Die Gewächshausscheiben sind sauber gestapelt; ein geometrisches Muster aus Betonwegen weist auf die bisherige Nutzung des Grundstücks in Karlburg hin. Gärtnermeister Karl-Heinz Kübert (56) hat dieses freigeräumt, damit hier ein generationsübergreifendes Wohnprojekt entstehen kann.
"Der Standort wäre ideal", so Anna Steger. Das Grundstück liegt im Ortskern, hat den Main in der Nähe, ist nicht bedroht von Hochwasser und nicht weit von der Stadt entfernt. Die 65-jährige Rentnerin aus Karlstadt ist Teil der Gruppe, die sich unter dem Dach des Vereins Wohnen und Gemeinschaft Jung und Alt e.V. gegründet hat. Auch Jürgen Klein (64) aus Gemünden, erster Vorsitzender des Vereins, möchte Karlburg bald sein neues Zuhause nennen.
Dort fand sich die Gruppe aus Interessierten 2018 zusammen; heute sei man bereits einen großen Schritt weiter. Das Grundstück ist gefunden, der Notarvertrag in Vorbereitung. Die Behörden haben grünes Licht gegeben: Gespräche mit Landkreis, Stadt und Stadtwerken seien positiv verlaufen und auch der Stadtrat habe seine Unterstützung zugesichert. "Wenn nun noch ein paar Leute zu dem Projekt dazustoßen, geht es richtig los", freuen sich die beiden.
2025 könnten die Wohnungen bezugsfertig sein
Klein erklärt das weitere Prozedere: Die Planung für den Bau und die Gründung einer GBR könnte heuer abgeschlossen werden. Eine GBR sei nötig, um handlungsfähig zu sein; später werde diese in eine Genossenschaft umgewandelt. Die Genossenschaft werde auch Eigentümer des Grundstücks mit dem späteren Gebäude. "Diese", so Klein, "entspricht dem Grundgedanken der Gemeinschaftlichkeit." Außerdem ermögliche sie auch Menschen mit geringen finanziellen Mitteln den Einstieg. Im dem Fall kaufe man weniger Genossenschaftsanteile und zahle stattdessen mehr Wohngeld. Änderten sich die Lebensumstände, könne man Genossenschaftsanteile wieder zurückgeben. 2024 könnte es mit dem Bau losgehen, der 2025 abgeschlossen sein sollte.
Carsharing und Gemeinschaftsräume
Das Konzept für den ökologischen und barrierearmen Neubau sieht kleine Wohnungen vor. Durch ein Mobilitätskonzept mit Car-Sharing und Lastenrädern könnten Parkplätze eingespart werden. Dadurch werde kostengünstiges Wohnen und Leben möglich.
Ein Viertel der Wohnfläche werde später gemeinschaftlich genutzt. Hierfür steht ein alter Gewölbekeller und ein bestehendes zweigeschossigen Nebengebäude der ehemaligen Gärtnerei zur Verfügung. Dort sollen die Gemeinschaftsräume entstehen: Werkstatt, Fahrradraum, Gemeinschaftsküche. Auch ein großes Badezimmer mit Badewanne und ein Gästeraum sind möglich.
Es gäbe, so Klein, ein bestehendes Grundkonzept, das jedoch durch die Gruppe flexibel angepasst werden könne. Die Vorteile des Vereins seien außerdem die vorhandene Erfahrung und gute Vernetzung. Wer so ein Projekt verwirklicht sehen möchte, kann sich das Wohnprojekt in Oberdürrbach anschauen. Dort habe das Konzept seine Vorteile bereits sichtbar gemacht. Während die Kindergärten wegen Corona geschlossen waren, wurde in den Gemeinschaftsräumen die Betreuung der Kleinsten selbst organisiert.
Initiative durch die älteren – junge Menschen stoßen später hinzu
Dies zeige, so Steger, dass nicht nur ältere oder alleinstehende Menschen gewinnen. "Familien bekommen Unterstützung und profitieren vom Wissen der Älteren." Das Durchschnittsalter in den Wohnprojekten sei tatsächlich um die 35. Denn auch wenn meist ältere Personen das Projekt in Gang brächten, so stießen jüngere Menschen später hinzu. Daher sei es wichtig, einige größere Wohnungen einzuplanen. Eine modulare Holzbauweise schaffe die Voraussetzungen, um Wohneinheiten auch nach Fertigstellung flexibel an die Lebenslage der Bewohnerinnen und Bewohner anzupassen.
Einen weiteren Vorteil des Konzepts sehen die Karlburger Initiatorinnen in dem Wohnraum, der frei wird, wenn ältere Personen ihr Heim verlassen. Klein: "Es gibt viele Alleinstehende, die alleine in ihrem großen Haus sitzen." Ein Argument für das Bleiben sei meist der Mangel einer Alternative. Sei das neue Zuhause jedoch einzugsbereit, stehe einem Neuanfang oft nichts mehr im Wege. Davon profitierten dann junge Familien, die händeringend nach einem Einfamilienhaus suchten.
Verein bietet auch über den Bau hinaus Unterstützung
Der Prozess gemeinschaftlicher Entscheidungen, so weiß Steger, verläuft nicht immer reibungslos. Unterschiedliche Meinungen, Konsensfindung und Abstimmungen könnten Konflikte mit sich bringen. Hier biete der Verein Beratung und Unterstützung. Über das Wohnen hinaus gehören auch Veranstaltungen und Ausflüge zu den Aktivitäten. Und, so betonen Steger und Klein: "Wir sind keine geschlossene Gruppe, sondern möchten auch im Ort und in der Nachbarschaft unsere Idee leben und eine Plattform für nachhaltige Initiativen bieten." Ein Repair Café, Werkzeugverleih und Tauschbörsen sollen auch das Miteinander des gesamten Stadtteilgebietes fördern.