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Lohr
Zwei Lohrer Start-ups helfen Flüchtlingen aus der Ukraine bei der Jobsuche
Start-up-Gründer Damian Berghof (rechts) will mit einer Onlineplattform helfen, dass Ukraine-Flüchtlinge, wie die Familien Orlov und Bulgac, Jobs im Kreis Main-Spessart finden. Die vier Erwachsenen, zwei Kinder und ihr Labrador leben derzeit in der zur Notunterkunft umfunktionierten ehemaligen Lohrer Jugendherberge. Svetlana Maior (links) hat aus dem Ukrainischen ins Russische übersetzt und Berghof dann für den Reporter ins Deutsche.
Foto: Boris Dauber | Start-up-Gründer Damian Berghof (rechts) will mit einer Onlineplattform helfen, dass Ukraine-Flüchtlinge, wie die Familien Orlov und Bulgac, Jobs im Kreis Main-Spessart finden.
Bearbeitet von Boris Dauber
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:55 Uhr

Die Hilfe für ukrainische Flüchtlinge beschränkt sich im Kreis Main-Spessart nicht nur auf eine hohe Spendenbereitschaft, Hilfsgütertransporte und die Aufnahme der Neuankömmlinge aus dem Kriegsgebiet. Zwei Start-ups aus dem Digitalen Gründerzentrum in Lohr haben sich zusammengetan, um Ukrainern schnell und unkompliziert Jobs zu vermitteln. Dafür haben sie innerhalb von drei Tagen die Onlineplattform mspjobsforukraine.org eingerichtet und mithilfe von Flüchtlingen ins Ukrainische übersetzt.

Damian Berghof, Geschäftsführer des Start-ups Nicerecs, hat dafür seine Kräfte mit Sunita Lama und Matthias Weidt von L&W Consulting gebündelt. Der 47-Jährige aus Lohr betont, dass es sich bei dem ehrenamtlichen Projekt nicht um eine Jobbörse im eigentlichen Sinne handelt: "Wir möchten dort keine Jobs platzieren, sondern eher die Plattform nutzen, um Firmen und Flüchtlinge bestmöglich zu vernetzen."

Die beiden Start-ups griffen dafür auf ihre bereits vorhandene digitale Infrastruktur und ihr Expertenwissen zurück, das sie sich bei der Umsetzung ihrer jeweiligen Geschäftsideen angeeignet haben. Nicerecs will Künstliche Intelligenz nutzen, um Firmen mit den richtigen Bewerbern zu vernetzen, L&W Consulting möchte Pflegefachkräfte aus nichteuropäischen Ländern über eine digitale Plattform vermitteln. "Der Schwerpunkt liegt auf der Integration der Mitarbeiter für eine langfristige Bindung", erläutert Lama ihr Konzept.

Die Idee für die Kontaktplattform, um ukrainischen Flüchtlingen Arbeitsplätze zu verschaffen, ist am Anfang des Ukraine-Kriegs entstanden: "Wir haben beschlossen: Wir nutzen, was wir haben", sagt Berghof. Die ersten vier Arbeitssuchenden, die sich dort registriert haben, waren bei ihrer Ankunft in Deutschland zuerst bei Berghof privat untergekommen. Über seine Familie und Bekannte aus Polen, die sich sehr für die Flüchtlinge aus dem Nachbarland engagieren, kam der Kontakt zustande.

Tagelang auf der Flucht

Julia und Fedir Orlov waren tagelang mit ihren beiden Kindern und ihrem Labrador sowie mit ihren Verwandten Valentina und Igor Bulgac auf der Flucht vor dem Krieg. Zuerst flohen sie im Auto nach Polen, fanden in Warschau und Krakau aber keinen Platz mehr, weil schon zu viele Flüchtlinge dort waren. Als ihr Hilfegesuch bei Damian Berghof ankam, schlug dieser vor, dass sie nach Lohr kommen.

Derzeit leben die sechs Ukrainer in den zur Notunterkunft umfunktionierten Räumen der ehemaligen Lohrer Jugendherberge. "Wir sind stark daran interessiert, hier Fuß zu fassen und Jobs zu finden. Wir suchen eine gemeinsame Wohnung und wollen die Kinder in die Schule bringen", sagt Fedir Orlov. Da keiner von ihnen Deutsch oder Englisch spricht, sind die Erwachsenen froh, eventuell über mspjobsforukraine.org einen Job zu finden. Ohne diese Hilfe hätten sie wenig Hoffnung, selbst etwas zu finden, sagt Orlov.

Er und sein Schwager beschäftigten sich in der Ukraine beruflich mit Überwachungskameras und Brandmeldeanlagen. Valentina Bulgac war selbstständig und schneiderte Dessous, die sie in einem eigenen Onlineshop verkaufte. Ihre Schwester war als Reinigungskraft tätig. Berghof berichtet, dass er bereits Kontakt mit dem Gründernetzwerk Karlstadt aufgenommen habe, damit Valentina Bulgac ihr Geschäft auch hier weiterführen kann. In der aktuellen Lage könne man niemanden in die Ukraine schicken, um die Spezialmaschinen, mit denen sie ihre Dessous fertigte, zu holen, bedauert die junge Ukrainerin.

Ansprechpartner vor Ort

Der Vorteil des regionalen Hilfsportals sind die Ansprechpartner vor Ort, zu denen die Jobsuchenden auch persönlich Kontakt aufnehmen können. "Es bringt nichts, das riesengroß deutschlandweit aufzuziehen. Wir wollen das hier für die Region machen", betont Weidt. Die Zahl der registrierten Jobsuchenden und Firmen, die Arbeitsplätze für Flüchtlinge anbieten, wird nach und nach größer. Nach Aussage von Damian Berghof hatten sich vor Ostern bereits 30 Ukrainer auf der Plattform registriert. Mit 20 Firmen sei er in Kontakt, um das digitale Angebot bekannt zu machen, das für beide Seiten kostenlos ist.

Mittlerweile weist auch das Landratsamt Main-Spessart auf seiner Internetseite auf das Portal hin, und diverse Helferkreise sorgen für die nötige Mundpropaganda, um das Angebot bekannt zu machen. Dem Problem, dass etliche Flüchtlinge nicht digital unterwegs sind, begegnen die Start-ups mit Anmeldeformularen in Papierform.

Sunita Lama, Matthias Weidt (Mitte) und Damian Berghof haben eine Onlineplattform geschaffen, die Ukraine-Flüchtlingen zu Jobs in Main-Spessart verhelfen soll.
Foto: Boris Dauber | Sunita Lama, Matthias Weidt (Mitte) und Damian Berghof haben eine Onlineplattform geschaffen, die Ukraine-Flüchtlingen zu Jobs in Main-Spessart verhelfen soll.

Jörg Simon, Vertriebsleiter beim Autohaus Grampp, bezeichnet das Portal als "tolle und konstruktive Hilfsaktion", an der man sehr interessiert sei. Man sei ständig auf der Suche nach neuen Mitarbeitern, beispielsweise Automechanikern und Karosseriebauern, und habe gute Erfahrungen mit syrischen und afghanischen Flüchtlingen gemacht, betont der 49-Jährige. Doch welche Jobs kommen für fachfremde Flüchtlinge ohne deutsche Sprachkenntnisse infrage? Simon nennt als Beispiel Werkstatthelfer.

Nach Aussage von Damian Berghof landen Ukrainer, die schon sehr gut vernetzt waren und für westliche Firmen gearbeitet haben, eher nicht im Kreis Main-Spessart, sondern in größeren Städten. Der 47-Jährige spricht hingegen von Menschen mit mittlerem Abschluss, guten Handwerkern und Leuten, die für die Industrie passen würden. "Ich sehe da ein großes Potenzial bei ungelernten Kräften, die man umschulen und in der Gesundheitsbranche oder dem Handwerk platzieren kann", sagt der Lohrer Start-up-Gründer.

Sunita Lama ist der Meinung, dass auch noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten ist. "Viele Ukrainer denken, dass man in Europa nur in der Stadt ein schönes Leben haben kann und nicht auf dem Land", erzählt die 30-Jährige. In Osteuropa würden vor allem die Bauern auf dem Land leben, und es würde dort nur vereinzelte Fabriken geben, erklärt Berghof. "Denen ist total unbegreiflich, dass in einem Ort wie Lohr das Hauptquartier von Bosch Rexroth ist."

 
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