Ampel oder Jamaika? Egal, wie es kommt: Grüne und FDP säßen gemeinsam in einer Bundesregierung. Kann das gut gehen? Die Redaktion hat die unterfränkischen Bundestagsabgeordneten Manuela Rottmann aus Hammelburg und Karsten Klein aus Aschaffenburg zum Doppel-Interview eingeladen. Das Online-Gespräch mit der Grünen und dem Liberalen förderte dann doch eine ganze Menge an Gemeinsamkeiten zu Tage. Der Wille, das Land nach 16 Jahren Merkel zu erneuern, verbindet offenbar.
Manuela Rottmann: Ich finde das klug. Die Veränderung gegenüber der Großen Koalition geht von FDP und Grünen aus, deshalb ist es sinnvoll, sich unterzuhaken. Zusammen sind wir im Übrigen stärker als die SPD.
Karsten Klein: Ich kann da nur zustimmen. Wir sind der Erneuerungsmotor, egal welche Konstellation am Ende rauskommt. Und deshalb war es ein guter Schachzug, in einem ersten Schritt eine Vertrauensbasis zu suchen. Und das scheint der Kollegin und den Kollegen ja auch gelungen zu sein.
Klein: Natürlich hat die SPD die Wahl gewonnen, aber am Ende stellt die Partei den Kanzler, die die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament hinter sich bringt. Es gibt da keinen Automatismus. Es ist kein Geheimnis, dass die inhaltliche Schnittmenge der FDP mit der Union größer ist als mit der SPD. Deshalb wäre Jamaika die wünschenswertere Option. Aber dazu müsste die Union ja erst einmal sprechfähig sein. Momentan gibt es gar keinen klaren Ansprechpartner.
Rottmann: Ich gehe davon aus, dass wir sehr viele unionsnahe Wechselwähler für uns gewonnen haben, die sich von Schwarz-Grün eine Erneuerung ihrer Partei erhofft haben. So wie sie CDU und CSU jetzt aber erleben, werden viele zu dem Schluss kommen: Die brauchen mal eine Pause in der Opposition. Ich glaube aber auch nicht, dass es eine natürliche Nähe der SPD zu uns Grünen gibt, da muss man sich nichts vormachen. Die Gespräche werden auf vielen Gebieten hart.
Rottmann: Mein Spezialgebiet ist die Rechtspolitik, da ist die Nähe zur FDP von Natur aus relativ groß. Zuletzt hat sich die Partei weiter verändert, viele alte Zöpfe wurden abgeschnitten.
Rottmann: In der Cannabis-Politik. Da war die FDP nicht immer so liberal wie sie jetzt ist.
Klein: Beide Parteien wollen zukunftsträchtige Lösungen beim Klimaschutz, bei der Digitalisierung, bei den Staatsfinanzen. Das sorgt für Zuspruch bei den jungen Leuten.
Klein: Das Vorgehen diese Woche zeigt doch schon, dass wir alle gelernt haben. Diese unangekündigte kleine Runde, die im Vertrauen gesprochen und nicht die mediale Begleitung gesucht hat, steht für einen anderen Stil. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg.
Rottmann: Ich sehe viel Veränderungswillen. Die Erfahrung der letzten Jahre war doch, dass die Regierungsparteien sich gegenseitig gefesselt und blockiert haben, sich untereinander nichts gegönnt haben. Im Gegenteil, zum Teil hat man sich gegenseitig so gedemütigt, dass es uns in der Opposition unangenehm war. Davon müssen wir wegkommen. Keiner ist Koch, keiner Kellner, jeder Partner hat Ideen, die zu einer Veränderungserzählung beitragen können. Das ist das, was ich mir von einer neuen Regierung erhoffe. Ich habe den Eindruck, dass das alle Beteiligten auch verstanden haben.
Rottmann: Ich kann nicht für die Sozialdemokratie sprechen. Ich will auch dem Karsten Klein nicht eine gemeinsame Botschaft aufzwängen, aber uns verbindet die Idee, dass wir den Leuten etwas zutrauen. Wir wollen nicht Politik für die Menschen machen, sondern Politik mit den Menschen, mit den Unternehmen, mit den Bürgerinnen und Bürgern. Man muss merken, dass es uns Freude bereitet, dieses Land zu regieren und voranzubringen mit der Kraft und Energie von 83 Millionen Menschen.
Klein: Ich glaube auch, dass es eine Koalition der bürgerlichen Freiheiten braucht, die den Menschen wieder mehr in den Mittelpunkt stellt. Eine Koalition ist keine Liebesheirat, niemand wird sein Programm über Bord werfen. Gefragt ist ein Spirit, der über einen Koalitionsvertrag hinaus die Partner zusammenhält, der über eine ganze Legislaturperiode trägt.
Klein: Nein, wir wollen nicht alles dem Markt überlassen, wir wollen den CO2-Ausstoß in der Menge vorgeben. Das allein ist ein klarer Markteingriff. Beim Thema Klimaschutz wird deutlich: Wir haben ein gemeinsames Ziel, nämlich das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. Auf dem Weg dahin sind wir uns bislang nicht einig. Ich glaube aber, gemeinsame Lösungen sind möglich.
Rottmann: Auch wir Grüne haben beim Klimaschutz marktwirtschaftliche Instrumente im Programm. Allerdings herrscht großer Zeitdruck, da braucht es das Ordnungsrecht, um die Dynamik zu beschleunigen. Ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs auf dem Land, wie bei mir im Wahlkreis Bad Kissingen, wird auch nicht gelingen, wenn man allein auf Marktwirtschaft setzt. Wichtig wäre mir, dass wir in einer Koalition lernfähig bleiben: Wenn wir merken, dass das Tempo, mit dem wir unterwegs sind, nicht reicht, müssen wir nachsteuern. Das könnte Teil einer Vereinbarung sein.
Klein: Ja, da gibt es gegensätzliche Positionen in den Programmen. Jetzt gilt es, Kompromisse zu finden.
Klein: Wenn ich jetzt hier einen Kompromiss formuliere, bekomme ich Ärger mit meiner Parteizentrale. Das muss in den Gesprächen erarbeitet werden.
Rottmann: Ich nehme mal die Erbschaftssteuer. Hier stärker zu besteuern, das könnte man als eine Frage von Leistungsgerechtigkeit diskutieren. Damit wäre man gedanklich nahe bei der FDP. Wie fair sind meine Chancen beispielsweise auf dem Wohnungsmarkt, wenn ich mit Leuten konkurriere, die genauso qualifiziert und genauso fleißig wie ich sind, aber hohe Vermögen geerbt haben?
Klein: Wir haben über 30 Milliarden Euro in der Rücklage beim Energie- und Klimafonds liegen, ich sehe auch noch Reserven im Haushalt. Ja, wir brauchen Investitionen, beim Klimaschutz, aber auch bei der Digitalisierung. Am Ende muss das ganze Paket passen. Jetzt einzelne Punkte herauszugreifen, ist nicht hilfreich. Unsere Leitplanke ist aber auch klar: Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse darf nicht aufgeweicht werden.
Klein: Der Bundestag braucht eine Reform, die Glaubwürdigkeit der Demokratie ist sonst in Gefahr. Grüne, FDP und Linke haben einen Vorschlag eingebracht, der leider von der Großen Koalition nicht verfolgt wurde.
Rottmann: Ich wünsche mir, dass da möglichst zeitnah etwas passiert. Wer für sich in Anspruch nimmt, Veränderungen herbeizuführen, der muss bei sich selbst anfangen. Eine Wahlrechtsreform ist dringend notwendig, um verloren gegangenes Vertrauen wiederaufzubauen. Am liebsten wäre mir, wenn wir dies im Konsens mit allen Parteien hinbekämen.
Klein: Ich möchte, dass wir die Zukunft anpacken.
Klein: Ich könnte Ihnen jetzt was zur Haushalts- und Finanzpolitik sagen. Viel wichtiger aber ist, dass wir in einer Koalition ein gemeinsames Verständnis davon haben, was wir künftig anpacken wollen.
Rottmann: Der ländliche Raum liegt mir am Herzen. Nach wie vor dreht sich die Politik zu sehr nur um die Ballungsräume. Dabei gibt es unendliche Potenziale hier bei uns. Wir Bundespolitiker sollten den Menschen die Mittel in die Hand geben, selbst mitzuentscheiden, zum Beispiel bei der Energiewende. Eine Bürgerenergiewende, das wäre mein Ziel.
Rottmann (lacht): Dann machen FDP und Grüne eine Minderheitsregierung. Im Ernst: Die dürfen nicht scheitern.
Klein: Die dürfen nicht scheitern.
Rottmann: Sie dürfen aber auch nicht ewig dauern. Das politische System kann nicht immer nur um sich selber kreisen. Davon haben die Menschen die Nase voll, sie wollen, dass es jetzt auch mal um sie geht.
Manuela Rottmann (49, Grüne) aus Hammelburg und Karsten Klein (43, FDP) aus Aschaffenburg gehören beide seit 2017 dem Bundestag an. Juristin Rottmann war zuvor von 2006 bis 2012 Umwelt- und Gesundheitsdezernentin im Magistrat von Frankfurt/Main, Betriebswirt Klein war von 2008 bis 2013 Abgeordneter im bayerischen Landtag.
bin eh'mal gespannt auf die FDP, wie die die Wähler zufrieden stellen will, die sie aus Verzẃeiflung über die Union gewählt haben....
Hoffentlich bleibt das so.
Wofür sind sie sonst gewählt worden?
Thomas K.
Bad Kissingen