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Lohr/Marktheidenfeld/Arnstein
Geringe Nachfrage nach Jobs für Geflüchtete aus der Ukraine in Main-Spessart
Trotz des großen Interesses von Arbeitgeber an Mitarbeitenden aus der Ukraine sind Einstellungen schwierig. Die Ursachen dafür sind vielfältig, wie eine Umfrage zeigt.
Aufgrund von Sprachbarrieren und anderen Hürden arbeiten in Main-Spessart bisher wenige Geflüchtete aus der Ukraine. Fertig Motors in Marktheidenfeld beschäftigt mittlerweile vier Menschen in der Montage und der mechanischen Fertigung. (Symbolbild)
Foto: Sebastian Kahnert/dpa | Aufgrund von Sprachbarrieren und anderen Hürden arbeiten in Main-Spessart bisher wenige Geflüchtete aus der Ukraine.
Dorothea Fischer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:06 Uhr

Große Unternehmen bieten Geflüchteten aus der Ukraine Arbeitsstellen an. Derartige Nachrichten hört man in jüngster Zeit häufig. In der Pflege, dem öffentlichen Dienst oder den Industriebetrieben in Main-Spessart hingegen haben erst wenige von ihnen Arbeit gefunden. Woran liegt das?

Auch viele Arbeitgeber aus der Region sagen, sie würden gerne ihre vakanten Stellen besetzen. Doch es scheint, als ob die Nachfrage von Geflüchteten aus der Ukraine an Arbeitsplätze nicht sonderlich hoch ist. 

Klinikum stellte zwei Geflüchtete aus der Ukraine ein

Im Klinikum Main-Spessart gab es bisher erst zwei Anfragen für eine Arbeitsstelle von Menschen aus der Ukraine, so Franziska Schön von der Zentralverwaltung. Beide wurden angestellt. "Dank verschiedener Paten im Klinikum funktioniert die Integration der beiden sehr gut", so die Sprecherin.

Schön differenziert jedoch: Zum Einstieg böten sich Hilfstätigkeiten im Hol- und Bringdienst oder in der Reinigung und der Küche an. Um als Fachkraft in der Pflege zu arbeiten, bedarf es eines entsprechenden Berufsabschlusses und dessen Anerkennung in Deutschland.

Hürden der Einstellungen sind für Pfründnerspital in Arnstein zu hoch

Dies sind Hürden, die Sanela Jonjic, Leiterin des Pfründnerspitals in Arnstein, ebenfalls anführt. Eine Beschäftigung ungelernter Kräfte sei nahezu unmöglich. "Arbeitnehmer ohne deutsche Grundkenntnisse können diese wichtigen Abläufe nicht verstehen beziehungsweise einhalten", so Jonjic.

Bisher habe sich niemand gemeldet, der im Pfründnerspital arbeiten wolle, berichtet sie. Lediglich eine Frau, die zwei Ukraine-Geflüchtete aufgenommen habe, fragte an, ob diese eingesetzt werden könnten. Doch beide haben keine entsprechende Ausbildung, um in der Reinigung oder der Küche angestellt zu werden, und sprechen weder Deutsch noch Englisch.

Seniorenzentrum Mainbrücke Marktheidenfeld sucht über Internetplattform

Im Seniorenzentrum Mainbrücke in Marktheidenfeld hat zum 1. Juni eine Mitarbeiterin in der Küche eine Arbeitsstelle angetreten. Sie ist die erste aus der Ukraine Geflüchtete, die dort eine Anstellung fand. Thomas Heyland, Leiter des Hauses, hat sie als sehr freundlich und motiviert kennengelernt.

Das Altenheim sucht auf der Internetplattform "Job Aid For Ukrainian Refugees" Hilfskräfte für Pflege, Reinigung, Küche und Hauswirtschaft. Das Vermittlungsportal sammelt Angebote und stellt sie in englischer und ukrainischer Sprache zur Verfügung.

"Vereinzelt platzieren wir offene Stellen zusätzlich auf Jobportalen, die aus der Ukraine geflohene Menschen bei der Jobsuche in Deutschland unterstützen," sagt auch Bosch-Rexroth-Sprecherin Nicole von Killisch-Horn. Das Unternehmen verzeichnet bisher nur eine Initiativbewerbung am Standort Lohr. Hierfür konnte eine geeignete Stelle im administrativen Bereich vermittelt werden, so die Pressesprecherin.

Internetplattform "MSP Jobs für Ukraine" bringt Arbeitgeber und Geflüchtete zusammen

Auch "MSP Jobs für Ukraine" ist eine Plattform, mit deren Hilfe sich Unternehmen und Ukraine-Geflüchtete bestmöglich vernetzen sollen. Der Vorteil: Die Ansprechpartner in den Unternehmen sind in Main-Spessart. Wer eine Arbeitsstelle sucht, kann persönlich Kontakt zu ihnen aufnehmen.

Damian Berghof, einer der Initiatoren der Plattform berichtet, dass sich bisher etwa 70 Geflüchtete dort registriert haben. Trotz des großen Interesses von Arbeitgebern sei es nicht einfach, Ukraine-Geflüchtete zu vermitteln. "Jeder kommt mit ganz individuellen Bedürfnissen", so Berghof. Als Beispiele nennt er etwa Kriegsverletzungen, die nicht jede Tätigkeit ermöglichen, oder fehlende Qualifikationen.

Viele der Geflüchteten sind Frauen mit Kindern, für die es keine Betreuungsmöglichkeit gibt. Erschwerend kommt hinzu, dass die wenigstens Arbeitswilligen ein Auto haben oder oft nicht die erforderlichen Unterlagen auf ihrer Flucht mitgenommen haben. "Andere wiederum bestehen darauf, zuerst die deutsche Sprache erlernen zu wollen", so Berghof.

Langfristige Arbeitsperspektiven für Geflüchtete aus der Ukraine

Bei Fertig Motors in Marktheidenfeld arbeiten mittlerweile vier Geflüchtete aus der Ukraine. "Die Frau eines Mitarbeiters ist auf uns zugekommen und suchte dringend nach Arbeitsplätzen für ein befreundetes Paar, das aus der Ukraine geflüchtet ist", berichtet Personalreferentin Oliwia Laska. Die beiden sind, ebenso wie ein weiterer Ukrainer, in der Montage eingesetzt. Sie arbeiten im Prüffeld, verschrauben und verkabeln Motoren.

"Es ist uns daran gelegen, langfristige Perspektiven für Geflüchtete zu bieten", erklärt Laska. Deshalb wurde ein weiterer Mann als Maschinenbediener in der mechanischen Fertigung eingestellt. Dort soll der ausgebildete Ingenieur vor allem die Sprachbarriere überwinden können. "Wir wollen ihn eventuell an CNC-Maschinen einsetzen und später vielleicht sogar in der Entwicklung", so Laska.

Fertig Motors: Führungskräfte sollen Ukrainisch und Russisch lernen

Sie sagt, dass viele der aus der Ukraine Geflüchteten Polnisch sprechen würden. Dem Betrieb kommt es zugute, dass auch sie die Sprache beherrscht. Man geht noch einen Schritt weiter: Führungskräfte sollen an Kursen teilnehmen, in denen sie ukrainische und russische Ausdrücke lernen.

Derzeit beschäftigt Fertig Motors fast 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und sucht weiterhin neues Personal. Bewerben sich Geflüchtete und könnten für eine Stelle im Unternehmen geeignet sein, werden sie zum Kennenlern-Tag eingeladen. "Wir führen Gespräche mit ihnen, zeigen die Produktion und was wir fertigen", so Laska.

35 Interessenten aus der Ukraine bei Warema

Für großes Interesse haben die Bewerbertage im Mai an den Warema-Standorten in Marktheidenfeld und Bettingen gesorgt. Es kamen etwa 35 Interessenten aus der Ukraine, um sich über aktuelle Stellenangebote zu informieren, sagt Unternehmenssprecherin Lilli Heyer auf Anfrage. Es gebe derzeit einige laufende Bewerbungsverfahren und Gespräche mit Personaldienstleistern. "Wir hoffen also, dass wir kurzfristig noch weitere Kolleginnen und Kollegen gewinnen können."

Ein Geflüchteter aus der Ukraine wurde bisher eingestellt. Heyer weiter: "Der neue Kollege arbeitet sehr motiviert und ist überaus loyal. Zudem unterstützt er weitere Geflüchtete bei der Jobsuche als Berater und Übersetzer."

Geeignetster Bewerber wird eingestellt – unabhängig von der Nationalität

Bei der Stadt Lohr gab es bisher keine Anfragen bezüglich möglicher Arbeitsstellen, berichtet Dieter Daus. Er erklärt, dass eine Kommune an zahlreiche rechtliche Vorgaben gebunden sei, etwa die Einhaltung eines vom Stadtrat beschlossenen Stellenplans. "Wenn wir Bedarf haben, erfolgt ein entsprechendes Ausschreibungsverfahren zur Stellenbesetzung", so Daus.

Marcus Meier, Sprecher der Stadt Marktheidenfeld bestätigt, dass bei Bewerbungen auf städtische Stellenanzeigen die Einreichungen von geflüchteten Menschen identisch zu allen anderen Bewerbungen geprüft werde. 

Zurzeit sucht man in der Volkshochschule Marktheidenfeld jemanden für die Betreuung von ukrainischen Kindern, während deren Eltern dort Deutschkurse besuchen. Meier sagt: "Für diese Minijob-Stelle sind ukrainische Sprachkenntnisse natürlich von Vorteil und somit insbesondere Bewerbungen von ukrainischen Geflüchteten möglich."

 
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