Stefan Endrich war schon immer sportlich. Am liebsten spielt er Volleyball, geht Radfahren und schwimmen. Doch seit er aufgrund einer Nierenerkrankung eine Organspende bekommen hat, hat der Sport für den Karbacher noch einmal an Bedeutung gewonnen. Seit vielen Jahren tourt er unter anderem mit dem Rad durch ganz Deutschland, um auf das Thema aufmerksam zu machen, und engagiert sich in dem Verein Transdia, in dem Transplantierte und Dialysepatienten gemeinsam Sport machen. "Jeder sollte Sport machen, egal ob krank oder gesund – natürlich immer in dem Maß, in dem es einem guttut", findet Endrich.
Bereits 1988 hat er die Diagnose "nierenkrank" bekomme. Endrich war damals 26 Jahre alt, seine Frau gerade zum zweiten Mal schwanger. "Ich war dann an der Dialyse, das war eine sehr harte Zeit", erinnert Endres sich. "Ich dachte damals, in einem halben Jahr lebe ich nicht mehr." Sport zu treiben, habe ihn damals vor allem bei der Therapie unterstützt und er versuchte, so gut wie möglich für seine Familie da zu sein. Seine Frau ging arbeiten, er renovierte das in Karbach gekaufte Häuschen und übernahm einen Teil im Haushalt.
Mit Sport hält Endrich sich trotz Transplantation fit
Ein Jahr später, 1989, hat Endrich dann bei einer Transplantation seine erste Spenderniere erhalten, mit der er zwölf Jahre lang gut leben konnte. 2001 musste er jedoch wieder zur Dialyse, da sein Körper das Organ nicht mehr akzeptierte. Auf eine zweite Spenderniere musste er dann lange warten: Erst 2010 hat er erneut eine Niere von einem Organspender eingesetzt bekommen.
In dieser Zeit hat er zum Verein Transdia gefunden. "Bei uns geht es natürlich nicht um sportliche Höchstleistungen", sagt er. Vielmehr gehe es darum, sich fit zu halten und die Glücksgefühle, die beim Sport entstehen können, gemeinsam zu erleben. Denn Endrich ist dankbar, dass es ihm heute mit 62 und seiner zweiten Spenderniere gut geht – wenn auch mit kleinen Einschränkungen.
Diese Dankbarkeit will er auch mit dem Sport zum Ausdruck bringen. Jedes Jahr fährt er bei der "Radtour pro Organspende" mit, die schon seit 2007 von Transdia organisiert wird. In diesem Jahr sind die Radler in sieben Etappen von Heilbronn bis nach Erfurt gefahren und haben Station an verschiedenen Krankenhäusern gemacht. Einerseits wollen sie den Beschäftigten der Kliniken danken, ohne die eine Organspende nicht möglich wäre. Andererseits wollen sie mit ihrer Aktion möglichst viele Menschen dazu bewegen, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Über 400 Transplantierte waren bei der Europäischen Meisterschaft in Lissabon
Doch nicht nur in Deutschland ist Endres sportlich unterwegs, Ende Juli hat er an den Europäischen Meisterschaften für Transplantierte teilgenommen. Eine Woche lang haben sich in Lissabon rund 430 Sportlerinnen und Sportler aus 28 Ländern getroffen, die ein Spenderorgan erhalten haben. Endrich hat zum Beispiel Medaillen im Dart und Bowling geholt, auch im Hochsprung hat er sich versucht und gleich eine Silbermedaille abgestaubt. Im Vordergrund steht bei den Meisterschaften aber der Spaß und die Freude darüber, dass es den Transplantierten so gut geht, dass sie Sport machen können. "Das feiern wir immer mit einem großen 'Circle of Life', zu dem alle zusammenkommen", erzählt Endrich.
Im Austausch mit Organspende-Empfängern aus anderen Ländern bekommt Endrich immer wieder gespiegelt, dass in Deutschland im Vergleich sehr wenig Organe gespendet werden. "Viele fragen mich bei solchen Treffen, was denn bei uns in Deutschland eigentlich los ist und warum es bei uns so wenige Organspenden gibt", so Endrich.
8500 Menschen warten in Deutschland auf eine Organspende
Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation warten etwa 8500 Menschen auf ein Spenderorgan. Gleichzeitig wurden vergangenes Jahr nur rund 2800 Organe entnommen. Im Schnitt sterben jeden Tag drei Menschen, weil sie vergeblich auf eine Organspende warten. Endrich ist der Meinung, dass vor allem die gesetzliche Regelung zur Organspende schuld daran ist. Denn in Deutschland muss man sich aktiv für die Organspende entscheiden, zum Beispiel mit einem Organspendeausweis. In anderen Ländern herrsche oft Unverständnis für die deutsche Regelung, so sein Eindruck. In vielen anderen europäischen Ländern gelte dagegen eine Widerspruchs-Lösung. Wer seine Organe nach seinem Tod nicht spenden möchte, muss dem aktiv widersprechen.
Diese Regelung wünscht sich Endrich auch für Deutschland. Zwar ist im März ein neues Online-Register an den Start gegangen, in dem sich Organspender registrieren können. Das sei ein Schritt in die richtige Richtung, aber immer noch zu wenig, findet Endrich.
Mindestens so wichtig wie die Registrierung oder den Organspendeausweis findet Endrich, mit Familie und Freunden über die eigene Einstellung zu dem Thema zu reden. Denn wenn ein Mensch im Sterben liege und im Zweifel Verwandte über eine mögliche Organspende entscheiden müssten, sei die Situation meist viel zu emotional. Indem er seine Geschichte immer wieder erzählt, hofft Endrich auch andere Menschen dazu zu bewegen, sich für die Organspende zu entscheiden. "Nur dank der zweifachen Spende kann ich heute noch Ehemann, Vater und Opa sein", sagt er.