Man steht etwas sprachlos da, wenn man den Verkaufsraum von Richard Scheiners Laden "Amethyst" in Hausen betritt. In allen möglichen Formen und Farben finden sich dort Edelsteine, Kristalle und Fossilien – seien es riesengroße aufgesägte Amethyst-Drusen aus Brasilien, Labradorit aus Madagaskar, der unter Licht leuchtet, als wäre er nicht von dieser Welt, oder – auch das gibt's – versteinerte Krokodil-Losung. Kleine Kinder verfielen beim Anblick der vielen bunten, meist geschliffenen Steine oft in andächtiges Schweigen, erzählt der 66-Jährige mit dem lustigen geflochtenen Zopf.
"Angefangen hat alles mit zwei Steinen in der Hosentasche", sagt Scheiner, der eigentlich aus Steinfeld stammt. 1990 habe ihm ein Orthopäde eine Operation an der Wirbelsäule empfohlen, die ihn nach Aussage des Arztes jedoch mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit in den Rollstuhl gebracht hätte. Die zwei Steine waren Botswana-Achate. Ein damals in Hausen wohnender Geologe habe ihm die wegen der ihnen nachgesagten Heilwirkung empfohlen. "Da habe ich die zwei Steine eingesteckt und war nie mehr bei einem Orthopäden", so der Mineralien-Sammler. Heute gibt Scheiner auch Seminare in Edelstein-Heilkunde und ist einer von zwei Mineralien-Händler in Unterfranken.
Mit der Suche nach Versteinerungen auf Äckern begann die "Sucht"
Scheiner, der bei Rexroth als Programmierer und Werkzeugmacher arbeitete, begann sich damals für Mineralien und Fossilien zu interessieren. Er stapfte über Äcker und fand bei Binsfeld Ammoniten (Ceratiten) und bei Zellingen versteinerte Baumstücke, in der Tongrube in Wiesenfeld holte er mit Hilfe einer Leiter Kristalldrusen aus der Wand, in ganz Deutschland und in Österreich klapperte er Steinbrüche ab. "Die ganze Sucht hat angefangen mit der Sucherei." Außerdem ging er auf Messen und kaufte, was ihm gefiel.
Seine Sammlung wurde immer größer, an Mineralien hatten es ihm vor allem Amethyste und Bergkristalle angetan. Irgendwann wollte er auch mal eine Druse haben. Als er 1998 auf einer Mineralienmesse in Stuttgart einen jungen Großhändler aus Madagaskar kennenlernte, begann er im Nebengewerbe mit dem Verkauf von Kristallen und Edelsteinen. Denn jetzt saß er "an der Quelle". Wenn wieder ein neuer 20- oder 40-Fuß-Container mit 40-Kilo-Kisten ankam, durfte er sie zuerst durchschauen und nehmen, was ihm gefiel. So kam es, dass ein Großteil seiner Steine aus Madagaskar stammen. "Ich kaufe immer noch am liebsten in Madagaskar, weil ich weiß, wer die findet und wer die schleift." So wisse er auch, wer das Geld kriegt. Das sei bei Steinen aus Brasilien anders.
Ein Freund aus Steinfeld habe einmal von einem Bekannten erzählt bekommen, dass Scheiner jetzt viele Steine habe. Der mochte das nicht glauben. "Ach, der Sprüchbeutel, der hat doch immer bloß Sprüch gemacht", habe der Steinfelder gesagt. Scheiner: "Dann war er mal bei mir gestanden und hat Augen gemacht." Wie die Kindergarten- und Schulkinder, die ihn regelmäßig besuchen kommen.
Richard Scheiner ging auf die großen Mineralienmessen
Zusammen mit dem Madegassen ging er fortan auf die großen Mineralienmessen in Hamburg, München oder die riesige im französischen Sainte-Marie-aux-Mines. Im Jahr 2000 kam er mit den Mineralien- und Fossilienfreunden Würzburg in Kontakt, deren Schatzmeister er heute ist. Außerdem veranstaltet er einmal im Jahr nun selbst eine Mineralien- und Fossilienbörse in Würzburg. Inzwischen geht er nicht mehr auf die großen Messen, sondern verkauft mit seiner Frau Gabriele auf kleineren Börsen in der Gegend und auch auf Weihnachtsmärkten. Bloße Mineralien seien da nicht sonderlich gefragt, deshalb sägt und schleift er sie zum Teil selbst und versieht sie mit einem Loch, damit sie als Anhänger getragen werden können.
Kunden seien meistens Interessierte und Sammler. Zu Scheiner nach Hausen kämen auch Sammler aus Holland, Frankreich und der Schweiz. Einmal habe ein Bekannter Besuch aus St. Petersburg gehabt, der sich an Silvester spontan bei Scheiner ankündigte. Als die Kolonne mit teuren Geländewagen nach Hausen kam, seien "sämtliche Fenster aufgegangen", erzählt der 66-Jährige. Die Russen seien eher an Schmuck als an den reinen Mineralien interessiert gewesen.
Lieblingsstück versteinerte Feder
Sein persönliches Lieblingsstück ist ein Stein mit einer versteinerten Feder. Die von außen unscheinbare Steinknolle aus Madagaskar habe er geschenkt bekommen, ohne dass jemand wusste, was sich darin befindet. Erst als er sie aufklopfte, kam die Feder zum Vorschein. "Dafür hab ich schon mehrere Angebote gekriegt, aber alles verkaufe ich nicht." Zu seiner Sammlung gehören auch Abgüsse vom Archäopteryx oder von Tieren, die in der Grube Messel gefunden wurden, etwa dem Urzeit-Äffchen, das vor zehn Jahren Schlagzeilen machte.
Richard Scheiner macht in der Gegend auch Führungen mit Kindern, die dann auf Äckern Versteinerungen sammeln. Mit ihren scharfen Augen fänden die oft mehr als Erwachsene. Wenn eine Kindergruppe in seinen Laden kommt, lässt er sie gern den Krokodil-Kot in die Hand nehmen und verrät erst hinterher, was es war. Beim Riechen an der Hand stellen die Kinder dann fest, dass versteinerter Kot nicht mehr riecht.
Scheiner möchte in zwei Jahren mit seinem Mineralienhandel aufhören. Er hofft darauf, dass seine 17-jährige Enkelin einmal übernimmt. Die begeistere sich für die Mineralien und begleite ihn auch auf seine Börse in Würzburg.
Am 20. Oktober findet von 10 bis 17 Uhr die nächste Mineralien- und Fossilienbörse in Würzburg-Zellerau, Hartmannstraße 29, statt.