Regen tröpfelt leise auf die Stapel Baumstämme neben dem Firmengebäude, der Morgenhimmel ist düster. Eine immer schmaler werdende Straße führt zum äußersten Rand eines Karlstadter Gewerbegebiets. Ich beobachte, wie nach und nach die Autos der Angestellten abbiegen und folge ihnen zu einem Parkplatz. Dort holt mich David Polack ab. Er ist Ausbilder und Produktionsleiter im Furnierwerk Fritz Kohl in Karlstadt. Polack hat selbst hier vor 23 Jahren Holzbearbeitungsmechaniker gelernt. Heute bin ich nicht nur Reporterin, sondern auch die neue Auszubildende. Weder für dieses noch für vergangenes Jahr hat die Firma Auszubildende für den Beruf des Holzbearbeitungsmechanikers gefunden. Ich möchte die Ausbildung ausprobieren, die niemand haben wollte.
Polack entdeckt mich direkt, als ich in den Parkplatz einbiege. Ich schaffe es noch, schnell in die Stahlkappenschuhe zu schlüpfen, dann laufen wir schon in die Produktionshalle hinein. Holz sehe ich auf den ersten Blick wenig, dafür meterweit große Maschinen. Wie jedem Azubi wird Polack mir im Laufe des Tages eine Führung durch die verschiedenen Bereiche geben. Im Schnellverfahren darf ich außerdem die verschiedenen Produktionsstationen ausprobieren, die Auszubildende hier durchlaufen.
Aufpassen und Schutzausrüstung tragen!
Doch wir starten in Polacks Büro. Während er Produktionspläne in den Computer tippt, unterschreibe ich seitenlange Sicherheitsunterweisungen. Immer wieder lese ich: Aufpassen und Schutzausrüstung tragen. Ein bisschen aufgeregt bin ich schon mit Blick auf die Maschinen in der Halle. "Wir gehen den Weg vom Holz einmal durch", sagt Polack und nimmt mich mit zum Rundholzplatz. Hier rattert und kreischt es mittlerweile gewaltig.
Die Geräusche kommen von der Putzmaschine und der Säge. Vor einer Art Schaltpult steht ein Mitarbeiter und dirigiert Baumstämme zur Entrindungsmaschine. "Wer Playstation spielen kann, kann das auch", sagt Polack. Gegenüber sitzt ein weiterer Holzbearbeitungsmechaniker vor noch mehr Schaltknöpfen und sägt die entrindeten Stämme millitmetergenau in gerade Bretter. "Das ist schon Playstation 5", sagt Polack. Ich versuche es lieber mit keiner der beiden "Spielkonsolen." Auch Azubis müssen hier erst einmal ein paar Tage über die Schulter gucken.
Immer wieder unterbrechen wir unseren Rundgang für einen Abstecher in den Schleifraum. Polack schärft und staucht die meterlangen Sägeblätter, mit denen seine Kollegen arbeiten. Nicht sein Job, aber der Facharbeiter für diese Station ist seit Längerem krank. Einen Ersatz hat Polack nicht, auch keinen Azubi, den er mal eben an die Station stellen könnte. Einmal schaue ich zu, beim zweiten Mal helfe ich selbst dabei, die riesige Säge von der Schleifmaschine abzunehmen.
Um die Produktionshalle herum gibt es noch mehr zu entdecken: Ein Arbeiter fährt einen Kran hoch über sogenannten Kochgruben. Er holt Baumstämme heraus, die für ein perfektes Farbergebnis genau nach Polacks "Rezepten" gekocht wurden. Immer wieder messen Arbeiter das Holz, schneiden, stapeln, transportieren es von einer Station zur nächsten. Grundsätzlich nimmt das Holz zwei Wege: Je nachdem, wie gut der Stamm erhalten ist, werden daraus Bretter oder Furnierblätter. Zurück in der Produktionshalle soll ich vor allem die Furnierproduktion selbst testen. Jetzt wird es also ernst.
"Normalerweise habe ich zwei Maschinen laufen oder eine Maschine und zwei Trockner", sagt Polack. Auch dafür fehlen dem Produktionsleiter die Facharbeiter. Heute hat er mit mir zumindest eine Azubine auf Zeit. Zuerst darf ich die Furnierblätter von der Messermaschine abnehmen: Ein halbierter Baumstamm ist längs auf eine Seite der Maschine gespannt. Auf Knopfdruck bewegt er sich auf und ab, Messer schneiden millimeterdünne Furnierblätter ab. Auf der anderen Seite stehe ich und fange die Blätter, die die Maschine im Takt ausspuckt. Polack hat die Maschine extra etwas langsamer eingestellt. Nach ein paar Fehlversuchen komme ich sogar einigermaßen hinterher.
Die Finger kommen nah an die Schneidemaschine
Als ich das Paket dünngeschnittener Furnierblätter zum Dampfbügeltrockner rollen soll, komme ich schon an meine Grenzen: Selbst wenn ich mich mit meinem ganzen Körpergewicht dagegen lehne, bewegt sich der Stapel kein Stück. Dort angekommen klappt es wieder besser: Blatt für Blatt hebe ich leicht an, bis ein Vakuumband es nach oben ansaugt und in den Trockner zieht. Auf der anderen Seite des Trockners habe ich schon wieder keine Chance: Um die getrockneten Blätter rechtzeitig abzunehmen und aufzustapeln, bräuchte ich einiges an Übung – es geht viel zu schnell.
Wir starten also einen Versuch an der Scherenmaschine. Links und rechts schneide ich kaputte oder wurmige Enden der Furnierblätter ab, das überdimensionale Scherenblatt bediene ich über einen Fußschalter. Bei der nächsten Scherenmaschine angekommen, steigt mein Puls: Gefühlt sind meine Finger nur wenige Zentimeter von der Schneide entfernt, als ich den unschönen "Splint" an der Längsseite von den Furnierblättern abschneide. Mit Polack spreche ich über das Klischee der abgeschnittenen Finger in der Holzbranche. Er lächelt nur und winkt ab. Hin und wieder ein Splitter, manchmal auch ein Unfall, aber so etwas sei nicht die Regel.
Mittagspause im Pausenraum: Hier treffe ich Dominik Eckstein. Er ist 19 Jahre alt und im August mit seiner Ausbildung fertig geworden. Derzeit arbeitet er in der Entwicklungsabteilung – deshalb darf ich nicht nach seinen genauen Aufgaben fragen, alles streng geheim. Die Branche sei ständig im Wandel, erfahre ich später im Gespräch mit einem der Geschäftsführer. Deshalb habe sich das Unternehmen auf Produkte höchster Qualität spezialisiert. Nicht nur für Möbel, sondern auch für die Innenverkleidung von Autos oder Yachten kaufen Kunden die Furniere.
Über die Lehre kann ich mich mit Eckstein aber unterhalten. Die Berufsschule liegt in Rosenheim. Ob es auch Frauen in der Klasse gab? Ein paar schon, meint Eckstein. In der Produktion arbeiten einige wenige Frauen mit, eine Holzbearbeitungsmechanikerin gibt es noch nicht im Furnierwerk. Besonders lobt er das Betriebsklima und, dass ihm viel beigebracht wurde. Eine Stelle hat er hier sicher; trotzdem glaubt Eckstein nicht, dass er bleiben wird. Der 19-Jährige plant, sich beruflich vielleicht noch einmal komplett zu verändern.
Für mich geht es an diesem Tag noch an viele weitere Stationen: Zur Taxe, wo ein Facharbeiter die Qualität der Furniere überprüft und Preise festlegt. In die verschiedenen Lager, wo sich vor der Pandemie zahlreiche Kunden aus aller Welt umgeschaut haben sollen. Fast andächtig still ist es im Lager der besonderen Stücke: Hier zeigt mir Polack die Baumscheibe einer Zeder aus dem Park der Queen.
Eintönige Maschinen, Abwechslung nach der Ausbildung
All die Namen der Hölzer, die vielen Fachbegriffe und Maschinen scheinen mir ziemlich abwechslungsreich. Die Tätigkeiten an manchen Produktionsmaschinen sind allerdings immer gleich. Damit habe Polack selbst in seiner Ausbildung gehadert: "Viele Arbeiten sind schon sehr eintönig." Er habe sich durchgebissen damals. Heute weiß er, dass es nach der Ausbildung nicht bei diesen Arbeiten bleiben wird; ausgelernte Facharbeiter hätten viele andere Aufgaben. Genau kennen muss er die Maschinen trotzdem: In seinem aktuellen Job muss er sich um alle Produktionsstationen kümmern, oft klingelt sein Telefon. Polack hat sich außerdem weitergebildet, wie viele seiner Kollegen. Als Industriemeister Holzverarbeitung hätte er sogar ein Studium anhängen können.
Zum Abschluss meiner Schicht schauen wir noch einmal ganz an den Anfang der Reise des Holzes: Auf dem Rundholzplatz begutachtet Peter Kress die Stämme. Im Winter ist er oft auf Reisen, sucht in den Wäldern verschiedener Länder nach geeignetem Holz. Er selbst hat eine kaufmännische Lehre absolviert, aber auch ein Holzbearbeitungsmechaniker könne im Einkauf arbeiten, erklärt er.
Um 14.30 Uhr sitze ich wieder in meinem Auto und merke in der Stille: Mein Kopf summt vor Infos, vielleicht auch ein wenig vom ungewohnten Lärm der Maschinen. Lust hätte ich ja, die Abläufe und Maschinen noch weiter auszuprobieren. Ich merke aber auch, dass ich wirklich müde bin. Um Holzbearbeitungsmechanikerin sein zu können, wäre für mich wohl ein wenig Training nötig; schon das bisschen Schnupperarbeiten fand ich ziemlich anstrengend.
Wer Arbeitslos ist, ist dumm oder faul, oder natürlich beides.
Wir schaffen es kaum, einigermassen qualifizierte und motivierte Azubis zu bekommen.
Die Generation Playstation ist im Maschinenbausektor nicht zu gebrauchen. Da macht man sich die Finger schmutzig, das muss man mit Werkzeug hantieren oder noch schlimmer, da muss man ja nachdenken.
Nicht lustig!
An welcher Stellschraube man drehen müßte, wäre zu diskutieren.
Ich jedenfalls sehe nicht ein, warum die Solidargemeinschaft diese Gelder ohne jede Gegenleistung zahlt. Es gäbe tausende Möglichkeiten bei städtischen Betrieben, bei der Stadtreinigung, bei der Ernte usw., usw. junge, gesunde Arbeitslose einzusetzen.
Für jeden Tag an dem sie brav aufgestanden sind, pünktlich erschienen und gearbeitet haben, gäbe es einen Stempel ins Heftchen, und am Monatsende kann man sich je nach Stempelanzahl die Unterstützung abholen.