Wenige Tage vor Weihnachten wartet Thomas Pilzer auf Volker Fiederling. An der Tongrube in Helmstadt ist ein Pressegespräch vereinbart. Ab nächstem Jahr soll dort Bauschutt verfüllt werden. Sie beide haben die Bürgerinitiative dagegen gegründet und etwas zu verkünden. Doch während der eine das Auto dorthin genommen hat, ist der andere gerade noch mit dem Rad unterwegs. Und so steht Pilzer an der Kreuzung am Fuß der Tongrube, die Atemwolken treiben in der kalten Luft wie Kaugummi-Zigaretten-Rauch, als ein Mann mit seinem Wohnmobil stoppt. Nach kurzem Small-Talk sind Pilzer und er schon beim Thema des Tages. "Hast du schon unterschrieben?", fragt Pilzer.
Am 24. Dezember haben Pilzer und Fiederling bei der Verwaltungsgemeinschaft ein Bürgerbegehren eingereicht. Die Ja-Nein-Frage, über die sie Helmstadt abstimmen lassen wollen, liest sich wegen der vielen gesetzlichen Kriterien etwas hölzern. In der Folge soll das Bürgerbegehren jedoch verhindern, dass die Grube vor ihnen zu einer Deponie Klasse 1 (DK1) umgewidmet wird und das Erdbau-Unternehmen Beuerlein dort belasteten Bauschutt dieser Klasse einlagern darf. Im Jahr 2040 soll spätestens der Deckel drauf sein und die gesamte Fläche überpflanzt werden.
Schon ab kommendem Jahr könnte es damit losgehen. Das Genehmigungsverfahren läuft. Eine Million Kubikmeter fasst die Grube laut Angaben der Firma Beuerlein. Die DK1-Kapazität in Bayern würde sich damit nach Berechnungen der Redaktion um ein Drittel erhöhen. Als Fiederling und Pilzer, die sich schließlich mehr als viele andere hier auskennen, gemeinsam am Rand der Grube stehen, staunen sie immer noch über ihre Größe. "Beeindruckend. Gewaltig."
Die Bürgerinitiative ist bestens vernetzt
Pilzer und Fiederling sind hervorragend in Helmstadt vernetzt. Ein paar Minuten später kommt ein Paar beim Nordic Walking vorbei. Ob sie schon unterschrieben hätten, rufen Pilzer und Fiederling. "Schon lang", hallt es zurück. Zehn Prozent der wahlberechtigten Helmstadter müssen den Antrag auf das Bürgerbegehren unterschreiben, damit sich die Gemeinde damit auseinandersetzen muss. 270 Unterschriften sind es am Ende geworden, etwa 50 mehr als notwendig. Das war der einfache Teil.
Kniffliger waren da die gesetzlichen Vorgaben, dass ein solcher Antrag überhaupt zulässig ist. Es darf nur eine Ja-Nein-Frage gestellt werden. Zudem muss die Fragestellung machbar für die Gemeinde sein. Ansonsten könnte man den Staat schließlich auch zu unrealistischem Unsinn zwingen, zum Beispiel zum Bau eines Todessterns, einer Raumstation wie im Film Star Wars. Und das ist kein übertriebener Scherz, dazu liefen tatsächlich schon mehrere Petitionen.
Der Helmstadter Antrag liegt der Redaktion vor. Die Frage lautet: "Stimmen Sie dafür, dass die Gemeinde Helmstadt alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzt, um die geplante DK1-Deponie der Fa. SBE GmbH & Co.KG auf dem Gebiet der Gemeinde Helmstadt zu verhindern?" Darunter stehen auf dem Zettel noch einige Argumente der Bürgerinitiative. Unter anderem befürchten sie eine zu hohe Verkehrslast, den massiven Eingriff in die Natur, die Bedrohung des Grundwassers durch möglicherweise giftige Sickerwässer und sie kritisieren die gefährliche Straßenführung der WÜ 31. Die Redaktion hat die genannten Argumente bereits in einem ausführlichen Artikel eingeordnet.
Was passiert jetzt nach der Einreichung
Nun geht der Antrag durch die Verwaltung. Über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheidet dann der Gemeinderat. "Unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats nach Einreichung des Bürgerbegehrens", so steht's im Gesetz. Wäre das Begehren zulässig, wird irgendwann in den darauf folgenden drei Monaten darüber abgestimmt. Nur an einem Sonntag muss es sein.
Sollten die Helmstadter mit einer Mehrheit die Frage der Bürgerinitiative mit "Ja" beantworten, käme das einem Gemeinderatsbeschluss gleich. Dass der wenig hilft, weil das Bergamt mit Sitz in Bayreuth über die Zulassung der Deponie Klasse 1 entscheidet, ist Pilzer und Fiederling natürlich klar. Aber was will das Helmstadter Begehren denn dann erreichen? "Das Bürgerbegehren soll ein Zeichen dafür sein, dass die Bürger die Deponie nicht wollen", sagt Pilzer. Im Endeffekt ziele es darauf ab, fügt Fiederling hinzu, den Bürgermeister und den Gemeinderat "zu motivieren". Bei ersterem wisse man nicht, wo er mit seiner Meinung steht. Bei zweiterem fehle der Wille, die Deponie auch wirklich zu verhindern.
Was sagt der Bürgermeister zu dem Bürgerbegehren?
Eine zentrale Frage, die das Begehren aufwirft, ist: Was würde auf das Ergebnis dann konkret folgen? Was sind "alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten" des Gemeinderates? Diese Fragen stellt man am Besten dem Bürgermeister von Helmstadt, Tobias Klembt. Der sagt: "Ich bin sogar der Auffassung, dass wir bereits alles gemacht haben, was die Bürgerinitiative fordert. Wir haben im Gemeinderat ausführlich Stellung genommen und unsere Sorgen artikuliert. Mehr Einfluss auf die Behörden haben wir nicht. Wir können auch nur an die Grenzen der Zulässigkeit gehen."
Er weißt außerdem darauf hin, dass die Alternative zur Deponie Klasse 1 nicht keine Deponie ist, sondern eine für Z2-Material. Die Verfüllung ist schon seit Jahren genehmigt. Z2-Schutt ist zwar weniger toxisch belastet, kann aber deshalb auch mit niedrigeren Sicherheitsstandards verfüllt werden, nämlich kaum welchen. Die Deponie Klasse 1 wiederum hat höhere Standards, wie eine Kunststoffdichtungsbahn und Drainagen für das Sickerwasser. Das könnte nach Behördenmeinung am Ende die Grundwasserversorgung sogar weniger belasten. Eine der Fragen, der sich die Helmstadter bei einer eventuellen Abstimmung stellen müssen, ist deshalb: Halten sie eine permanente Auswaschung von Z2-Material für gefährlicher oder das Risiko, dass die Sicherheitsmaßnahmen versagen und DK1-Material ausgewaschen werden könnte?
Bis zu der Entscheidung ist jedoch noch etwas Zeit. Bürgermeister Klembt betont, dass er das Engagement der Bürgerinitiative schätzt. "Wir wollen alle das beste für den Ort, ein 'lebenswertes Helmstadt'", sagt er. Am Rande der Deponie, kurz vor Weihnachten, loben Pilzer und Fiederling auch noch einmal explizit die Verwaltung. "Wir sind hier nur der letzte Dominostein – aber einer, der nicht umfallen will."