Aufmerksame Gesichter, aufgeregtes Raunen und immer wieder Applaus: So nahm das Publikum die Begrüßungsworte Sakine Azodanlous auf, Integrationsbeauftragte in Karlstadt. Sie stellte die neue Gruppe des Helferkreises Karlstadt vor, die sich vor allem um Angebote für die Geflüchteten in der Notunterkunft der Erwin-Ammann-Halle kümmert.
Geschätzt um die 70 Geflüchtete kamen am Mittwochabend in den Gemeindesaal der Heiligen Familie in Karlstadt. Laut Johannes Lehrmann, dem Beauftragten des Landratsamts für die Karlstadter Notunterkunft, sind das fast alle der momentan dort untergebrachten Personen.
Empfangen wurden die Geflüchteten von den etwa 20 Ehrenamtlichen der neuen Helferkreis-Gruppe, Johannes Lehrmann und der Integrationslotsin Olga Hart vom Landratsamt, aber auch von Lehrerinnen und Lehrern sowie den Schülersprecherinnen des Johann-Schöner-Gymnasiums.
Bob Emsden begleitete den Abend musikalisch mit den Liedern "Freude schöner Götterfunken" und "Das Wandern ist des Müllers Lust", was direkt für lockere Stimmung im Saal sorgte. Wolfgang Tröster führte anhand von Bildern durch Karlstadt und stellte charakteristische Orte der Stadt vor, wie die Karlsburg, den Main oder das Historische Rathaus. Außerdem fotografierte er wichtige Einrichtungen wie das Landratsamt, die Polizei oder den Bahnhof, sodass sich die Geflüchteten schon ein wenig orientieren können.
Der Helferkreis präsentierte die spontan entwickelten Angebote
Danach stand der ausschlaggebende Punkt des Abends an: Der Helferkreis präsentierte die Angebote, die sich die Ehrenamtlichen in den vergangenen Wochen ausgedacht haben. Stadtspaziergänge, ein Spieletreff, der Besuch des Jugendzentrums oder Treffen für Schwangere stehen bereits im Februar und März an. Im Anschluss an die Vorstellung konnten sich die Geflüchteten für die jeweiligen Angebote eintragen.
Großer Zulauf bildete sich um die Listen für die Deutschkurse. Schon vorab erklärte Azodanlou gegenüber der Redaktion, dass Geflüchtete ihr gegenüber den Wunsch geäußert hatten, möglichst schnell Deutsch lernen zu können. Doch während der Zeit in der Notunterkunft und mit unklarem Asylstatus sei das in den regulären Integrationskursen nicht möglich. Eine erste Gelegenheit sollen nun die ehrenamtlich organisierten Kurse bieten. Für den dritten Bereich, verschiedene Sportangebote der Vereine, drängten sich vor allem Kinder und Jugendliche um die Listen.
Auch die dritte Bürgermeisterin Karlstadts, Anja Baier, will sich zumindest gelegentlich, soweit es ihre anderen Verpflichtungen zulassen, für den Helferkreis engagieren. Sie lobt Azodanlous Einsatz als Integrationsbeauftragte – das mache es für die Stadt leichter.
Wünsche nach einem "normalen Leben"
In einem weiteren Programmpunkt durften ein paar der Geflüchteten spontan ein wenig über sich erzählen. Aus Zeitgründen kamen mit Übersetzung durch Azodanlou nur Menschen aus der Türkei zu Wort: Zwei Familien mit Kindern, ein Paar, zwei Schwestern, eine alleinreisende Frau und ein alleinreisender Mann – ganz unterschiedlich sind die Fluchtgeschichten.
Sein Vater habe zwölf Jahre in Deutschland gearbeitet, erzählt ein Mann. Eine Frau ist schwanger. Ein Mann ist kurdischstämmig. Neben der Türkei stammen die Geflüchteten vor allem aus dem Land Elfenbeinküste, so der Eindruck von Maire-Claire Bauer. Die Partnerschaftsbeauftragte in Karlstadt für Saint-Brice übersetzte bei der Veranstaltung ins Französische.
Anschließend durften alle Wünsche formulieren und auf Zettel schreiben. "Rechtsstaat" übersetzt Azodanlou mehrmals, aber auch "Deutsch lernen", "hier arbeiten" oder "Freiheit" und "ein ganz normales Leben". Ein Kind schrieb "Fußball spielen" und ein Junge hat den Wunsch, so schnell wie möglich in eine Wohnung zu ziehen. Das soll sie ganz oben an die Stellwand pinnen, habe er zu Azodanlou gesagt.
Mehrere schwangere Frauen in der Halle
Die Integrationsbeauftragte zeigte sich besonders dankbar, dass Lehrmann vom Landratsamt vor Ort war und ein offenes Ohr für die Sorgen Geflüchteter hatte, die bei der Gelegenheit direkt auf ihn zukamen. Gerade für Schwangere ist die Situation in der Halle problematisch, wissen Azodanlou und Lehrmann; Dolmetscherin Bauer gegenüber sprachen Geflüchtete dies ebenfalls an. Einer Frau sei laut Azodanlou von einer Ärztin geraten worden, dringend in einem normalen Bett zu schlafen statt auf einem der Feldbetten in der Unterkunft.
Dass die schwangeren Frauen überhaupt in der Halle untergebracht sind, sei Lehrmann zufolge eine Übergangslösung. Derzeit gebe es dort mehrere schwangere Frauen. "Wir wissen erst, dass Frauen schwanger sind, wenn sie bei uns ankommen", sagt er. Sie seien aber in der Regel die ersten, die in einer Wohnung untergebracht werden.
Azodanlous Dank geht auch an die Gemeinde der Heiligen Familie, die den Saal kostenlos zur Verfügung stellte. In einem großen Kreis verabschiedeten sich zum Abschluss alle zusammen spielerisch auf unterschiedlichen Sprachen – insgesamt eine sehr gut organisierte Premiere für den neuen Helferkreis, die über die Sprachbarrieren hinweg funktionierte.