. Meine Mandantin befand sich zum Tatzeitpunkt in einem psychischen Ausnahmezustand", äußerte gleich zu Verhandlungsbeginn der Verteidiger der Frau. Wie sich dieser Ausnahmezustand gestaltete und wie er entstanden ist, erklärten die Angeklagte, ihr Vater sowie die in der Verhandlung anwesende psychiatrische Sachverständige.

Doch zunächst zum Tatgeschehen: Am 11. Dezember 2022 war die Frau hysterisch schreiend und nur im Schlafanzug auf der Straße vor ihrer Wohnung angetroffen worden. Nachbarn alarmierten die Polizei, die gleich mit mehreren Streifen anfuhr. Beim Eintreffen lehnte die Frau jede Hilfe ab, beschimpfte die Beamten und wehrte sich gegen jede körperliche Berührung. Dennoch gelang es ihnen, die Frau ins Treppenhaus zu bringen, wo ihr schließlich gegen ihren Widerstand Handfesseln angelegt werden konnten.

Medikamente ohne Absprache abgesetzt

Trotzdem wehrte sich die 29-Jährige weiterhin und kam erst etwas zur Ruhe, als die von ihrem Sohn gerufenen Eltern eintrafen. Daraufhin konnte die rebellierende Frau ins Bezirkskrankenhaus Lohr gebracht werden.

Rund zwei Jahre musste die Frau, die im Gesundheitswesen beschäftigt ist, wegen der Corona-Pandemie mit Schutzmasken und unter weiteren Sicherheitsauflagen arbeiten. Das habe sie stark belastet, zumal sie wegen einer psychischen Erkrankung Medikamente nehmen musste. Die vorgegebene Dosis hatte sie selbst reduziert und schließlich sogar abgesetzt. Die Folge war, dass sie drei Tage vor ihrer Tat schon nicht mehr schlafen konnte.

An dem Tag des Vorfalls habe sie dann das Gefühl gehabt, trotz geöffneter Fenster keine Luft zu bekommen. In Panik lief sie durch die Wohnung und schließlich auf die Straße, wo sie dann um Hilfe geschrien hat. An den Polizeieinsatz hat sie nur noch lückenhafte Erinnerungen. Aktuell sei sie medikamentös sehr gut eingestellt und auch ärztlich betreut, sagten die Angeklagte und ihr Verteidiger.

Ähnlicher Vorfall vor sieben Jahren

Im Jahr 2017 hatte seine Tochter einen ähnliche Anfall, der allerdings nicht so dramatisch verlaufen war, berichtete der 76-jährige Vater der Angeklagten. Es folgte eine erste Behandlung im Bezirkskrankenhaus Lohr mit anschließender Reha.

Einen "typischen wellenartigen Verlauf" dieser Krankheit, wie von der Angeklagten und deren Vater geschildert, bestätigte die psychiatrische Sachverständige in ihrem Gutachten. Auch die Aggressivität der Frau mit zunehmender Atemnot durch das Auftreten der Polizei sei verständlich. Aufgrund der Manie hielt sie die Angeklagte für die Zeit der Tat für schuldunfähig und plädierte für die Anwendung des Paragraphen 20 des Strafgesetzbuches.

Dem schlossen sich auch die Staatsanwältin und der Verteidiger an. "Es war eine Ausnahmesituation für die Angeklagte, bei der die Steuerungsfähigkeit komplett aufgehoben war", sagte die Staatsanwältin. "Sie hat ohne Schuld gehandelt."

Dementsprechend lautete dann das Urteil von Strafrichter Dr. Sven Krischker auf Freispruch. Das Urteil ist rechtskräftig.

 
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