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Würzburg/Lohr
Gefesselten Mann auf Spessartfestwoche mit Schlagstock geschlagen: Hohe Geldstrafe für Autoscooter-Betreiberin
Der aggressive Mann war wohl deutlich schwerer verletzt als zunächst bekannt. Jetzt muss die 47-Jährige auch mit einer hohen Schmerzensgeldforderung des Geschädigten rechnen.
Der Autoscooter auf der Spessartfestwoche.
Foto: Benedict Rottmann (Archivbild) | Der Autoscooter auf der Spessartfestwoche.
Christian Ammon
 |  aktualisiert: 29.09.2024 02:30 Uhr

Mehrere Schläge mit einem Teleskopschlagstock auf der Lohrer Spessartfestwoche kommen die Betreiberin eines Autoscooter-Fahrgeschäfts teuer. Im Sommer 2023 hatte die 47-jährige Schaustellerin einen alkoholisierten, gefesselten Kunden geschlagen. Im März hatte sie das Amtsgericht Gemünden wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen einer Waffe bei einer öffentlichen Veranstaltung zu 150 Tagessätzen à 65 Euro verurteilt. Das Würzburger Landgericht bestätigte nun das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Gemünden.

Das Amtsgericht war von einem minderschweren Fall ausgegangen und hatte berücksichtigt, dass der damals 38-Jährige Geschädigte die nicht vorbestrafte Frau zuvor erheblich provoziert hatte. Mit ihrer Reaktion war die selbstständige Schaustellerin jedoch auch nach Sicht des Würzburger Vorsitzenden Thomas Trapp deutlich zu weit gegangen: Die Angeklagte habe ihr Kassenhäuschen verlassen, gewartet bis der Mann gefesselt war und dann draufgehauen.

Geschädigter brachte neue Diagnose im Gerichtssaal vor

Entscheidend für das rasche Ende der von der Angeklagten angestoßenen Berufungsverhandlung war eine bisher nicht bekannte Diagnose, die der Geschädigte erst jetzt als Zeuge und Nebenkläger vorbrachte. Die soll zeigen, dass die Verletzungen schwerwiegender waren als bisher bekannt. Mit mindestens einem ihrer Schläge hatte sie auch die Augen getroffen. Beidseitig soll als Folge eine Netzhautablösung und damit schwere Sehschäden gedroht haben. Bisher war nur von einer Augenprellung die Rede gewesen. Laut dem Anwalt des Mannes meide dieser seit dem Vorfall öffentliche Veranstaltungen. Richter Trapp gab zudem zu bedenken, dass bei einer höheren Strafe zusätzlich berufsrechtliche Konsequenzen drohen: "An Ihrer Stelle würde ich es mir überlegen, ob ich ein anderes Urteil will."

Ziel der Berufung war es gewesen, die Strafe auf die für die Tat vorgesehene Mindesthöhe von 90 Tagessätze zu verringern. Davon rückte die Frau jedoch rasch ab. Sie scheue, so ihr Anwalt Andreas Bruszynski, das "massive Kostenrisiko" für ein Gutachten über die Verletzungsfolgen. Der alleinerziehenden Mutter blieb damit nur ein schmaler Teilerfolg. Auf Grund ihrer geringen Einnahmen als selbstständige Schaustellerin erreichte sie immerhin eine Absenkung der Tagessatzhöhe auf 50 Euro.

47-Jährige sagt, sie sei "aufgeregt und geschockt" gewesen

Warum sie so reagiert habe, sei ihr nicht mehr klar, stellte sie abschließend vor Gericht fest. Es tue ihr leid, die Folgen seien so nicht gewollt gewesen. Sie habe Angst gehabt, sie sei "aufgeregt und geschockt" gewesen. Der Geschädigte war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Gerichtssaal. Gleich nach der Beweisaufnahme hatte der kräftig gebaute, akkurat mit Anzug gekleidete Bauarbeiter es vorgezogen, das Gericht zu verlassen.

Zu dem Vorfall war es an einem August-Nachmittag gegen 16 Uhr gekommen. Der 38-Jährige wollte mit seiner Frau und dem vierjährigen Sohn das Fahrgeschäft nutzen. Als es es dem stark Alkoholisierten nicht gelang, mit einem zuvor gekauften Chip einen Autoscooter in Betrieb zu nehmen, hob er das gut 600 Kilogramm schwere Gefährt an einer Seite an und ließ es zu Boden fallen. Dabei soll ein Schaden von 8000 Euro entstanden sein. Die Angeklagte rügte ihn dafür per Lautsprecher.

Mann hatte Schaustellerin und Tochter zuvor verletzt

Daraufhin begab er sich zum Kassenhäuschen, schlug auf den Tresen und nach einem Streitgespräch unvermittelt gegen eine Plexiglasscheibe, die die Frau an Lippe und Zahn traf sowie ihre 14-jährige Tochter leicht verletzte. Nach einem Handgemenge fixierte ihn Sicherheitspersonal am Boden. Dann folgte das, was die Frau besser hätte lassen sollen: Sie packte einen Schlagstock, ging zu dem Mann, holte aus und schlug mehrfach zu. Dabei traf sie auch das Gesicht.

Ein zivilrechtliches Verfahren zum Schmerzensgeld steht noch aus. Mit einer Zahlung von 500 Euro, die die Frau bereits freiwillig geleistet hat, werde sich der Mann, so sein Anwalt, nicht zufrieden geben.

 
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